Tirin Kôr / Dechristianisierung Europas - Agitator (Split)

Review

Freunde emotional und atmosphärisch versierten Schwarzmetalls – insbesondere die der nordisch geprägten „zweiten Welle“, daher habe ich das „musikalisch versiert“ elegant unter den Tisch fallen lassen – werden sehr genau wissen, dass es einen feinen Unterschied zwischen „old school“ und „stümperhaft“ gibt. Nachdem Human To Dust sich mit HASSMORDs „Scherbenkotsplittergranate“ bereits eindeutig auf letztere Seite geschlagen haben, bestätigen TIRIN KÔR und DECHRISTIANISIERUNG EUROPAS diese Orientierung mit ihrem Gemeinschaftstonträger „Agitator“.

Die beiden aus Österreich stammenden Solo-Projekte scheinen dabei zu versuchen, sich gegenseitig mit Black Metal-Gerumpel zu unterbieten. ‚Gerumpel‘ ist an dieser Stelle keine Bezeichnung für charmant-analogen Norsecore, sondern eine Zustandsbeschreibung.

Los geht’s mit TIRIN KÔR: Das Intro „Darkness“ (wie kreativ!) besteht aus ganz interessantem Subbass-Gewummere und modulierten Alarmsirenen (wie kreativ!). Es folgen neun Songs, die wohl am ehesten als ‚Appetithäppchen‘ bezeichnet werden können, denn nur drei Songs knacken überhaupt die Zweieinhalb Minuten-Marke. In diesem Zeitrahmen ist es selbstredend nicht leicht, schwarzmetallische Atmosphäre aufzubauen – selbst wenn die Riffs gut wären, was sie nicht sind. Genauer reiht TIRIN KÔR Standard-Riff an Standard-Riff – und selbst wenn mal ein halbwegs brauchbares Motiv dabei ist (wie in „Wrathgate“), geht dieses durch mangelndes Gespür für Dynamik und Arrangements im 08/15-Wust unter. Auffällig ist sonst nur noch das musikalische Wildern in Pagan/Viking Metal-Gefilden – und zwar ausgerechnet in einem Song namens „Void“, was geradezu symptomatisch ist.

Soweit zur musikalischen Dimension des TIRIN KÔR-Beitrags. Bliebe noch der „Sound“, den ich ganz bewusst in Anführungszeichen setze, denn die klangliche Qualität der neun Stücke spottet jeder Beschreibung. Die Produktion hat ganz und gar nichts mit jenem ungeschönten Klang zu tun, der gerade durch seine Ecken und Kanten und sein Retro-Outfit zur Wirkung einer Black Metal-Scheibe beitragen kann. Nein, wer ein Schlagzeug (insbesondere die Becken) derart mies auf Tonträger bannt, hat ohrenscheinlich ein höchst seltsames Verständnis von „old school“. Und von Black Metal wahrscheinlich auch.

Zur inhaltlichen Ausrichtung TIRIN KÔRs kann ich an dieser Stelle nicht viel sagen, da mir die Songtexte nicht vorliegen und die Vocals fernab jeglicher Verständlichkeit agieren. Songtitel wie „Triumph Of What Is Old And True“ lassen aber erahnen, dass wir es hier nicht mit lyrischen oder philosophischen Höchstleistungen zu tun haben.

(2/10)

Die große Frage ist jetzt, ob es bei DECHRISTIANISIERUNG EUROPAS irgendwie besser wird. Ja und nein. Zunächst ist der Schlagzeug-Sound minimal besser (was bei Weitem nicht heißt, dass man ihn als „gut“ oder auch nur „akzeptabel“ bezeichnen könnte, von den unterirdisch schlechten Blastbeats mal ganz abgesehen); die Gitarren klingen insgesamt dichter als bei TIRIN KÔR, dafür hat Projektkopf OBI [sic!] dort ein ganz anderes Problem: Wie taub muss man sein, um derart windschiefe Gitarren nicht zu bemerken? Mir rollen sich spontan sämtliche Finger- und Fußnägel auf, was den „Genuss“ der zweiten Hälfte des Splits nicht gerade erleichtert. Wenn man sich jedoch durch die drei Songs (die deutlich länger sind als die TIRIN KÔRs und insgesamt auf eine Spielzeit von einer knappen Viertelstunde kommen) gekämpft hat, muss man feststellen, dass auch hier die Musik nicht gerade vor Kreativität sprüht. Im Gegenteil, die Figuren, die OBI seiner Gitarre entlockt, sind noch unspektakulärer als die der ersten Split-Hälfte. Das muss man auch erstmal schaffen.

Auch zum Beitrag von DECHRISTIANISIERUNG EUROPAS zu „Agitator“ liegen mir keine Songtexte vor, doch glücklicherweise kann ich auch hier beispielhaft einen Songtitel heranziehen: „Decay Of What Is Essentially Unworthy Of Life“ ist (neben seiner grenzwertigen Konnotation) für ein erklärt antireligiöses Projekt so dermaßen daneben, dass es nicht mehr feierlich ist.

(2/10)

Was bleibt also nach den knapp 40 Minuten „Agitator“s zu sagen? Eine ausgeglichene Split-Veröffentlichung, wenn auch nur deshalb, weil beide teilnehmenden Bands ähnlich miese Musik beitragen. Die Corpsepaint-Porträts auf dem Cover sollen vermutlich den „old school“-Eindruck vervollständigen. Ganz ehrlich: „Agitator“ ist nicht old school, „Agitator“ ist altmodischer, unkreativer und völlig langweiliger Black Metal, der zudem noch dilettantisch gespielt und inkompetent produziert ist. Das braucht nun wirklich kein Mensch.

16.08.2012
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