Wandar - Landlose Ufer

Review

Eine echte Perle des Black Metal-Undergrounds ist WANDARs erstes Album „Landlose Ufer“, ein leuchtendes Beispiel dafür, wie eine Band klingen kann, wenn sie nur Geschmack beweist. Dieser gute Geschmack äußert sich in gefühlten Kleinigkeiten, wie dem schlichten, atmosphärischen Coverartwork, den sorgsam ausgewählten Bookletbildern, dem unprätentiösen Auftreten und den bewusst spärlichen Informationen im Booklet. Aber auch in der tollen Produktion, die unheimlich ausgewogen und naturbelassen, zeitlos schlicht, bis ins letzte Detail ausgefeilt und damit einfach fantastisch hörbar ist. Und: Wie man die Musik wahrnimmt, lenkt nicht, wie sonst oft, davon ab, was man hört, sondern unterstützt die Musik.

Was man davon auf „Landlose Ufer“ zu hören kriegt, ist allerdings auch verdammt geschmackvoll und so viel besser als die vor vier Jahren erschienene EP „Vergessenes Wandern“. Black Metal in moderater, dynamischer Geschwindigkeit und mit ganz subtilen Pagan-Einflüssen, die sich vor allem in den tief metaphorisch gehaltenen Texten äußern. Riffs, die sich so sensationell weit von allen gängigen Trends fern halten, dass Vergleiche selbst bei größten Anstrengungen schwer werden. WANDAR zeigen sich etwas sperriger und mäandernder als alte HELRUNAR, herbstlicher und weniger chaotisch als DRAUTRAN, konventioneller und mit weniger Sendungsbewusstsein als PRIMORDIAL. Was sie tun, tun sie elegisch und im Geist alter skandinavischer Meister („Waldgänger“), leidenschaftlich („Gen Norden brandet die See“), mit Gänsehaut am ganzen Körper („Raunen“) und EMPEROR im Ohr („Die Bürde des Morgens“) und unheimlich gerne mit Doublebasspassagen. Sie schaffen es, und das ist wirklich kaum zu glauben, nicht ein einziges schwaches Riff, eine peinliche Melodie oder einen mies arrangierten Part unterzubringen. Alles wirkt zielsicher, an der richtigen Stelle, top gespielt, mit Feingefühl aufgebaut. Sogar die gaaanz vorsichtig eingesetzten Keyboards sind in jeder Sekunde nichts als demütige Diener der Gesamtatmosphäre. Sogar mutig sind WANDAR – Latein in Black Metal-Lyrics ist selten ohne Kitsch gut gegangen, aber sogar das meistert die Truppe.

In den 90ern hätte man das Quintett vom Fleck weg mit einem gut dotierten Deal geadelt. Aber so sind die Zeiten. Wenn heute eine Band aus Halle an der Saale ein kleines Meisterstück wie „Landlose Ufer“ aufnimmt, nickt man anerkennend, geht vielleicht mal zu einem Gig, wenn er vor der Haustür stattfindet, stellt fest, dass die ja gar nicht aus Norwegen kommen, nicht einen einzigen Postrock-Einfluss verarbeiten und auch kein Nebenprojekt von SHINING sind. Und dann kauft man irgendwie doch die neue MARDUK. Geschmack macht einsam.

16.07.2012
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