Sleepmakeswaves - Love Of Cartography

Review

Mal ehrlich: Seit Edward Snowden gibt es doch kaum einen weiter verbreiteten Wunsch, als selber mal ein bisschen NSA zu spielen und im Privatleben anderer Leute herumzuschnüffeln. Und wessen Posteingänge könnten wohl interessanter zu durchforsten sein, als die der Herren Kostudis und Klug? Erst neulich haben sich unsere beiden Redakteure gemeinsam das neue Werk der australischen Post-Rocker SLEEPMAKESWAVES angehört. Wir versuchen den Geheimdiensten zuvorzukommen und stellen euch hier im Nachhinein den unverblümten Chat-Auszug bereit. Wen interessiert da noch Merkels Handy?

Privat nennen die beiden das übrigens „eine experimentelle Reviewform“. Also bringt Geduld und Nachsicht mit. Ganz erträglich könnte es auch werden, wenn ihr euch die Scheibe hier live im Stream anhört. Press play!

 

Perfect Detonator

Alex: Da simma!
Anton: Läuft. Ui…nix Intro.
Alex: Ich würde mal sagen: Tour mit 65DAYSOFSTATIC macht sich bemerkbar.
Anton: Jo. Spacy Stuff da. Bissl wild erst mal, sehr direkt. Ahja… dachte, wir hören jetzt paar Minuten bissl ruhigeren Kram. Nee, eher knackig.
Alex: Nice, die brauchen keine minutenlangen Ansteigerungen um Atmosphäre zu erschaffen. Hektisch auf jeden Fall, aber so richtig ruhig waren die auf dem Debüt ja auch eher selten.
Anton: Jo, man kommt sofort rein. Aber stimmt – viele Parts, viel Input gerade. Atempause.
Alex: Würde live ohne Sampler auch nicht halbwegs so laufen, haha.
Anton: Neee.
Alex: Yeah, Panorama-Party.
Anton: Haha.
Alex: Hörst über Kopfhörer?
Anton: Jaja.
Alex: Besser so.
Anton: Hab‘ grad das Gefühl, der Track hat sich etwas gesetzt. Geht aber doch gleich weiter.
Alex: Auf jeden Fall. Der Drummer hält nicht still.
Anton: Jo, viel Gemache da, stimmt. Geil!
Alex: ‚fjeden.
Anton: Macht alles einen sehr frischen Eindruck. Und wirkt auch nicht so standardmäßig.
Alex: Auf jeden Fall keine Kopie der ersten Platte.
Anton: Hab‘ grad nicht das Gefühl, das schon mal gehört zu haben.

Traced In Constellations

Anton: Huch!
Alex: Hui. Haha. Ballert!
Anton: Was passiert da gerade? Ging gut ab. Geile Überleitung auch! Ins Epische.
Alex: Jep. Streuen die epischen Parts echt „mal eben so“ ein. Wirkt aber nicht abgehackt.
Anton: Nope, so…jetzt zum ersten Mal ’ne eher „herkömmliche“ Melodie. Aber sehr stimmungsvoll.
Alex: „Spacy“ trifft’s echt gut. Haarscharf kombiniert: Passt voll zum aus der Luft(?) fotografierten Albumcover.
Anton: Airy, auf jeden. Wobei wir – ohne, dass das schlecht ist – gerade eher in klassischen Post-Rock-Gefilden unterwegs sind. Würde ich sagen. Sehr harmonisch, schöner Lead.
Alex: Jao, aber die wesentlich rockigere Note ist ja nicht abzustreiten.
Anton: Nee, nee! Geht alles viel schneller als woanders. Kürzere Parts, schnelle Wechsel. Okay. Vorbei. Coole Nummer.

 

Singularity


Alex: Wobei es ja auch Quatsch ist, zu sagen, dass klassischer Post-Rock weich ist. MOGWAI hatten ja auch schon viele härtere Sachen früher. „Like Herod“ vom Debüt zum Beispiel. Nur, dass das hier halt alles so aalglatt produziert ist, dass es nicht so raussticht. Was nichts Schlechtes ist.
Anton: Ich mein nur… Man fühlt dann, dass man gerade Post-Rock hört. Man bemerkt einfach die typischen Trademarks.
Alex: Ja, auf jeden Fall!
Anton: „Typisch“ ist das bessere „klassisch“.

 

Emergent


Alex: Oh, Ballade, was da los.
Anton: Jetzt erst mal ruhiger. Find ich gut. Haha.
Alex: Schon ’ne halbe Minute ohne Schlagzeug. Krass.
Anton: Ups. Aber da kommt ein Gitärrchen. So langsam.
Alex: Dachte erst schon Synthie. Und es faded einfach wieder aus, fett.
Anton: Hihi.
Alex: Und da kommen auch schon programmierte Drums.
Anton: Jo. Aber ist gut gemacht.
Alex: Definitiv.
Anton: Merkt man nicht gleich. Ok. Wir könnten uns hier zu was Großem aufschaukeln.
Alex: Jep. Schöne Analog/Digital-Mischung. Bin gespannt, ob’s im Mid-Tempo bleibt.
Anton: Ich sage: Ja. Koooomm… komm! Huch.
Alex: Bäm.
Anton: Was’n das? Also das dazwischen?
Alex: Ist das Gitarre oder E-Banjo mit Phaser?
Anton: Haha, sowas ja. Und jetzt aufs Mett.
Alex: Geil man, bisschen Math Rock?
Anton: Fehlt nur der Math, aber jo! Geil.
Alex: Ach komm.
Anton: Jetzt isser da. Und wieder weg…
Alex: Ääääh… simmer noch synchron?
Anton: Hahahaha! Da spielt grad einer ziemlich fiddelig Gitarre.
Alex: Boah, ich merk‘ schon, das wird live richtig gut drücken. Die Spielfertigkeit haben sie.
Anton: Wenn sie es so hinkriegen. Aber sollten sie.
Alex: Doch kriegen sie. Einen Song von der Scheibe haben die schon was länger live gespielt. „Something Like Avalanches“, die Neun.
Anton: Ok. Wir müssen am Ende auch Punkte geben, ne?
Alex: Normal. Btw: Hallo liebe Leser!
Anton: Huhu! Wir haben nicht getrunken! Wir würfeln!
Alex: Das sparen wir uns für den nächsten Live-Chat auf. Ach so, falls ihr was zur Scheibe lesen wollt: „Emergent“, der mit acht Minuten bisher längste Track der Scheibe, endete recht ruhig mit sanften Synthies und Clean-Gitarren.
Anton: Hahaha. Sanft… ach, schön.


Great Northern

Alex: Alter, Alter, das ist SOOOOOO 65DAYSOFSTATIC.
Anton: Stimmt.
Alex: Also kein Abklatsch, dafür wechseln die Passagen ja viel zu oft.
Anton: Aber ’ne ähnliche Klangfarbe, auf jeden.
Alex: Solche Parts wie hier mit schönem E-Drum-Klicken. Yeah, jetzt wieder classic Post-Rock. Nur, dass man den Bass hört. Und wieder nicht.
Anton: Haha.
Alex: KLAVIER. ES IST KLAVIER!
Anton: Das ist verdammt gut gemacht.
Alex: Ja, Mann!
Anton: Bis hierhin alles aus einem Guss. Dabei ist bereits ’ne Menge passiert.
Alex: Und jetzt einfach ’ne poppige Melodie, die perfekt reinpasst.
Anton: Jo, die geht. Nee, aber ich mein‘ – es ist wirklich noch nix bei gewesen, was mich irgendwie grübeln lassen hat.
Alex: Ja, weil man keine Zeit zum Grübeln hat. Geil. Glaub mir, live ballert das echt noch viel härter, als es hier wirkt. Mehr Druck.
Anton: Ich find’s cool, weil hier nicht in epischer Breite gearbeitet wird (was auch cool sein kann), sondern viele kleine Spielereien am Start sind.
Alex: Ganz ehrlich: Vertraute Elemente neu zusammengesetzt, jeder Song anders und trotzdem eindeutig vom selben Album. Yeah.
Anton: Die Klampfen machen da gut Alarm, schöne, kleine Fiddeleien.
Alex: Genau. Fingerfertigkeit + Atmosphäre. Viele neuere Post-Rock-Bands können nur noch letzteres.
Anton: Jo. Da muss ich auch erst mal überlegen, wo ich sowas zuletzt gehört habe. Bei den VESSELS auf jeden Fall. Aber das ist paar Jährchen her.
Alex: Richtiges Gitarrenspiel ist dank Delay-Pedalen etwas überflüssiger geworden. Überspitzt formuliert.
Anton: Jo, das stimmt. Ich spreche aus Erfahrung. 🙂 Haha. Ich lieeeeeebe Delay-Pedale.
Alex: E-Bow + Delay + YouTube = (Post-)Rockstar.


The Stars Are Stigmata

Anton: Huch… da hat einer einen tiefen Ton gespielt, haha. Schönes Ding da gerade.
Alex: SLEEPMAKESWAVES – Influences: „we write love songs about delay pedals „. Deine Homies.
Anton: Haha, auf jeden! Das hier finde ich gerade nicht so zwingend.
Alex: Geil, Mann. Atmosphäre mit Zerrer statt Delay. Beste Tremolo-Synthies. Jawohl, Freiraum für den Drummer.
Anton: Jo. Fand ich so mittel. Aber jetzt – bäm!
Alex: Hate mal nicht gegen den Drummer.
Anton: Ich meinte eher die Klampfen.
Alex: Achso, ja, stimmt schon. In dem Part davor war der nämlich viel zu präsent gegenüber Gitarre und Synthies.
Anton: Die verzerrte Line da. Die war nicht sooooo umwerfend.
Alex: Und die gerade erst.
Anton: Aber auch gut, wenn man so was hat.
Alex: Das ist aber eigentlich cool.
Anton: Jo, die finde ich ganz cool. Is‘ so bissl rotzig. Oder …öh…da war sie schon wieder vorbei.
Alex: Gespielt wie ’ne übliche Post-Rock-Line. Aber im falschen Channel.
Anton: Hahahaha!
Alex: Mehr Statik bitte!
Anton: Man sollte im Proberaum hin und wieder aufräumen…
Alex: Das…ist eine gute Aussage – wenngleich ich sie gerade nicht einordnen kann?
Anton: Sonst tritt man auf die falschen Knöpfchen, mein ich.

A Little Spark

Alex: Haha alright. Okay. Wieder ein Interludium. Drei Minuten, yeah!
Anton: Das nehmen wir doch gern mal mit.
Alex: Und wieder so’n semi-analoges Gitarrenfeedback. I feel like Weltall!
Anton: Stünde das Teil auf „Wild Light“ – ich hätte es womöglich nicht gemerkt.
Alex: Yeah!
Anton: Ja. Space alert, everybody!
Alex: Die „and so we destroyed everything“ fand ich vom Feeling schon etwas naturbezogener.
Anton: Liebe Leser: Erste längere ruhige Phase, jetzt.
Alex: Hat sich ja auch in den Titeln breit gemacht: „to you they are birds, to me they are voices in the forest.“ Also, da kann man schon von bewussten Konzepten je Album reden. So was find ich fett – wenn’s funktioniert. Was es hier tut.

How We Built The Ocean

Anton: Das ist es in der Tat. „How We Built The Ocean“ fängt verhalten an.
Alex: Verdammt… Da ist die Natur wieder!
Anton: Ich höre zweifelsfrei Bachstelzen.
Alex: Das war’s dann mit „verhalten“.
Anton: Ja, dacht‘ ich auch gerade.
Alex: Verdammt, woran erinnert mich das…dieser Einsatz.
Anton: Geil – sowas is‘ fett. Wenn der Takt nich ganz rund is‘, man es aber nicht merkt. Außer, man achtet drauf.
Alex: Ich hab’s nicht mal gemerkt, haha!
Anton: Der laute Part davor, den mein ich. What? Hahaha.
Alex: Auf der Platte kann man wahrscheinlich selbst beim fünften Hören noch was Neues entdecken. Sind echt heftig viele Details.
Anton: Das halte ich für möglich, ja. Wäre man ein Nörgler, könnte man ankreiden, dass es überladen ist, hin und wieder. Definitiv sehr bombastisch.
Alex: Für einige sicher ungewohnt, schon.
Anton: „Cineastic Sound Experience“ hätte ich als Promoter in den Beipackzettel geschrieben.
Alex: Stattdessen steht da ernsthaft „Ambient/Post-Rock“, hahaha. Apropos Beipackzettel: „this project has been assisted by the australian government through the australia council for the arts, its arts funding and advisory body.” WARUM HABEN WIR EIGENTLICH KEINEN VOM STAAT GEFÖRDERTEN POST-ROCK?
Anton: Haha, unbedingt.
Alex: Ich sag dir: Das ist live ’ne mächtige Herausforderung…wenn alles auf Sampler läuft. So viele Breaks, so viele Rhythmuswechsel…
Anton: Ja, da sollte besser nix schiefgehen.
Alex: Sobald du einmal raus bist, ist Feierabend.
Anton: Dann kannste nur noch auf die Zerre treten und moshen.
Alex: Wow! Heavy! Zu dem Part hier gerade – definitiv!
Anton: Den Sampler wirst du niemals wieder kriegen, ja, haha. Auf jeden Fall. Sehr kernig, gerade. Huch! …und nochmal ’ne Schippe drauf!
Alex: Typisch…fing „verhalten“ an, wie du meintest, und jetzt ist es einer der härtesten Parts der gesamten Scheibe. Yeah! Wieder Distortion statt Hall!
Anton: Aber eben auch schon wieder vorbei! Krass!
Alex: Ohne Gnade.
Anton: War da jetzt schon mal was, was länger als zwei Minuten ging? Was Parts angeht? Nee, wa?
Alex: Ja, doch! „A Little Spark“…aber das zählt nicht, hehe.
Anton: Das Interlude-Dingens? Ja…äh…nee. Das war schön, übrigens. Der Song gerade.
Alex: Ja, war es. Krasses Teil mal wieder.

 

 

Something Like Avalanches

Anton: Die letzte Viertelstunde ist soeben angebrochen… Ach, geil! VESSELS-Style, aber übel!
Alex: Alter, da hätte jetzt voll der Dubstep-Break kommen können, haha. Ja, is‘ fett! Gehetzt, aber lässt sich gerade alles etwas mehr Raum – siehe hörbarer Bass.
Anton: Jo.
Alex: Oh und ganz wichtig: Sie haben aufgehört, alle Songtitel klein zu schreiben!
Anton: Hahahaha! Hat aber vielleicht nur der Layouter verkackt.
Alex: Oh… nee, auf dem Cover ist auch alles kleingeschrieben.
Anton: Ha-ha.
Alex: Aber ID3-Tags sind großgeschrieben, und die Songs auf der Bandcamp-Seite auch. Äh…und nochmal: Hallo liebe Leser! Wir hören gerade einen schönen Song!
Anton: Oh ja…
Alex: Ist mit der in sich schlüssigste Song, Breaks sind natürlich da, aber es baut eindeutiger aufeinander auf.
Anton: Der hat gerade mal wieder eine derbe Electro-Schlagseite, hier… aber nur ganz kurz.
Alex: Und wieder!
Anton: Hui, jetzt geht’s mächtig ab!
Alex: Jetzt kombiniert…ich glaub‘ sogar, das ist der elektronischste bisher. „Wild Light“ mit Speed.
Anton: Jo, definitiv, haha. Krass, ja. Viel Soundgeschraube, da. Ma schau’n, was das Finale bringt.
Alex: Wenn sie den live „geschafft“ haben, schaffen sie den Rest erst recht.
Anton: Auf jeden.


Your Time Will Come Again

Alex: „Your Time Will Come Again“. Hammer…ich hoffe, der ist allen Indie-Bands dieser Welt gewidmet.
Anton: Oi…das is‘ geschmeidig. Wie kriegt man eigentlich so ’nen Klampfen-Sound hin? Für den Leser: Soeben spielt eine dezent hallige (Fender)-Klampfe eine wunderschöne, fluffige Melodie.
Alex: Und auf der rechten Seite der Kopfhörer knackt ein Elektroschlagzeug unter tausenden Filtern. Endlich wieder Klavier! Und noch mehr E-Drums!
Anton: Achso – wir müssen dann gleich noch bewerten. Und begründen! Nech?
Alex: Äh…ja bewerten und begründen. Also „fluffig“ ist die beste Begründung, die ich bisher hier gelesen habe.
Anton: Haha. Sind aber noch fünf Minuten, bis der Reigen endet. Bislang legt sich die Scheibe den Hörer eher zurecht. Noch nicht das große Finale.
Alex: Meeeeega, diese Claps klingen wie der Standard-MIDI-Sound des billigsten Music-Store-Drum-Pad-Sets.
Anton: Kommt da jetzt noch was? Ja, das dachte ich auch. Das E-Drumkit…derb.
Alex: Aber die drehen den Filter kontinuierlich runter. Jo…das hatte mal wieder was. Also, man kann sinnlos alles loben – aber die können hier ja echt einstreuen, was sie wollen. Es passt.
Anton: Rave! Haha, das stimmt.
Alex: Um deine Frage zu beantworten: Ja, locker kommt da was. Noch fünf Minuten. Ich erwarte eine Apokalypse.
Anton: Oh! Sie beginnt! Auch, wenn’s eher optimistisch klingt. Drums werden schneller…
Alex: Wir marschieren langsam gen Sonnenuntergang?
Anton: Es scheint was zu passieren…
Alex: Ok, wir marschieren schneller… Twin-Guitar-Hypno-Melodie. Wieder mit normalen Zerrern.
Anton: Jo. Aber eher Sonnenaufgang, finde ich. Oder? Hoffnung…irgendwie.
Alex: Ergibt Sinn, ja. So…Part vorbei. Immer noch zweieinhalb Minuten. Es ist noch alles drin.
Anton: Ja. Wir kehren zum anfänglichen Soft-Step-Gitarren-Ambient zurück.
Alex: Ende mit ausklingenden Gitarren, Synthies und leichtem E-Drum. Das ist jetzt exakt wie am Ende von „…and so we destroyed everything“. Finde ich gut. Wobei die das wahre Finale eben gerne noch ein bisschen länger hätten ausreizen dürfen.
Anton: Ja, ein bisschen Ruhe kann die Scheibe aber auch gut gebrauchen…ja, stimmt. Der letzte Track war jetzt nicht soooo das ganz große Ding.
Alex: Wobei, ist ja auch typisch für die Platte: Nicht zu lange verweilen.
Anton: Jo.
Alex: Mag schon sein. Aber man darf keine zu hohen Erwartungen haben – nur, weil es der letzte Song ist.
Anton: Stimmt schon.

 

 

Bewertung / Philosophie

Anton: Hier…lass uns mal zum Fazit kommen.
Alex: Jo. Also man kann schon sagen, dass sie ihre Mitte gefunden haben – aus Härte, technischen Spielereien und Atmosphäre, die auf den Vorgängern alle am Start waren, aber halt nie so krass und fließend verzahnt wie hier.
Anton: Es ist definitiv sehr ausbalanciert, mit einem Tick mehr Fokus auf das Energische. Gibt wenige wirkliche Ambient- oder Chill-Parts.
Alex: Ja, die versucht man jetzt mehr in den Zwischentracks zu verarbeiten. Und ein, zwei Songs haben etwas längere Intros. Das Ding ein Post-Rock-Album zu nennen, wäre irgendwie schon zu eng gefasst.
Anton: Ja… Viel Verspieltes, viele Details, viel Abwechslung. Aber auch alles sehr frisch…kein Abklatsch. Ich finde es, ehrlich gesagt, recht bemerkenswert…viele gefühlt „neue“ Melodien…hatte kaum den Verdacht, dass ich das schon mal so gehört hätte.
Alex: Jep. ’ne ziemliche Reise ins Unbekannte, die wirklich nur so an einem vorbeirast. Ist vorbei, ehe man sich versieht und man kann die ganzen Eindrücke gar nicht gleich verarbeiten.
Anton: Das finde ich ’ne sehr treffliche Formulierung, auf jeden.
Alex: Reise ins Weltall, eben. AAAAAABER… Wenn wir schon von Konzepten reden: Wie setzen wir das in Relation zum Albumtitel?
Anton: So: Liebe Leser, die Australier legen hier die wohl beste Space-Metal-Scheibe des Jahres vor. Ach Gott…
Alex: Ja, komm. Lass uns philosophieren!
Anton: Nun denn. Also..“Love Of Cartography“…es geht um Landkarten, Karten, Maps.
Alex: Kartografieren = berechnen.
Anton: Landkarten sind in der Regel sehr detailreich.
Alex: Alles muss genau sein, perfekt erfassen.
Anton: Rechnungen wiederum können sehr verzwackt sein. Müssen am Ende aber funktionieren. Und es gibt verschiedene Rechenwege, meistens.
Alex: Und das Cover spiegelt halt auch die Mischung wieder: Sehr viele amerikanisch-quadratisch aufgebaute Straßennetze, die aber durch die vielen Leuchtpunkte eine ganz eigene Schönheit ergeben. Eine Schönheit, deren Summe der Einzelheiten man so nur aus dem Weltraum betrachten kann.
Anton: Dazu braucht man dann eine Karte. Oder ein schönes Foto. Wenn man nicht mal eben selbst hinfahren kann.
Alex: Yeah. Und die Liebe zum Kartografieren ist ja auch hart nerdig.
Anton: Auf jeden. „Ich guck‘ jetzt mal, wo der Uranus is‘, und trage das mal am PC in meine 360-Grad-Panorama-Map ein.
Alex: Äääh…also nächstes Album wird dann ein Konzeptalbum zum Uranus?
Anton: Hoffentlich.
Alex: Haben NOCTE OBDUCTA schon gemacht, haha.
Anton: Hin oder her – ich denke, die liebe zum Detail…und gleichzeitig die Liebe zu großen, mächtigen Bildern (Landschaften, Weltall, etc.)…die kann man schon in dieser Musik wiederfinden. Aber nun! Bewertung!
Alex: Poah…also nach intensivem Hören über Kopfhörer heute auf jeden Fall höher, als ich es anfangs vorhatte.
Anton: Keine Zehn. Dafür war mir das letzte Drittel nicht krass genug.
Alex: Nee, Zehn auf keinen Fall. Dann hätten wir auch oben durchgehend ausrasten müssen. Es ist ein verdammt gutes Album… andererseits weiß ich noch nicht, ob es öfter als der Vorgänger im Player landen wird.
Anton: Wobei ich schon ziiiiiemlich angefixt bin von dem Teil gerade.
Alex: Die Erste wäre bei mir wohl eine Neun oder Zehn gewesen. Daher ist hier die Frage: Acht oder neun Punkte? Es ist schon ein „perfektes Album“. Nicht für mich, aber generell. Unheimlich variabel und extrem in sich schlüssig. Aber von vorne bis hinten abfeiern tu ich’s nicht. Also, ich feier’s schon ab… aber nicht so, dass ich’s mir dreimal am Tag gebe, haha.
Anton: Ok, ja. Da geh ich mit. Es ist perfekt insofern, dass es makellos ist, von vorn bis hinten. Vom Klang her, vor allem. Ich könnte auch mit einer Neun gut leben. Müsste nur wissen, warum.
Alex: Weil’s perfekt ist. Die Sache ist…das ist halt eindeutig nicht nur Post-Rock – und somit gilt auch nicht die Prämisse, immer fesselnd zu sein.
Anton: Stimmt auch wieder.
Alex: Ich komme mit acht ja auch klar. Aber das finde ich irgendwie der Perfektion unangemessen.
Es ist auch nicht „steril perfekt“, sondern hat auch noch Herz. Und ist voll von technischen Spielereien. Und über weite Strecken eben doch atmosphärisch.
Anton: Jo, das stimmt.
Alex: Welche Platte hat das zuletzt so geschafft?
Anton: Die „Helioscope“ von VESSELS. Aber das ist egal, ist lange her.
Alex: Ich hab‘ meine Argumente vorgebracht. Und jetzt entscheidet der Herr Ressortleiter. Ich komme mit beidem klar.
Anton: Wir nehmen die 9 Punkte. Weil wirklich mehr drin ist, als man erwarten durfte. Und weil’s wirklich perfekt inszeniert ist.
Alex: Yes!
Anton: Wenn dich einer fragt „Wie muss gute instrumentale Musik klingen?“ kannste dem das Ding bedenkenlos in die Hand drücken.
Alex: Exakt.
Anton: Insofern: überzeugt.
Alex: Fresh!

01.10.2014
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