Vola - Witness

Review

Auch wenn sich VOLA in Prog-Kreisen schon lange größerer Beliebtheit erfreuen, dem Rezensenten – der sich eher nicht diesen Kreisen zurechnet – sind die Dänen um Gitarrist und Sänger Asger Mygind vor allem seit der gemeinsamen Tour mit KATATONIA und AGENT FRESCO im Gedächtnis geblieben. Und tatsächlich bildet der Sound von VOLA einen guten Querschnitt dieser beiden Bands, angereichert um einen deutlich höheren Prog-Anteil und vor allem eine enorme, auf den ersten Blick manchmal etwas überambitioniert wirkende Experimentierfreude. Auch das dritte Album „Witness“ wird in diesem Bereich keine Ausnahme machen – ganz im Gegenteil, um schon einmal ein wenig vorzugreifen.

VOLA – Ohrwurmiger Djent?

Schon mit dem eröffnenden „Straight Lines“ spinnen VOLA ihr Netz um den Hörer, schaffen es sofort die volle Aufmerksamkeit einzufordern. Zwar wird mit einem kantigen Djent-Riff direkt aus allen Rohren gefeuert, nur um kurz darauf mit einem der ohrwurmigsten Refrains der Platte in eine völlig andere Richtung abzubiegen. Ein Rezept was übrigens auf „Witness“ immer wieder zum Einsatz kommt – und zwar äußerst erfolgreich.

„Head Mounted Sideways“ ist nicht nur ein Groove-Monster, sondern zeigt auch beeindruckend, wie VOLA es schaffen, aus eigentlich relativ simplen Einzelteilen ein anspruchsvolles, komplexes Ganzes zu erschaffen. Dort, wo sich viele selbsternannte Progressive-Metal-Bands vielleicht allein in leichten Variationen elektronischer Spielereien oder einzelner Riffs ergehen würden, darum den gesamten Song bauen, werden bei den Dänen all die Ideen zu einem erneut unerhört eingängigen Song zusammengefügt.

Natürlich gibt es auch auf „Witness“, wie bereits in der Vergangenheit, wieder etwas leichtere, fluffige Kompositionen wie „24 Light-Years“, die nicht zuletzt auch aufgrund der glockenhellen Stimme von Asger Mygind in Richtung Pop abbiegen, ohne dabei übrigens in weinerliche JAMES BLUNT-Gefilde abzudriften. Dennoch findet der aufmerksame Hörer auch hier immer wieder interessante Elemente – im Falle von „24 Light-Years“ insbesondere das komplexe Drumming von Adam Janzi.

In „These Black Claws“ wird es dann richtig abgefahren, denn der Song enthält – bitte nicht zusammen zucken – einen beachtlichen Hip-Hop-Anteil. Was schnell in ein zu gewolltes Experiment ausarten könnte, wird stattdessen zu einer erstaunlich schlüssigen Nummer, zumal mit dem Kalifornisch-Niederländischen Duo SHAHMEN genau die richtigen Duett-Partner herausgesucht wurden. Die düstere Stimme von Rapper Bless und sein erzählerischer Stil erschaffen genau das passende Gegenstück zum Refrain, der dadurch noch euphorischer wirkt als ohnehin schon.

Wer in der zweiten Albumhälfte – wie so häufig – das eher etwas durchschnittlichere Material, vielleicht sogar den ein oder anderen Stinker erwartet, hat seine Rechnung ohne VOLA gemacht. Immer, wenn man als Hörer, wie beispielsweise in „Stone Leader Falling Down“ denkt: „Uff, die Nummer ist jetzt aber echt sperrig“, kommt Mygind mit einer Gesangslinie um die Ecke, die plötzlich alles logisch erscheinen lässt, den Song zusammenhält und sogar zu einer in sich runden Sache wandelt. Oder um es direkt zu sagen: Es gibt einfach keinen schwachen Song auf „Witness“.

Komplex und dennoch fesselnd – „Witness“

Was genau ist eigentlich Progressive Metal? Muss es endlose Frickeleien geben? Ist ein Song erst progressiv, wenn er die 10-Minuten-Schallmauer durchbricht? VOLA antworten auf „Witness“ ganz klar mit: Nein! Die Dänen (mit schwedischem Drummer) nisten sich in ihrer eigenen Nische ein, irgendwo zwischen KATATONIA, den letzten beiden STEVEN WILSON-Alben und den finnischen WHEEL. Modern, kompakt, teilweise poppig, aber immer auch komplex, ohne dabei zu vergessen, eingängige Songs zu schreiben.

Letztlich bietet „Witness“ für Fans der letzten beiden Alben gar nicht so viel neues, abgesehen von dem erfolgreichen Experiment in „These Black Claws“. Dafür haben VOLA ihren Stil – wie es sich für das dritte Album gehört – nahezu perfektioniert. Und dabei ist die Scheibe nicht nur für Progressive-Fans empfehlenswert, sondern bietet ganz im Gegenteil für alle, die modernem, melodischen Metal aufgeschlossen gegenüber stehen einen perfekten Einstieg in komplexere Gefilde. Jetzt bereits ein absolutes Jahres-Highlight!

13.05.2021

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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