Species - Changelings

Review

Mit der Wortwolke „Polnischer Extreme Metal“ werden ja eher Bands wie BEHEMOTH oder VADER assoziiert. Das Trio SPECIES tanzt dahingehend aus der Reihe, da sie nicht in die gleiche, angeschwärzte oder schlicht prügelwütige Brutalität verfallen wie ihre prominenteren Landsmänner. Stattdessen nehmen sich die gegenständlichen Herren ein bisschen MORBUS CHRON hier, ein bisschen VORBID da und ein bisschen „Symbolic“ dort und fügen immer wieder weitere Einflüsse wie Fusion, Funk oder sogar mal NWoBHM-Ansätze mit hinein. Das Ergebnis ist eine Mischung aus Progressive Death und Groove-betontem Thrash Metal, dessen Hauptaugenmerk auf Eklektik liegt und weniger die Hirnmasse durchknetet oder anderweitig Lovecraftsche Schrecken hervor ruft. Im Sound der hier gegenständlichen Polen geht es vergleichsweise leichtfüßig zu.

Ein echter Gestaltwandler von einem Album

Die Produktion klingt angenehm aus der Zeit gefallen und versetzt die Hörerschaft im Handumdrehen zurück in die Zeit. Das ist jedoch bei weitem nicht nur eine ästhetische Entscheidung gewesen, denn „Changelings“ profitiert von der enormen Transparenz, die durch diese Produktionsentscheidung ermöglicht worden ist, sodass jedes Instrument – ja auch der fidele Bass von Fronter Piotr Drobina – stets gut auszumachen ist. Der Fokus liegt hier nicht auf straffem Druck, sondern auf purer Spielfreude, die „Changelings“ aus jeder Pore ausstrahlt und die aufgrund des luftigen Sounds zu keiner Zeit überfordert. Es gehört einiges an Mut dazu, ein Metal-Album so kristallklar und – in Ermangelung an einen besseren Begriff – lebensbejahend klingen zu lassen.

Dank der immensen Fertigkeiten, die das Warschauer Trio mitbringt, gelingt dieses Unterfangen jedoch auf ganzer Linie. Die Spielweise ist sauber, was angesichts der nicht bis zur Schmerzgrenze verzerrten Gitarren von Michał Kępka ein absolut kritischer Faktor für das Gelingen der Platte darstellt, gerade wenn die bereits angesprochenen NWoBHM-Elemente in „Waves Of Time“ beispielsweise an die Oberfläche kommen, so als würde sich Steve Harris persönlich gegen Ende des Tracks erheben, um den Song im klassischen MAIDEN-Galopp ausklingen zu lassen. Das hat den Nachteil, dass „Changelings“ längst nicht so headbangfreundlich ist, wie andere Bands der Marke TOMB MOLD oder REPLICANT trotz progressiver Ambitionen nach wie vor zu sein pflegen.

SPECIES setzen mehr auf Transparenz und Klarheit denn rohe Gewalt und Straffheit

Andererseits haben CHAPEL OF DISEASE auch schon mehrfach bewiesen, dass gerade Death Metal gern mal wie die Seventies rocken darf und dabei eben nicht die Hutschnur bis zum Anschlag straff ziehen muss. So gesehen lässt sich das Argument aufstellen, dass SPECIES hier effektiv nicht viel neu machen, was auch komplett legitim ist. Wo die Warschauer aber letztlich punkten ist in der wahnsinnig souveränen, technischen Umsetzung ihrer Vision sowie dem gekonnten Songwriting, das bei allen Breaks und Hakenschlägen selten den Faden verliert und irgendwie doch immer zum Ausgangspunkt zurück findet. In dieser Hinsicht verschmelzen die Warschauer ein Stück weit klassische Prog-Tugenden mit ihrem Metal und lassen die Hörerschaft auf Entdeckungsreise gehen.

Das sorgt dafür, dass die sieben Stücke von „Changelings“ eine beachtliche Halbwertszeit mitbringen, weil es für die Empfängerseite so viele Layer und Details im Sound der Polen zu entdecken gibt. Allein die Strukturen der Songs zu durchschauen und zu verstehen ist eine Freude in sich selbst. Dazu sind die scheinbar mühelosen Übergänge zwischen den einzelnen Motiven – besonders wenn die Band von ihren härteren Passagen in die ruhigeren Parts (und wieder zurück) wechselt – ein Genuss. In dieser Hinsicht bietet vor allem „Terror Unknown“ ganz großes Kino. Und sogar klare Gesangspassagen hat Piotr Drobina drauf, hin zum Punkt, dass man sich wünscht, dass diese öfter sekundierend zu seinen Gekeife zum Einsatz kommen würden.

Daher punktet „Changelings“ auch mehr durch feinsäuberliche Spieltechnik und kreative Songwritingentscheidungen

Die Vielschichtigkeit von „Changelings“ macht die Entdeckung des Albums natürlich nicht zu einer Sache für nebenbei. Auch wenn der Zugang zur Platte nicht gerade vernagelt ist, so ist das Songwriting doch hinreichend komplex. Man muss zumindest die ersten Umdrehungen der Platte schon mit voller Aufmerksamkeit bei den Warschauern sein. Doch das lohnt sich definitiv, auch wenn der Mangel an Straffheit manchmal dann doch ins Gewicht fällt wie im Opener „Inspirit Creation“. Aber das kann man getrost als Baustelle von Morgen ad acta legen. Und selbstverständlich darf die Hörerschaft sich an all den Thrash- und Death Metal-Referenzen erfreuen, die das Brot und Butter des Sounds von SPECIES ausmachen.

19.09.2025

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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