Richthofen - Seelenwalzer

Review

Jeder, der Rammstein kennt oder vielleicht sogar mag, wird ohne größeres Zögern sofort zustimmen: Der Sound von Rammstein ist mehr oder weniger primitiv, technisches Können eigentlich kaum vorhanden, der Gesang dümpelt im dumpfen Brüllen umher und auch die Texte gehören nicht gerade zur anspruchsvollen Garde. Daß Rammstein sich durch diese Art von Musik eine eigene Nische geschaffen haben, sei einmal dahingestellt. So verwundert es natürlich auch nicht, wenn jetzt einige Bands mit ähnlichem Sound auf dem Markt erscheinen, wie z.B. Richthofen Den Gesangspart von Richthofen übernimmt Dirk Weiss, der zuvor bei Warpath diente, die durch ihre aggressive Mischung aus Death Metal und Hardcore durchaus überzeugen konnten. Bei Live-Auftritten soll Marco Schulz, ehemals Hate Squad, den Bass bedienen. Alles in allem also durchaus Leute mit Erfahrung und technischem Können. Denoch war ich sehr erstaunt, als ich mir die ersten Songs vornahm: Die Songstrukturen sind sehr viel komplexer und verspielter als die von Rammstein, die Gitarren- und Drum-Arbeit erinnert teilweise an Hate Squad (vor allem bei den Songs „Für die Ewigkeit“ und „Ich mach dich tot“), obwohl das Ex-Hate Squad-Mitglied bei den Plattenaufnahmen im letzten Frühjahr noch gar nicht zum Line-Up gehörte. Der Gesang variiert vom meist anzutreffenden gebrülltem oder geknurrtem Sprechgesang bis hin zu etwas Gegrunze oder „echtem“ Gesang. In und zwischen den Songs wird dann ausgiebig in die Sample-Kiste gegriffen. Es werden kleine Spielereien eingebaut wie das Knirschen von Knochen, Schreie, Maschinengewehrfeuer oder Erzählerparts, die einen in kleine Märchenstunden entführen. Alles in allem verlieren sich die Songs dadurch nicht in langweiligem Gestampfe wie bei Rammstein, sondern kommen abwechslungsreich und frisch daher.
Das einzig negative an Richthofen sind die Texte. Während Rammsteins Ergüsse durchaus interessant sind und Sinn haben (irgendwo…), so sehe ich einen Großteil der Werke von Richthofen eher als eine sinnlose Ansammlung von Wortfragmenten an. Der Text von „Katharsis“ liest sich zum Beispiel so:

Die Seele geschändet, Katharsis gelebt
Das Rückgrad gebrochen, das Feuer gefegt
Bist du des Nachts fallend in Räume
Die nie zuvor betreten wurden von dir?
Mein Herz auf der Bahre
Es schlägt vor sich hin
Die Augen geblendet, ein Schrei ohne Sinn
Zerschlägst du Mauern
Ruhelos umherziehend
Im Dunkel verschleierter Erinnerungen

Wenn jemand von euch damit etwas anfangen kann, herzlichen Glückwunsch :)… Auch der Sinn des Bonus-Tracks blieb mir bislang verschlossen („[…] Ich bin das Virus, von dem alles erzählt. Ich hab‘ den Führer gegrüßt, Jesus die Füße geküßt, ich hab sie alle ignoriert, infiziert. […] Ich hab‘ den Teufel geprellt, hab‘ seine Jünger gequält, ich hab‘ sie alle ignoriert, infiziert. […]“)
Richthofen wurden mir von GUN als eine Art anspruchsvolles Rammstein mit philosophischen Texten angepriesen. Anspruchsvoller als Rammstein sind Richthofen auf jeden Fall. Nur sollte man im Hinterkopf behalten, daß da nicht sehr viel zu gehört. Als Fazit bleibt also nur zu sagen: Wenn ihr Rammstein mögt oder ihr von ihrem neuem Album sehr enttäuscht seid, dann werft einen Blick auf Richthofen, denn die werden euch nicht enttäuschen! Wer dagegen mit dieser Art von Musik (Metal möchte ich es nicht einmal nennen) bisher nichts anfangen konnte, wird auch von Richthofen nicht bekehrt werden, denn dann fängt die CD sehr schnell an zu nerven…

21.05.1997
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