Vladimir Harkonnen - Into Dreadnought Fever

Review

Seit Wochen habe ich jede Nacht den gleichen Traum: Ich knie vor meinem Plattenspieler und betrachte ehrfürchtig das kunstvoll gestaltete blaue Cover mit der riesigen Kugel aus Kriegsgerät: „Into Dreadnought Fever“. Was das wohl bedeuten mag? Mit zittrigen Händen ziehe ich die Platte aus der Hülle, angesichts des jungfräulichen Vinyls scharrt das Adrenalin mit den Hufen, ich platziere das blaue Gold dennoch sicher auf dem Teller, senke endlich die Nadel – und treffe in ein eitriges Geschwür, eine Kreuzung aus Lemmys Warze und vergammelten Calamari. Ich hänge mit dem Tonarm im Gesicht eines fetten, rothaarigen Typen mit Kraterakne vom Feinsten: VLADIMIR HARKONNEN! Er lacht irre und zwinkert mir zu: Löse das Rätsel, mein Freund! Das Rätsel! Sonst schick ich dich in die Hölle! Hölle, Hölle, Hölle!

Schweißnass erwache ich dann jedes Mal, heule fast vor Erleichterung, dass an meinem Arm keine Freundschaftsarmbänder hängen, und gebe mir „Into Dreadnought Fever“, digital, über Kopfhörer und wenn es sein muss, mitten in der Nacht. Auf dass ich dessen Songs bald im Schlaf mitsingen kann…

Denn die sind geilster Thrash mit genau dem Hardcore-Beat, der überdimensionalen Punk-Kante, die Musik live gar teuflisch ins Bein gehen lassen und den hartnäckigsten Stehgeiger und notorischsten Mitwipper vor der Bühne aus der Komfortzone reißen. Zwölf mal gibt es hier (g)riffig und mit Refrains aus voller Kehle bewaffnet auf die Zwölf, dass es eine wahre Pracht ist. Doch aus allen Rohren feuern können viele, was die zweite Platte der Kiel-Rendsburger Combo mal wieder heraushebt, sind vor allem die ausgebufften Arrangements und diese Ohrwurmmelodien, mit welchen die Gitarre von Zarc die Hassbrocken veredelt. Vom Opener „Reign In Vlad“ (!) über das Titelstück bis zum furiosen „Perfect Storm“ gelingt den Jungens auf jeden Fall ein lupenreiner 10-Punkte-Hattrick. Und auch der Rest fällt nicht dramatisch ab, erkennbar auch daran, dass ich die Platte bis jetzt praktisch immer am Stück gehört habe und die persönlichen Highlights in einer Tour wechseln.

Für ein Konzert der Truppe habe ich allerdings die schlimmsten Befürchtungen. Ich kenne mich doch: Mit genügend atü auf dem Kessel werden meine Grobmotorik und ich wohl kolossal überfordert sein: Bei „The Perfect Storm“ das Riff in die Luft bangen, den Refrain Mitgrölen oder diese Killermelodie der Leadgitarre lautsprachlich mit“singen“? Zwei Sachen gleichzeitig gehen ja noch, drei sind zu viel. Aber wohin mit der Energie? Per Übersprungshandlung dem Nebenmann das Bier zwischen die Augen servieren! Andererseits: Besser Bier zwischen die Augen als Knie zwischen die Beine. Und schließlich ist das hier ja good friendly violent fun. Die Kung-Fu-Prolo-Fraktion darf wo anders das Unterhemd feiern.

Denn das hier ist des denkenden Menschen Musik: Lyrisch werden weder irgendwelche Zombies nuklear gegrillt noch in des Königs Tafelrunde edler Einhornschinken verkostet (was beides unbestreitbar auch seinen Reiz haben kann), nö, hier wird das richtige Leben verhandelt: Umweltzerstörung, Schlankheits- und Rüstungswahn, NSBM, FRONTEX und was sonst noch so alles Gift und Galle zum Vorschein zu locken vermag. Frontröhre Philipp kommentiert seine voluminös herausgeröhrten Texte zudem im ausführlichen Booklet.

Stichwort Texte: Irgendeine versteckte Botschaft muss der Spacko aus meinem Traum doch… Moment! Einmal die Buchstaben des Titels kräftig durchschütteln – und: „Tonight UFO never dared“ Macht null Sinn. Nochmal… Aha: „Tofu-Verein hat Drogen :D“ Das ist es! Vladimir, ich komme! Im Reformhaus gibt’s Spice…

24.03.2014
Exit mobile version