Vattnet Viskar - Settler

Review

Es wird nicht wenige Anhänger schwarzmetallisch( angehaucht)er Kunst geben, die – sollten sie angesichts des Cover-Artworks überhaupt den Mut aufgebracht haben, diese Rezension zu öffnen; aber acht Punkte sind acht Punkte, oder!? – verwundert mindestens eine Augenbraue hochziehen werden, wenn gleich am Anfang des Artikels unmissverständlich steht: Das Cover-Artwork passt perfekt zur Musik auf VATTNET VISKARs Zweitling „Settler“. Um zu verstehen, was damit gemeint sein könnte, muss man sich ein wenig mit dem gezeigten Bild beschäftigen (etwas, das auch auf die dargebotenen Klänge des US-Vierers zutrifft und damit eine weitere Parallele zieht – aber das nur am Rande): Es handelt sich hier nämlich um die von Josh Graham (NEUROSIS) inszenierte Nachstellung eines Fotos der Lehrerin Christa McAuliffe, die 1986 im Challenger-Unglück ums Leben kam.

Warum nun dieses Foto? Schenkt man den Aussagen von Gitarrist Chris Alfieri Glauben, resultieren weite Teile der Musik auf „Settler“ aus der intensiven Beschäftigung mit den gegensätzlichen emotionalen Dimensionen, die diese Aufnahme aufspannt: Die sichtbare Freude, die McAuliffe in der Schwerelosigkeit empfunden hat, trifft auf die Tragik ihres Todes, den sie in der Ausübung ihrer Leidenschaft fand. Die ungeahnten Möglichkeiten des Pioniergeistes (das Album könnte statt „Settler“ auch „Pioneer“ heißen) treffen auf die Gefahren der rastlosen Suche nach Neuem. Ein hochspannender Ansatz, den VATTNET VISKAR in knapp 40 Minuten nahezu perfekt umsetzen.

Die Frage ist jetzt, inwieweit sich in den acht Songs die im Artwork implizierten Spannungen widerspiegeln. VATTNET VISKAR – das hatte bereits Kollege Patrick in seinem Review zum Debüt „Sky Swallower“ ausführlich beleuchtet – sind aus zwei Gründen keine „klassische“ Black-Metal-Band: Erstens stammt die Band aus New Hampshire in den Vereinigten Staaten – so viele (vermeintlich) töfte Schwarzmetall-Kapellen es in den Staaten geben mag, wirklich „klassisch“ ist davon keine; zweitens entstammen die Musiker eigentlich dem Hardcore, womit sie sicherlich nicht einzigartig sind, was man der Musik aber durchaus anhört. So weist „Settler“ musikalisch durchaus Ähnlichkeiten zu ähnlich gelagerten Bands wie DOWNFALL OF GAIA auf, ist allerdings nicht ganz so ausladend und in all seiner klanglichen Weite hin und wieder stärker rhythmusorientiert; eine andere Band, die mir als Vergleich in den Sinn kommt, wären DEAFHEAVEN, die allerdings im direkten Vergleich deutlich melodischer und stärker harmonisch orientiert sind.

Das heißt nun ganz und gar nicht, dass es bei VATTNET VISKAR keine Harmonien zu bestaunen gäbe – ganz im Gegenteil! Ähnlich wie es den suizidalen Schweden von SHINING immer mal wieder gelingt, Dur-Akkorde in ihre schlecht gelaunte Musik zu integrieren (Kollege Alex berichtete), verstehen es VATTNET VISKAR geradezu meisterhaft, ihre Songs durch geschickte harmonische Konstruktionen zwischen leidenschaftlicher Epik und emotionalen Abgründen oszillieren zu lassen. Vom treibenden Opener „Dawnlands“ über das getragene „Heirs“ bis zum finalen „Coldwar“ – die tragische Ambivalenz echten Pioniergeistes findet ihre Entsprechung.

Wie bereits eingangs angedeutet, braucht „Settler“ jedoch – genau wie das zugehörige Artwork – einige Zeit, um sich in seiner ganzen Pracht zu entfalten; das ist vielleicht die einzige Schwäche des Albums: Atmosphärisch sind VATTNET VISKAR geradezu zu subtil unterwegs, was bei oberflächlichem Genuss über den tatsächlichen Tiefgang des Albums hinwegtäuschen kann. Wer sich jedoch die Zeit nimmt, „Settler“ in all seiner Tiefe zu erforschen, wird reichlich belohnt werden.

04.07.2015
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