Wicca - Bloodrush

Review

Was ist eigentlich schmeichelhafter? Jungsenioren oder Altherren? In dem einen steckt “Senioren“, in dem anderen “alt“! Ist beides Kacke!

Da hilft es unter Umständen, wenn man auf A-Jugend macht und Material, für das in den Achtzigern bereits der Grundstein gelegt wurde, ein wenig ausbaut und dem 1989 erschienenen Debüt “Splended Deed“ mit leichtem zeitlichen Verzug hinterher schießt.
Denn was treibt sich da alles an Krabbelgruppen herum, die in den letzten paar Jahren den Thrash-Underground mal mehr mal weniger bereichert haben. Und die ein oder andere Senioren-Vereinigung hat sich ja eh längst reformiert… an diesem Rennen nehmen auch WICCA wieder teil…

Also finden sie sich nach über zwanzig Jahren erneut in den Startblöcken ein, um richtig Gas zu geben. Internationale Mitläufer wie TORTURE und AT WAR, welche sich nach ebenfalls gehöriger Auszeit wieder auf die Bahn begeben haben, sind allerdings spurtstärker und haben auch mehr Puste.

Dabei knallt es zunächst ganz ordentlich, wenn WICCA aufs richtige Pedal treten und die Mucke höchst aggressiv und flott nach vorne prescht. Das Energielevel ist jederzeit verdammt hoch. Mangelnde Kondition kann man dem Widergänger in Originalbesetzung beileibe nicht zum Vorwurf erheben; da sind schon wesentlich jüngere Vertreter der Zunft ohnmächtig zusammengebrochen. Aber das Durchhaltevermögen der dargebotenen Tonkunst selbst nimmt sich zuweilen höchst schwindsüchtig aus. Gerade AT WAR, die in eine ähnliche Kerbe hauen, wissen mit knackigeren Riffs und wesentlich nachhaltigen Refrains weitaus besser zu überzeugen. Zudem erweist sich das Material zu weiten Teilen als zu gleichförmig; keiner der Songs ist in der Lage, sich abzuheben und etwa durch einen einprägsamen Kehrreim hervorzutun.

An der druckvollen wie gleichsam transparenten Produktion gibt es nichts weiter auszusetzen. Sie kann die vorhin erwähnte Energie und Spielfreude, welche Größen wie KREATOR durchaus Paroli zu bieten imstande ist, durchweg ansprechend transportieren. Leider offenbart sie auch die Performance-Schwächen wie z.B. die des Fronters, der zu eindimensional und identitätslos agiert. Man muss ja kein Sangesgott sein, um guten Thrash zu machen, aber ein wenig Charisma ist grundsätzlich nicht zu verachten.
Überdies sind die Riffs – bis auf einige SLAYER-lastige Ausnahmen wie auf “Mega City“ und “Pull Down The Wall“ gehört – nicht das, was man nach Genuss des Vorgängers und der langen Reifezeit erwartet. Da hat man im direkten Vergleich zu den mannigfaltigen Bands des deutschen Undergrounds wie beispielsweise den ebenfalls heftig und schnell musizierenden HUMAN PARANOID das Nachsehen.

Vielleicht fehlt auch nur das ein oder andere Jährchen Reifezeit, um sich deutlich über den Durchschnitt erheben zu können. Weg vom Sport hin zum Alkohol? Über zwanzig Jahre alter Whisky wird zumeist auch eher geschätzt als Zehnjähriger…

16.03.2010
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