Saille - Ritu

Review

Früher galt es als außergewöhnlich und spektakulär zu behaupten (oder sogar umzusetzen!), Black Metal und klassische (bzw. Orchester-) Musik seien sich näher, als man anhand der äußeren Erscheinung meinen möchte. Dieses Zeiten sind vorbei, seit Orchesterarrangements mithilfe von MIDI und großen Orchesterlibraries für jeden talentierten Heimbastler umzusetzen sind – heute gehört es zum guten Ton im sinfonischen Black Metal, mit Bombast um sich zu schmeißen.

Die Belgier SAILLE gehen auf „Ritu“ aber noch ein Stück weiter und integrieren auch Arrangements der Klassik in ihre Musik, und das nicht nur in den vielfältig vorhandenen Synthesizer- und Orchesterelementen, sondern überhaupt in der Anlage ihrer komplexen und dynamischen Stücke. Das artet glücklicherweise nicht in rationale Kopfmusik aus, sondern ist im Kern immer noch schneller, melodischer Black Metal. Trotzdem umweht „Ritu“ mehr als ein Hauch von Anspruch und Komplexität, und das ist angesichts vieler sehr pathetisch vorgehender Vertreter dieses Genres absolut spannend. Selbstverständlich können sich auch SAILLE nicht davon freimachen, Parallelen zu DIMMU BORGIR aufs Brot geschmiert zu bekommen, aber sie sind trotz vergleichbar düstererer, eleganterer Stimmung trotzdem sperriger, manchmal grotesker und vor allem weniger leicht greifbar. Das mag auch an dem etwas verwaschenen, wenn auch meinem Geschmack nach zu komprimierten Sound liegen, der „Ritu“ einen minimal chaotischen Touch gibt, aber dabei hilft, den Hörer zu fordern. Darüberhinaus wirken einige Elemente des Albums, wie gepitchte deutsche Sprachsamples und verfremdete Gitarren, seltsam okkult und hinterhältig, was mit dem düsteren Grünton des Covers und überhaupt dem angedeuteten Albumkonzept irgendwo zwischen Totenriten verschiedenster Kulturen und einem Lovecraft-Flair hervorragend Hand in Hand geht.

Überhaupt ist „Ritu“ ein Album, das man oft hören kann und muss, ehe es sich einem ganz offenbart. Ich wage auch zu behaupten, dass nicht jeder einen Zugang dazu finden wird, denn dazu sind auch SAILLE – wie viele code666-Bands – einfach zu eigen und die Songs auch nicht hitverdächtig genug. Wer bereit ist, sich Zeit zu nehmen, um durch die mitunter anstrengende Vielschichtigkeit der Band, die sich das Prädikat „sinfonisch“ damit redlich verdient hat, zu steigen, wird das Album trotzdem zu schätzen wissen. Als Anspieler empfehle ich das packende „The Idol Of Crona“.

20.01.2013
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