Shining - Animal

Review

Wir sagen Lebewohl – Lebewohl „Blackjazz“ und Lebewohl SHINING. Die Norweger um Jørgen Munkeby haben nach eigener Meinung scheinbar alles gesagt, was es zum nach ihrem sensationellen „Blackjazz“ benannten, eigens kreierten Subgenre der progressiven Musik härterer Gangart zu erzählen gibt. Zumindest scheint Munkeby das so zu sehen, heißt es im Pressetext schließlich: „I was done with ‘Blackjazz’ and wanted to create something new and exciting“. Wie viel Excitement kann von so einem krassen Wechsel weg vom Blackjazz und hin zum – man lese, staune und fürchte – modernen, Synth-getriebenen Alternative übrig bleiben?

Man kann und sollte natürlich auch willens sein, der neuen Spielweise von SHINING eine Chance zu geben. Wenn man das tut, entdeckt man in „Animal“ auf den ersten Hör ein relativ glatt poliertes, sehr melodisches Album mit reichlich Pop-Appeal, das weder so richtig Rock noch Metal ist, sondern einen seltsamen Grenzbereich dazwischen besetzt: zu hart für Rock, zu weich für Metal. Und erwartungsgemäß fehlt vom Blackjazz jede Spur. Das hat sich ja zugegeben schon bei den vorangegangenen Alben „One One One“ und „International Blackjazz Society“ angedeutet, doch waren diese dank der zwar zurückgefahrenen, aber noch präsenten, raubeinigen Jazz-, Prog- und Industrial-Elemente immerhin noch irgendwie als SHINING-Alben wiederzuerkennen. Nicht so das geradezu gezähmt anmutende „Animal“.

Blackjazz adé!

Doch wenn man nach dem ersten Schock, dem einen das eröffnende „Take Me“ mit seinen poppigen Synthies einjagt, überwunden hat, kann man dem Song und seiner kraftvollen Art dennoch etwas abgewinnen. Der Klargesang Munkebys in den Strophen reicht nur bedingt über das Mittelmaß hinaus, der semi-hymnische Refrain klärt zum Glück und zieht den Karren ein Stück aus dem Dreck. Natürlich sind die arg biederen Pop-Melodien eine bittersüße Pille, die man schlucken muss, um hieran Gefallen zu finden, aber nach anfänglichen Schluckbeschwerden geht das Ding dann doch runter.

Der Titeltrack setzt erfreulicherweise mit einem etwas höheren Maß an Aggression nach, auch wenn Munkebys an Alt-Metal-Gepose gemahnende „Nanananananas“ schon für den ein oder anderen, unfreiwilligen Lacher gut sind. Die Synthesizer legen im Refrain des folgenden „My Church“ an Volumen und Größe zu, was beeindruckt. Zumindest, bis man merkt, dass der Track im Grunde ein etwas härterer Abklatsch der mittleren bis späteren MUSE ist. Und spätestens mit dieser Erkenntnis wird man den faden MUSE-Beigeschmack, der über dem Album liegt, nicht mehr los.

„Animal“? Nicht so animalisch wie erwartet…

Und es ist genau diese Anbiederung an diese hochmelodischen, jubilierenden Rock-Sounds, die bei „Animal“ so sauer aufstoßen. Ein winzger Rest SHINING scheint noch durch, üblicherweise in Form etwas aggressiverer Vocal-Passagen wie im Refrain von „Fight Song“. Im Kontext des Gesamtsounds wirken diese Shouts aber weniger aggressiv und eher trendy. Und das Problem ist hier nicht einmal der Sound selbst. Wenn ein Munkeby, wie in der Presseinfo so schön geschrieben, sagt: „This new record is more Muse than Meshuggah, more Ghost than Gojira, and more Biffy Clyro than Burzum“, dann kann in kompetenten Händen durchaus ein knackiges, eingängiges Album bei rumkommen.

Ohne andeuten zu wollen, dass hierhinter unbegabte Musiker stehen, opfern SHINING mit alledem, was sie an Progressivität und Härte eingebüßt haben, vor allem eines endgültig: ihre bissige, giftige Attitüde. Will sagen: Mehr „Streichelzoo“ als „Animal“. Das Endergebnis weist zwar Elemente der drei genannten Bands auf – am ehesten wie erwähnt MUSE, man hätte noch 30 SECONDS TO MARS nennen können – und hat auch ein paar lichte Momente gerade zu Beginn der Platte, doch klingt das Ganze so angepasst und in seinen schlimmsten Momenten regelrecht lahmarschig, dass man nicht weiß, ob man jetzt wütend oder traurig sein sollte.

SHINING geben sich auf

Es ist wirklich schade, wie sich einst großartige, wegweisende Bands durch Pop-Anbierderung selbst derart aufgeben können und sich scheinbar auch kein Gramm dafür schämen. Doch die (Musik-)Geschichte wiederholt sich eben immer und immer wieder. Das wäre im Falle SHINING alles nicht so tragisch, wenn Munkeby das Ganze von vorn herein als neues Projekt in Angriff genommen hätte. Dann hätte man ihm diese widerlichen Millenial-Klischees wie die „Woohoohoos“ am Ende von „End“ verzeihen können. Und dann hätte man beim furchtbar kitschigen Rausschmeißer „Hole In The Sky“ vielleicht sogar auch noch ein Auge zudrücken können.

Doch so kann man nicht anders als sich an den Kopf fassen ob des Gehörten, das sich tatsächlich mit dem Namen einer einst herausragenden, gar bahnbrechenden Band schmückt. Zumindest kann man sich den rein technischen Aspekt der Platte schönrationalisieren – sie klingt ordentlich und erfüllt ihren Zweck als Pop-Rock-Metal-Hybrid, der wenigstens im ersten Drittel noch etwas hermacht. So werden SHINING zumindest die zärter besaiteten Kids von der Straße holen. Für mehr reicht’s dann aber wirklich nicht.

15.10.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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