Stilla - Skuggflock

Review

Im März 2013 kam das grandiose STILLA-Debüt „Till Stilla Falla“ heraus, kein ganzes Jahr später folgte im Februar 2014 ihr noch besseres Zweitwerk „Ensamhetens Andar“. Für ihr drittes Album ließ sich der schwedische Vierer dann erstmals etwas mehr Zeit, und knappe zweieinhalb Jahre später bekommen die Fans nun „Skuggflock“ serviert. Es besteht aber die Hoffnung, dass das Quartett bei der verlängerten Arbeitszeit nicht zu sehr an den Stellschrauben gedreht hat. Und nun die gute Nachricht zuerst: STILLA haben sich abermals weiterentwickelt und eine etwas andere Atmosphäre eingefangen als auf den Alben zuvor, und abermals haben sie sich dabei trotzdem nicht weit von ihrem ursprünglichen Stil entfernt.

So klingt auch „Skuggflock“ ausnahmslos nach STILLA, nach verspielten, gleichzeitig verzweifelten, suchenden Melodien, nach progressiv angehauchten Strukturen und nach jenem ureigenen Klangbild, das die ersten beiden Alben zu solchen Atmosphäre-Monstern machte. Dennoch enttäuscht das dritte Album der Band insofern, als dass es nicht mit den beiden Erstwerken mithalten kann.

STILLA machen es ihren Hörern ein Stück schwerer als zuvor

Was STILLA auf jeden Fall beibehalten haben, ist die Tatsache, dass man ihren Alben Zeit geben muss. Auch „Till Stilla Falla“ und „Ensamhetens Andar“ brauchten ihre Durchläufe, um richtig zu zünden, und dasselbe gilt für „Skuggflock“. Was jedoch anders ist, ist, dass STILLA es ihren Hörern diesmal noch ein Stück schwerer machen: Klar, die ersten zwei Alben brauchten ihre Durchläufe, um ihr ganzes Potenzial zu entfalten, aber der Weg dorthin war einfacher, denn auch oberflächlich funktionierte das musikalische Konzept hervorragend.

„Skuggflock“ hingegen enttäuscht zunächst, denn es bleibt nicht viel hängen. Zwar lassen diese seltsame Opener-Intro-Mischung „Irrfärd“ und das darauffolgende, bereits als Single ausgekoppelte „Vårens Sista Önskan“ aufhorchen, sind sie doch immerhin die typischsten STILLA-Songs des Albums. Ansonsten lässt „Skuggflock“ den Hörer aber über weite Strecken kalt. Das mag daran liegen, dass es einfach zu warm ist, als dass sich die herbstlich-winterliche Musik vollends entfalten könnte – oder aber daran, dass sich der bleibende, wiederholte Teil des Konzepts langsam ein wenig abgenutzt hat.

Herbstliche Melancholie statt winterlicher Kälte

Wie oben angedeutet, klingen STILLA anno 2016 aber nicht nur in Sachen Zugänglichkeit und Eingängigkeit anders als auf ihren ersten beiden Alben. Während sich „Till Stilla Falla“ und „Ensamhetens Andar“ sehr winterlich anhörten, weckt „Skuggflock“ nicht nur aufgrund des im Kontext ungewöhnlichen Cover-Artworks herbstliche, verregnete Bilder im Kopf des Hörers. Und wie ebenfalls bereits oben geschrieben: Das heißt mitnichten, dass STILLA radikal anders klängen als bisher. Nein, alle Trademarks der ersten Alben sind vorhanden, der schwedische Vierer setzt sie nur eben – mal wieder – anders zusammen, entwickelt sie ein Stückchen weiter und lenkt sie in eine andere Richtung. „Skuggflock“ ist nicht radikal, aber hör- und spürbar anders; STILLA setzen wenigstens tendenziell auf herbstliche Melancholie als auf winterliche Kälte und Getriebenheit.

„Skuggflock“: Zwischen Erinnerungen an die ersten beiden Alben und neuen Pfaden

Die Betonung liegt dabei auf „tendenziell“ – denn ja, sieht man von der generellen Atmosphäre und der Tatsache ab, dass die früheren Alben direkt ins Ohr gesprungen sind, behalten STILLA den grundlegenden Kurs bei. „Irrfärd“ ist mit seinen nicht einmal zwei Minuten nicht nur ein Intro, das ein wenig an „Till Slutet“ erinnert, sondern entwickelt sich bald zum kurzen, aber vollständigen Song. „Vårens Sista Önskan“ und „Skuggflock“ sind beides Uptempo-Stücke, aber mit Variation, ersteres klingt beinahe so, als hätte es auch auf dem Debüt stehen können. Das langsamere, melodischere „Till Den Som Skall Komma“ ist dann der erste wirklich ungewöhnliche STILLA-Song auf „Skuggflock“, der erste, der besagte herbstliche Melancholie in den Vordergrund rückt und sich in dieser suhlt. „I Tystnad Vilar Själen“ ist mit seinem seltsamen Midtempo-Groove und dem dominanten Klargesang ebenfalls ein ungewöhnliches STILLA-Stück, während „Av Maran Riden“ enttäuschend unaufregend klingt.

Mit dem Rausschmeißer „Ett Infre Helvete – Ett Yttre Helvete“ hingegen wiederholen STILLA einen Plan, den sie auch schon auf den ersten beiden Alben verfolgten, nämlich den unerreichten Höhepunkt der jeweiligen Platte an die letzte Stelle zu setzen. Die verspielte, einfache, aber umso eindringlichere Leadgitarre fräst sich in die Gehörgänge und setzt sich dort mit dem Plan fest, so schnell nicht wieder loszulassen. Halbakustische Gitarrenspielereien im Mittelteil wecken abermals Assoziationen an die früheren STILLA-Alben, der schleppende Mittelteil gehört vielleicht zu den gewöhnlichsten, aber auch zu den wirkungsvollsten Ideen, die die Schweden in ihrer Karriere bisher aufgenommen haben. Klänge das ganze Album so wie der letzte Track, wäre „Skuggflock“ ein weiterer Meilenstein.

Ein gutes Album, aber kein dritter Meilenstein

So steht unter dem Strich aber ein Album, das nach mehreren Durchläufen und einem schmerzlich langsamen Prozess des kontinuierlichen Wachsens zwar als hervorragendes Old-School- bzw. Melodic-Black-Metal-Album durchgeht, dem aber der letzte Pfiff fehlt. „Skuggflock“ hat definitiv große Momente, ihm fehlt aber der rote Faden, dem die anderen beiden STILLA-Alben folgten, und so geht dem dritten Album der Band nicht nur etwas Eingängigkeit, sondern auch ein Stück der atmosphärischen Dichte und Eindringlichkeit ab. Nein, „Skuggflock“ ist alles andere als schlecht, im Grunde ist es besser als die meisten Alben vergleichbarer Bands (sofern es überhaupt wirklich treffende Vergleiche zu STILLA gibt). Aber im Kontext der Band-Diskografie enttäuscht es trotzdem irgendwo – schade.

10.09.2016
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