While She Sleeps - Sleeps Society

Review

Die englische Arbeiterstadt Sheffield mit dem klangvollen Beinamen ‚Steel City‘ im Herzen der britischen Insel war jahrzehntelang florierendes Zentrum der heimischen Schwerindustrie – doch dann der Bruch: In den 1980ern kam es zum endgültigen Niedergang der ansässigen Stahlindustrie, in der Folge ging es wirtschaftlich immer weiter bergab. Damit endet die Geschichte der ‚Steel City‘ allerdings noch lange nicht: Die siebtgrößte Stadt im Vereinigten Königreich erlebt derzeit nämlich einen erneuten Aufschwung – vor allem kulturell! Mit BRING ME THE HORIZON, MALEVOLENCE und WHILE SHE SLEEPS, um die es hier eigentlich geht, beherbergt Sheffield auch Bands, die das Erbe der einst geschäftig dröhnenden Metallwerke zumindest metaphorisch weitertragen – und die ‚Steel City‘ im weiteren Sinne somit wieder auf die Landkarte setzen.

Kommen wir zu WHILE SHE SLEEPS selber: Das Quintett um Frontmann Lawrence ‚Loz‘ Taylor gehört neben ARCHITECTS oder BURY TOMORROW inzwischen zu den britischen Metalcore-Bands, die den Umschwung vom härteren, rohen Sound der 2010er hin zu modernen, melodischen und vor allem vielschichtigen Ansätzen gemeistert hat. „Sleeps Society“ knüpft dementsprechend nahtlos dort an, wo „So What?“, das bis dato facettenreichste Release der Band, im Jahre 2019 aufgehört hat. Doch es gibt einen Unterschied: Die Briten sind noch einmal eine Spur erwachsener geworden.

WHILE SHE SLEEPS – „Sleeps Society“: Viele Highlights, doch ein paar Schwächen blitzen auf

Der für „Sleeps Society“ richtungsweisende Opener „Enlightenment (?)“ überzeugt als typische WHILE SHE SLEEPS-Nummer, die sich musikalisch zwischen zeitgenössischem Hardcore-Sound und eingängig-poppigen Elementen bewegt und so mutig, aber nicht überstürzt, Altes mit Neuem verbindet. Dass die 2006 gegründete Band längst nicht mehr als Untergrundtipp zählt, zeigt sich auch daran, wie breit Lawrene ‚Loz‘ Taylor, den wir 2019 zu „So What?“ interviewen durften, und seine Jungs genretechnisch inzwischen aufgestellt sind: „You Are All You Need“ ist eine treibende, technisch fein ausgearbeitete Hymne, die in ihren dreieinhalb Minuten Spielzeit trotz klarer Grundlinie unglaublich abwechslungsreich verläuft. Den Sheffieldern gelingt es endgültig, das für den Metalcore so typische, formelhafte Songwriting hinter sich zu lassen.

Beispiele dafür sind ausreichend vorhanden: „Systematic“ punktet mit Electro-Einschlag und kultigen Nu Metal-Gedächtnis-Vibes, während das emotionale „Nervous“, auf dem BIFFY CLYRO-Frontmann Simon Neil aushilft, dank dichter Atmosphäre und starken Instrumentals nachhaltig im Gedächtnis bleibt. „Know Your Worth (Somebody)“ ist ein Song, der hinsichtlich seines geradlinigen Aufbaus zwar erwartbar war, für langjährige Fans von WHILE SHE SLEEPS aber vielleicht gerade deshalb unfassbar großes Hit-Potenzial birgt. Auf „No Defeat for the Brave“ hat man sich mit SUM 41-Gründer Deryck Whibley einmal mehr namhafte Verstärkung besorgt – doch die geht beinahe etwas unter: Stimmlich ähneln sich der Kanadier und sein britischer Kollege Lawrene ‚Loz‘ Taylor nämlich ungemein, setzen als Duo kaum Akzente. Das ausgedehnte Gitarrensolo zum Schluss ist zwar eine nette Idee, rockt aber größtenteils fast belanglos vor sich hin.

Kommen wir zur größten Überraschung auf „Sleeps Society“ – die fällt nämlich leider gar nicht so positiv aus: Die Ballade „Division Street“ wirkt auf dem Album nämlich etwas deplatziert. Ein schlechter Song ist die lediglich von leisen Klaviertönen unterstützte Nummer zwar mit Sicherheit nicht, doch nach mehr als einer Handvoll energiegeladener Tracks muss man an dieser Stelle einfach (noch) nicht durchatmen – vor allem, wenn man seine Kondition sonst regelmäßig in Moshpits stärkt. Für genau so einen scheint der stürmische, aggressive Titeltrack konzipiert zu sein: WHILE SHE SLEEPS machen mit dem Stück härtetechnisch einen musikalischen Ausflug in ihr eigenes Frühwerk, bleiben dabei allerdings trotzdem ihrem über die Jahre ausgereiften, erwachsenen Sound treu.

Mit „Call of the Void“ schlagen WHILE SHE SLEEPS dann schon fast ein wenig über die Strenge: Der Song klingt – vorsichtig ausgedrückt – wie eine der etlichen halbherzigen Metalcore-Coverversionen bekannter Radio-Hits, die sich sonst auf den berühmt-berüchtigten „Punk Goes Pop“-Kompilationen des US-Labels Fearless Records finden. „DN3 3HT“ ist mit gut sieben Minuten Laufzeit zwar das längste, gleichzeitig aber auch irrelevanteste ‚Lied‘ auf „Sleeps Society“: Wer einer rauschender Stimme zuhören möchte, wie sie monoton auf leises Piano-Geklimper irgendwelche Wortfetzen nuschelt, kommt hier voll auf seine Kosten – alle anderen fragen sich, warum man die Spiellänge eines Albums so künstlich auf eine knappe Dreiviertelstunde schrauben muss.

So leer sind die Hallen bei WHILE SHE SLEEPS wohl lediglich zum Fototermin: „Sleeps Society“ zündet nämlich!

WHILE SHE SLEEPS – „Sleeps Society“: Klarer Aufwärtstrend zu erkennen

Zunächst zum Lob: WHILE SHE SLEEPS schmieden mit „Sleeps Society“ das fehlende Bindeglied zwischen roh-rabiatem Metalcore und modern-eingängigen Melodien, knüpfen zwar indirekt an das bei Fans umstrittene, aber klar unterschätzte „So What?“ an, entwickeln sich allerdings doch deutlich hörbar noch einmal eine Spur weiter. Eigentlich könnte man die Review hier beenden, eine großzügige Wertung von 8 aus 10 geben und sich auf das bevorstehende Release freuen – eigentlich! Denn gegen Ende erlaubt sich die Sheffielder Band doch ein paar vermeidbare Schnitzer und liefert dabei leider einige Songs, die den ausnahmslos positiven Eindruck der ersten sechs bis sieben Tracks überschatten. Glück für die Briten: Die zu lobenden Aspekte überwiegen diesmal ganz klar, lassen das ein oder andere Experiment – das vielleicht auch einfach nötig war – und vor allem das völlig unmotivierte Hörbuch-Finale verzeihen – und so doch ganz klar Vorfreude aufkommen!

13.04.2021
Exit mobile version