Shining (NO) - International Blackjazz Society

Review

Hand aufs Herz: Brauchen wir dieser Tage eigentlich eine „International Blackjazz Society“? Keine leicht zu beantwortende Frage, wenngleich das 2010er SHINING-Album nicht gerade zu Unrecht als kleine Fusion-Metal-Revolution angesehen wird. Doch schon der unmittelbare Nachfolger „One One One“ überraschte drei Jahre später mit einem amtlichen Schuss strukturierteren Industrial Metals. Angesichts des illustren Albumtitels steht nun also die Frage im Raum, ob SHINING hier tatsächlich den großen Schritt zurück zur improvisationslastigen Desorganisation wagen werden.

Doch daran verschwendet Bandkopf Jørgen Munkeby keinen Gedanken. Nachdem seine Gefolgsleute ein weiteres Mal gründlich durchgemischt wurden, versucht sich der Multiinstrumentalist nun endgültig als Trent Reznor des norwegischen Industrials zu inszenieren. Dabei scheint auf den ersten Blick alles wie gewohnt: Eingängiges Saitenriffing, dissonant verschobene Synth-Oszillatoren, das durch die Zerrerdose geschleifte Röcheln Munkebys – und dann geht’s auch schon los: Wo ist eigentlich das Saxofon auf „International Blackjazz Society“ geblieben? Neben knappen Soloeinsätzen („The Last Stand“, „Need“) verwursten SHINING ihren einst markantesten Sound-Baustein auf „International Blackjazz Society“ viel lieber in Intros („Admittance“) oder endlosen Free-Jazz-Improvisationen („House Of Warship“). So viel dann also zum Blackjazz.

Doch womit vertreibt sich Chef-Saxofonist Munkeby dann stattdessen die Zeit? Richtig, mit Gitarren natürlich. Verdammt punkigen Gitarren, die mit Neuzugang Tobias Ørnes Andersen (ex-LEPROUS) auf einen erschreckend geradlinigen Drummer treffen. Tja Freunde, 13/4-Takte waren gestern. „The Last Stand“, „Thousand Eyes“ oder „Last Day“ – überall tun sich Aggro-Klöppelpassagen auf, die gemeinsam mit den quirligen Gitarren und Synthesizern eine derart angepisste Grundstimmung vermitteln, dass es von weit her nur „NINE INCH NAILS! NINE INCH NAILS!“ zu grölen scheint. Würde sich „Burn It All“ als verlorener Teil der „Downward Spiral“ herausstellen, Genre-Fans dürften nicht überrascht sein.

Die große Wundertüte packen SHINING allerdings erst in der zweiten Albumhälfte aus. „House Of Control“ zeigt Munkeby, wie er seine Stimme erstmals seit der radikalen Blackjazzisierung 2010 etwas schonender einsetzt. Klingt im Endprodukt nach kratziger Rockröhre, die den ungewohnt melodiösen, stellenweise gar pompösen Song gerade noch vorm schmerzlichen Ertrinken im gemeingefährlichen Kitsch-Bällebad zu retten weiß. Und das, obwohl die Band hier mit einem der stärksten Songwriting-Momente auf „International Blackjazz Society“ aufwartet.

Denn sowohl ein sich anschließendes „Need“ als auch ein „The Last Stand“ sind, was sie sind: Knackige Industrial-Nummern, die auch mal mit dem einen oder anderen Billo-Riff auskommen. Musik also, wie sie sich letzten Endes immer wieder auf MINISTRYs „Just One Fix“ zurückführen lässt. Was nicht davon ablenken soll, dass SHINING wieder einmal durch und durch schizoid-unangenehme Musik auf teils bravourösem musikalischen Level präsentieren. Warum aber auf mustergültige Eigenständigkeit nun immer größere Anbiederung an musikalische Vorbilder folgen muss, weiß wohl nur Mr. Munkeby himself.

24.10.2015
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