Thulcandra - Hail The Abyss

Review

Huch, das ging diesmal relativ schnell. Nachdem THULCANDRA zwischen „Ascension Lost“ und ihrem letzten Album „A Dying Wish“ ganze sechs Jahre ins Land ziehen ließen, folgt dessen Nachfolger nun nicht mal zwei Jahre später. Viel geändert hat sich auf „Hail The Abyss“ natürlich nicht, größere Innovationen und kreative Schlenker bleiben Bandchef Steffen Kummerers Hauptband OBSCURA vorbehalten, bei THULCANDRA wird nach wie vor Mittneunziger-Schweden-Worshipping großgeschrieben.

Bei THULCANDRA alles wie immer?

Das soll aber nun nicht heißen, dass sich bei THULCANDRA gar nichts bewegt. Hatten sich die Bayern auf den ersten beiden Alben noch mit Haut und Haaren der DISSECTION-Huldigung verschrieben, so wurde das zugegeben sehr gut sitzende Korsett bereits mit „Ascension Lost“ ein wenig aufgeschnürt. Zunehmend wurden auch Einflüsse anderer Protagonisten der schwedischen Melodic-Black/Death-Metal-Szene verarbeitet, was neben den üblichen Verdächtigen von NECROPHOBIC bis UNANIMATED auch Bands wie EDGE OF SANITY (Dan Swanö ist diesmal übrigens für den Mix verantwortlich) und AT THE GATES einschließt. In diesem dezent erweiterten Dunstkreis bewegen sich THULCANDRA auch auf „Hail The Abyss“.

Mit „In The Eye Of Heaven“, „Hail The Abyss“ und „Acheronian Cult“ gibt es ein paar für die Band typische, von düster-magischen Melodien durchzogene Hymnen, wobei besonders der Titeltrack sicherlich einen festen Platz im Liveprogramm der Münchner finden wird. „On Wings Of Fire“ wiederum überrascht mit einer saftigen Black’n’Roll-Kelle, die für sich genommen durchaus funktioniert, im Albumkontext aber etwas aus der Reihe tanzt. Auch der epische, atmosphärisch dichte und tendenziell leicht doomige Abschluss mit „The Final Closure“ lässt aufhorchen. Ob es sich dabei um eine Anspielung auf einen HYPOCRISY-Song ähnlichen Namens und genau genommen auch recht ähnlicher Machart handelt, ist nicht überliefert aber auch nicht ganz unwahrscheinlich.

Leider gibt es dazwischen auch ein paar Momente, die nicht so recht einen bleibenden Eindruck hinterlassen wollen. Besonders „Velvet Damnation“ wirkt, als würden THULCANDRA hier lediglich im Autopilot ein paar Genre-Standards abspulen, ohne dass der Funke so richtig überspringen will. Uninspiriertes Füllmaterial bleibt zwar zum Glück die Ausnahme, sorgt aber dennoch für Abzüge in der B-Note.

„Hail The Abyss“ punktet mit bewährten Stärken

Insgesamt bleibt die Qualität auf „Hail The Abyss“ hoch, man wird aber auch das Gefühl nicht los, dass THULCANDRA auf Albumdistanz schon mit zwingenderem Material und mehr Feuer im Arsch am Start waren. Und obwohl die dezente Erweiterung des selbst abgesteckten Spielraums grundsätzlich begrüßenswert ist, funktionieren THULCANDRA tatsächlich immer noch dann am besten, wenn sie sich in finsteren Melodien voller schwelgerischer Leads ergehen, die sich ganz klar nach der ursprünglichen Inspirationsquelle der Band richten.

Ein anderer potentieller Streitpunkt ist der Umstand, dass Steffen Kummerer sich gesanglich seit „A Dying Wish“ und auch auf der letzten OBSCURA-Scheibe etwas in Richtung Tomas Lindberg orientiert hat. Das ist sicherlich Geschmackssache, das viehische Gekeife nach Art des AT THE GATES-Shouters schmeckt aber nicht allen und könnte potentiell als Störfaktor empfunden werden.

Nichtsdestotrotz ist „Hail The Abyss“ grundsätzlich wieder ein ordentliches Album geworden und punktet besonders dann, wenn sich THULCANDRA mit Leidenschaft auf ihre Kerndisziplin konzentrieren. Allein im Vergleich mit dem bisherigen Output der Bayern zieht das neue Album geringfügig den Kürzeren.

12.05.2023
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