Todesblei - Splittergranaten Dauerbombardement

Review

„Arschloch – Arschloch – riesengroßes Arschloch / Drecksack, Wichser, Missgeburt, Pöbler, Hasser, Störenfried – oh Du Pest! / Gottverdammter Hurensohn, Pisser, Kriecher, feige Sau – Du musst sterben!“ – Helau, Freunde, willkommen im Kindergarten! Ja, hier kommt die geballte Kraft vier junger Schweizer, die auch mal so richtig auf die Kacke hauen möchten. Und was eignete sich da besser, als ein zünftiger Zuber Hackebeil-Metal, das kann ja schließlich jeder. Bandname? Todesblei, was sonst. Der Sound muss bitte unbeholfen rumpeln wie eine Igelfamilie im Betonmischer (das gebietet das kult-versprechende Etikett „Underground“!), das Songwriting ist eigentlich so bedeutsam wie Bohlens Kleiner Dieter, Riffs unterliegen dann später dem hölzernen Improvisationskontingent im Vierspur-Studio; allein das lyrische Konzept ist entscheidend. Da steckt man besser alle Arbeit hinein. „Kill! Kill, Kill, Kill! Kill den Chef! Kill!“ – „Daumenschrauben – Augen blenden – Körper strecken – Ich hab Spaß daran. / Zungen lösen – Rücken peitschen – Knochen brechen. Bin der Folterknecht.“ Ja, schon als Botschaft der unheimlich kultigen Schülerband damals stifteten solche intellektuellen Höhenflüge zahlreichen Elternsprechtagen emotionalen Gesprächsstoff. Und damals wurde man ja schließlich auch ernstgenommen. Die präpubertäre Klassengemeinschaft von einst mit ihrer Begeisterungsfähigkeit für kompletten Bockmist hat nun der mindestens ebenso familiäre „Underground“ zu ersetzen, der diesen genialen Prototyp musikalischer Untauglichkeit unzweifelhaft mit tosendem Applaus belegen muss; als Provokationsadressat werden die Eltern nun durch „die Gesellschaft“ substituiert, dem ja jetzt erwachsenen Blickfeld Rechnung tragend. Das Ergebnis schießt sich denn auch wacker über 33 min ins Knie, selbstlos unterhaltsam übertönt die Band ihren offenen Lauf in die Lächerlichkeit durch lauthalses Geballer. Der Gesang findet die sensationell innovative Abwechslung im wahllosen Wechsel von Grunz auf Kreisch, der Gott sei dank präzise Drummer interpretiert die Handzeichen seiner Jungs erstaunlicherweise nahezu in Echtzeit und knüppelt auf jene willkürlichen Kommandos seine Felle in Klump. Und die Gitarre hört man auch. NAPALM DEATH sind Sandmännchen, DAS ist Metal, Kinder! – Aber mal im Ernst: Das unglaubliche parodistische Potenzial, das dieses Werk an den Tag legt, übersteigt noch bei weitem die von Bands wie KNORKATOR oder J.B.O. jemals angestrebte Qualität – nur dass Todesblei ihrem „musikalischen“ Auswurf gegenüber nunmal tatsächlich kein Augenzwinkern dulden. Hätte dieses Werk also nicht ein zwar leider unfreiwilliges, aber dennoch so gnadenlos humoristisches Unterhaltungspotenzial, hätte ich dieses Exkret ohne jegliches Punkte-Zugeständnis guten Gewissens der Kanalisation anvertraut.

15.05.2003
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