Bathory
Der große Diskografie-Check

Special

Vor 16 Jahren starb mit Thomas Forsberg a.k.a. Quorthon ein Musiker, dessen Einfluss auf die Metal-Szene immer noch spürbar ist. Die ersten Alben seiner Band BATHORY, die er fast ausschließlich als Solo-Projekt betrieb, waren wichtige Wegmarken für den Death- und Black Metal der 1980er. Attitüde und Ästhetik dieser Alben spiegelten sich im nordischen Black Metal wider, der in den frühen 1990ern an Popularität gewann. Quorthon selbst hatte BATHORY damals jedoch eine Stiländerung verpasst, die mit etwas Verzögerung, aber umso flächendeckender einschlug. Statt satanischen Flammen und okkulten Ritualen wendete sich Quorthon den alten nordischen Göttern zu. Rauer Black/Thrash Metal und knackig-kurze Songs wichen endgültig langen Liedern voller Epik und wagnerianischem Kitsch. Elemente aus dieser Zeit finden sich in den unterschiedlichsten Bands des später folgenden Viking- und Folk Metal.

BATHORY – Geächtet aber einflussreich

Der Einfluss von BATHORY blieb jedoch stets unterschwellig. Im Metal-Untergrund größtenteils gefeiert, in der Fachpresse geschätzt, aber bisweilen auch kritisch beäugt, war die Band im Metal-Mainstream selten mehr als eine obskure Randnotiz, auch wenn das Cover des Debüts sicherlich zu den beliebtesten Shirt-Motiven der Szene gehört. Vermutlich auch, weil Quorthon sich vielen üblichen Mechanismen des Musik-Business verweigerte, niemals live auftrat und nie bei einem der größeren Metal-Labels war, blieb die Strahlkraft von BATHORY gedämpft. Doch auch 16 Jahre nach Quorthons Tod leuchtet die Flamme noch und ihr Licht findet zielsicher neue Fans.

Vielleicht mag auch dieser Artikel einzelne Suchende elektrifizieren. Aber auch alteingesessene BATHORY-Hörende könnten einen neuen Blick auf die Diskografie zwischen dem im Jahr 1984 erschienenen Debüt und „Nordland II“ aus dem Jahr 2003 gewinnen und vielleicht Lücken in der Sammlung entdecken. Viel Spaß beim Lesen dieses Artikels, in denen wir uns huldigend aber auch kritisch jedem BATHORY-Album widmet. (MT)

Geschrieben von echten BATHORY-Fanboys, auch wenn einige dies niemals zugeben würden: Marc Thorbrügge (MT), Michael Klaas (MK), Alex Klug (AK), Eckart Maronde (EM), Markus Endres (ME), Sven Lattemann (SL), Stefan Wolfsbrunn (SW)

Bathory (1984)

Um den Einschlag des BATHORY-Debüts aus dem Jahr 1984 richtig verstehen zu können, empfiehlt sich die vorherige Betrachtung des Samplers „Scandinavian Metal Attack“ aus dem gleichen Jahr. Wie ein finsterer schwarzer Dämon zwischen sonst bravem Metal und Hard Rock lauern „Sacrifice“ und „The Return Of Darkness And Evil“. Kein Wunder, dass die Reaktionen auf diese beiden Beiträge vielfältig waren und BATHORY, mit einem kleinen Budget ausgestattet, sofort ins Studio gezerrt wurden.

Die Atmosphäre des selbstbetitelten Debütalbums steckt tief in den Horrorfilmen der Siebziger und Achtziger Jahre. Angefangen beim extrem ausschweifenden Intro mit Glockenschlägen und Windrauschen, welches ein Schablone für so viele andere Bands werden sollte, bis hin zu den vor Naivität trotzenden (teils satanischen) Texten. Quorthon machte später nie einen Hehl daraus, dass er nie Satanist noch Odinist gewesen ist. Er suchte einfach nach guten Textideen für seine Musik. “Bathory” ist rau, ungeschliffen und bösartig. Kaum eine andere Thematik würde zu dieser Musik passen.

Ein Debüt von historischer Bedeutung

Auch die frühen Bandfotos von BATHORY, mit Tierknochen, Feuerspucken, Pentagrammen und satanischen Ritualen gingen in die Metalgeschichte ein und inspirieren auch vierzig Jahre später noch junge Bands und Fans. Quorthon selbst nahm das alles allerdings nicht so ernst. Dennoch hat “Bathory” an keiner Stelle ein Augenzwinkern oder auch nur einen Hauch von Ironie. Eine Charakteristik, welche die komplette skandinavische Black-Metal-Szene kennzeichnen sollte, zu einer Zeit, als Quorthon schon wieder einen Schritt weiter war.
Musikalisch ist “Bathory” ein wollüstig rauschendes Inferno, eine brutale Riff-Attacke und der erste Beweis für die unglaublich charakterstarke Stimme Quorthons. In weniger als einer halben Stunde drischt “Bathory” mit einer Vehemenz durch das Unterholz, dass die gesamte Szene ins Wanken kommt und eine andere Richtung einschlägt. Düsterer, finsterer und dem Gehörnten zugewandt.

Musikjournalist Eduardo Rivadavia beschreibt im Slayer-Magazin #20 seine erste Erfahrung mit dem legendären BATHORY-Debüt: “Irgendjemand sagte mir, dass BATHORY VENOM-Copycats sind und das Cover bestätigte diese Einschätzung. Also gab ich meine hart verdienten Lire lieber für eine weitere Scheibe von SAXON oder RAVEN aus, irgendwas aus dem Bereich NWOBHM halt.”

Diese seinerzeit oft aufkeimende Kritik, dass BATHORY nur ein VENOM-Rip-Off seien, hat spätestens die Musikgeschichte widerlegt. Denn “Bathory” besitzt heute einen mindestens ebenso hohen Stellenwert wie “Black Metal” (1982). Die musikalische und ästhetische Inspiration dürfte sogar noch weiter reichen. (SW)

Sammlungswürdig: Definitiv
Wichtige Songs: “In Conspirasy with Satan”, “Reaper”, “Sacrifice”

The Return…… (1985)

Die gerne gebrauchte Musikjournalistenfloskel des “nahtlosen Anknüpfens” passt wohl nirgends so gut wie auf den “Bathory”-Nachfolger mit dem passenden Namen “The Return……”. Das Schwesteralbum des Debüts tritt zum Teil etwas mehr auf die Bremse, integriert einige atmosphärische Elemente in den BATHORY-Sound, bleibt aber ansonsten dem Vorgänger sehr treu. Lo-Fi-Sound und typisches Riffing inklusive. Die Hitquote hat im direkten Vergleich zum Debüt leicht abgenommen, dies wird allerdings durch die erhöhte musikalische Komplexität kompensiert. (SW)

Sammlungswürdig: Aber ja doch
Wichtige Songs: “Born For Burning”, “Possessed”, “The Return Ov Darkness And Evil”

Under the Sign of the Black Mark (1987)

Nachdem das selbstbetitelte Debüt und “The Return” im Abstand von nicht einmal einem Jahr erschienen, nimmt sich Quorthon für Album Nr. 3 etwas mehr Zeit. Dies ist allerdings dem Umstand geschuldet, dass er damals noch ein letztes Mal versucht, eine stabile Besetzung zu bilden. Immerhin steht das Angebot einer Tour mit CELTIC FROST und DESTRUCTION im Raum. Doch es haut einfach nicht hin und Quorthon beschließt, BATHORY alleine weiter zu betreiben. Nur beim Schlagzeug holt er sich für “Under the Sign of the Black Mark” Session-Musiker Paul Lundburg dazu.

Dessen Einfluss auf die Songs ist nicht zu unterschätzen. Lundburg ist großer Fan von MANOWAR und inspiriert von deren Schlagzeuger Scott Columbus. Kein Wunder also, dass einige Songs auf “Under the Sign of the Black Mark” an MANOWAR-Epen wie “Gates of Valhalla” erinnern. Quorthon selbst wird bis an sein Lebensende darauf beharren, keine Ahnung von MANOWAR gehabt zu haben, gesteht aber ein, dass sie über Lundburg indirekt Einfluss auf BATHORY gehabt haben mögen.

Doch auch Quorthon selbst zeigt sich offen, probiert neue Ideen und feilt länger an den Songs als zuvor. “Under the Sign of the Black Mark” soll abwechslungsreicher und atmosphärischer als die Vorgänger werden. Dennoch erwartet den Zuhörer, nach einem kurzen Intro, mit “Massacre” einer der primitivsten BATHORY-Songs. Auch “Woman of Dark Desires” tönt noch klassisch, entwickelt sich dank stimmiger Keyboard-Klänge und einem einprägsamen Refrain aber zu einem der bekanntesten BATHORY-Hits, den sechs von zehn besoffenen Metalheads auch noch nachts um halb drei aus dem Stehgreif mitträllern können.

Ein Album aus tiefsten Höllenschlünden

Wo wir gerade, so halb, beim Keyboard sind: Diese Instrumente sind natürlich auch 1987 keine Seltenheit in der Rock-Musik und werden auch im Heavy Metal genutzt. Doch erst bei BATHORY klappt es, das Tasteninstrument als bitterböses Hintergrundelement einzusetzen, wodurch “Under the Sign of the Black Mark”, mehr noch als die Vorgänger, die unterschwellig bedrohliche Atmosphäre alter Horrorfilme direkt in die Songs hinein trägt, anstatt sie nur als Intro oder Outro einzurahmen.

Diese Atmosphäre, die rauen Gitarren und das von MANOWAR inspirierte Schlagzeug erschaffen eine einzigartige Klangwelt, die BATHORY in dieser Form danach nicht mehr hinbekommen haben. “Enter the Eternal Fire” bezeugt dies am eindrucksvollsten, sekundiert von “Call from the Grave” und “13 Candles”. “Under the Sign of the Black Mark” war zwar nur einer der ersten Schritte von BATHORY, stellt aber auch den Höhepunkt jener Phase dar, die maßgeblich den Death- und Black Metal der späten 80er und frühen 90er vor allem in Skandinavien prägte. (MT)

Sammlungswürdig: Ohne das Album lässt dich der Ziegenkopf auf dem Cover leider nicht in den Club, also: ja.
Wichtige Songs: “Woman of Dark Desires”, “Call from the Grave”, “Enter the Eternal Fire”, “13 Candles”

Blood Fire Death (1988)

“Blood Fire Death” ist ein solches Album, das synonymisch für den Sound der Band steht, die es intoniert hat. Wenn jemand BATHORY ruft, meint er oder sie oft “Blood Fire Death” und umgekehrt. Quorthon kehrte dem Satanischen vorerst den Rücken zu mit der Begründung, es sei hierzu alles gesagt. Nur noch vereinzelt tauchen satanische Referenzen in „Blood Fire Death“ auf – dazu gleich. Er wandte sich stattdessen mehr der nordischen Mythologie zu, was sich bereits mit einem Blick auf das Cover andeutet. Dieses wird durch das Gemälde “Åsgårdsreien” von Peter Nicolai Arbo geziert und vermittelt den Eindruck von Epik, der sich innerhalb des Albums verfestigen sollte.

Der bereits dem Vorgänger “Under The Sign Of The Black Mark” unterstellte MANOWAR-Einfluss wird weiterhin seinem Schlagzeuger Paul Lundberg zugeschrieben. Zumindest, wenn man Quorthons eigener Aussage in Interviews Glauben schenkt. Ebenfalls weiterhin mysteriös ist das Bandgefüge und wie stabil es letzten Endes wirklich gewesen ist. Es gibt neben Quorthon nur zwei Namen, die als Bandmitglieder aufgeführt sind: Vvornth und Kothaar.

Was hingegen nicht in Frage steht, ist, welchen Einfluss auf den Metal “Blood Fire Death” haben wird. Dieser geht sogar über das rein Musikalische hinaus. Die Abkehr vom satanistischen Kern und hin zum Bezug zur nordischen Mythologie unterliegt laut eigener Aussage keinem orthodoxen Motiv, sondern ist vollzogen worden, da der lyrische Bezug zum Satanismus für BATHORY ausgeschöpft worden sei. Eine Überbleibsel dessen findet sich dennoch auf dem Song “Dies Irae” wieder. Doch mit diesem Schritt legt Quorthon einen der Grundsteine für das, was später als Viking Metal bekannt werden wird.

Zwischen Black Metal und Viking Metal

Doch dieser Begriff ist schon damals bei “Blood Fire Death” musikalisch nicht eindeutig definiert, sondern steckt lediglich die zentrale Thematik ab. Das Intro “Oden Ride Over Nordland” führt den Hörer in diese Thematik ein und bereitet ihn auf die eröffnenden Töne von “A Fine Day To Die” vor. Musikalisch zeigt sich BATHORY hier vielfältig, aggressiv nach vorne preschend hier, erhaben und majestätisch marschierend da. Typischerweise bleibt die Produktion rau und kalt, was sich in mehrerlei Hinsicht auszahlt. Die akustischen Intros der epochalen Monumentaltracks “A Fine Day To Die” und “Blood Fire Death” hallen mystisch und ominös durch den Äther, während die abrasiven Gitarren jenseits dessen dank der Produktion sägen können, was das Zeug hält.

Und gesägt wird hier eine Menge fernab der unbestrittenen Schlüsselstücke. “The Golden Walls Of Heaven” und “Dies Irae” preschen mit unbändig thrashigem Furor nach vorne und werden zusätzlich durch heißblütige Gitarrensolos aufgepeppt. “Pace Til Death” und “Holocaust” tun es ihnen gleich, beide aber mit jeweils nur etwas mehr als drei Minuten wesentlich prägnanter gehalten. Härte zeichnet auch “For All Those Who Died” aus, doch hier geht BATHORY etwas vom Gas, um mehr drückende Midtempo-Grooves sprechen zu lassen.

Doch drum herum spielt sich das eigentliche, große Kino ab. “A Fine Day To Die” baut sich langsam aus seinem mystischen Intro heraus auf und mündet in einen massiven Stampfer. Dessen triolischer Rhythmus wird später mehr oder weniger zum typischen Wikinger-Schritt, der Bilder von einem marschierenden Heer heraufbeschwört – ein Klischee, das hier noch in seiner rohen, urtümlichen Pracht erscheint. “Blood Fire Death” zielt ebenfalls darauf ab, gestaltet sich kompositorisch aber deutlich komplexer und vielschichtiger. Einem echten, gedichteten Epos gleich durchlebt der dieser Track eine Vielzahl von Motiven, die dramaturgisch ineinander verwoben worden sind, und bringt das Album so zu seinem titelgebenden Höhepunkt.

Und das ist es – “Blood Fire Death”: Ein Album, dessen Einfluss bis heute zu spüren ist, dessen Leidenschaft und Magie nach wie vor Nacheiferer in Form von Bands wie HAVUKRUUNU findet und das gleichsam nordische Mythologie und kriegerischen Zorn in sich vereint, so als wollte man damit in den Krieg ziehen, ja: selbigen damit führen. Aufgrund des rauen Klangs ist es kein auf Anhieb zugängliches Werk, aber es würde mit einer klaren, modernen Produktion einfach nicht funktionieren. Der ruppige Sound gehört einfach dazu, er verpasst den epischen Songs eine gewisse Ehrlichkeit und unterfüttert die thrashigen Tracks mit reichlich Aggression. Und das im Gesamten macht die Erfahrung von “Blood Fire Death” schlichtweg einzigartig. Es wird aus verdammt gutem Grunde als das essentielle BATHORY-Album angesehen. (MK)

Sammlungswürdig: Dumme Frage.
Wichtige Songs: Vorne geht’s los, hinten hört’s auf.

Hammerheart (1990)

Frohen Mutes landet der diskografische Staffelstab 1990 in den Händen von „Hammerheart“. „Mach was draus!“, ruft „Blood Fire Death“ noch hinterher. Wohl wissend, dass dieser dank stark auf der Brust lastendem Erbe längst einem tonnenschweren Thorshammer gleichkommt. Das zusätzliche Gewicht lässt BATHORY auf Album Nummer fünf entsprechend gemächlich im Mid-Tempo weiterschippern.

Doch offenbart die langsamere Gangart natürlich auch allerhand handwerkliche Mängel. Zum Glück halten sich diese auf „Hammerheart“ die Waage mit einer ganzen Reihe anderer – künftig ähnlich unverzichtbarer – Trademarks. Auf lyrischer Ebene etwa schicken BATHORY Satan endgültig über die Planke. Stattdessen kündet Barde Quorthon in gelegentlich etwas freier interpretiertem Englisch von nordischer Mythologie im Allgemeinen und Zwangschristianisierung im Besonderen.

Dabei ist es aber weniger die Lyrik, die „Hammerheart“ zu so einer vortrefflichen Herzensangelegenheit macht als vielmehr die Art und Weise, wie ebendiese vorgetragen wird. Bereits im Opener „Shores In Flames“ beweist der junge BATHORY-Mastermind grenzloses Vertrauen in seine neu erkundeten Clean-Vocals. Und setzt diese folglich ohne Rücksicht auf Verluste ein – wie ein wahrer Krieger nun mal.

Neben dem Garagensound und dem MANOWAR-getriebenem Reverb-Drumming ist es ebendieses teils hilflose, teils geniale Tonleiterrutschen, sind es ebendiese naiven Akzentuierungen, die den neuen nordischen BATHORY-Stil in Form gießen. Übergreifende Trademarks, die man in ihrer Zwang- und Kompromisslosigkeit heute so höchstens noch in der isländischen Szene findet.

Dass Quorthon mit seinen Kompositionen in feinster DeMaio-Manier einen Einfluss Richard Wagners zu suchen gedachte – geschenkt. Was ihn aber positiv vom truemetallischen Donnerbassisten abhebt, ist der Umstand, dass er kompositorische Klasse und Feeling strikt zu trennen weiß. Und Feeling, das konnte dieser Thomas Forsberg einfach.

Dafür müssen nicht einmal die romantischen Klänge des 19. Jahrhunderts als Blaupause herhalten. Manchmal genügt auch der zeitgenössische Sound der damaligen Jahrzehntwende: In „Valhalla“ etwa bricht gesanglich erstmals der Grunge durch, jener Grunge, der auf den späteren Quorthon-Soloalben noch eine viel größere Rolle spielen sollte.

Woran liegt es also, dass dieser ausdifferenzierte Zeitlupen-Schwarzmetall nicht nur ein neues Subgenre namens Viking Metal aus der Taufe hob – sondern auch bis heute all diese großen Projektionen entstehen lässt, derer sich nur wenige Szenefans entziehen können? Ist es diese grundeigene Ehrlichkeit, die den gar nicht mal so sauber geklimperten Akustik-Licks anhaftet? Ist es diese pseudoanonymisierte Besetzungsliste, die bis heute nicht richtig entschlüsselt worden ist? Oder ist es das nonchalante Kopfnicken, mit dem sich BATHORY in „Home Of Once Brave“ ganz locker ein „For Whom The Bell Tolls“-Zitat erlauben?

Schlussendlich bleibt „Hammerheart“ wohl auf ewig ein mythologisches Gesamtkonstrukt. Vor allem aber ist es die Dokumentation dieser unverfälschten Lust eines 23-Jährigen, der im Grunde einfach nur Bock auf Mucke hatte, die irgendwie anders war. Der sich nie um Trueness scherte, sondern seine Meisterwerke Jahre später mit einer entwaffnenden Leichtigkeit teils als gar nicht mal so perfekt abtat. Und der gerade bei der Trueness-Fraktion mit dieser ungewohnten „Halb so wild“-Attitüde musikalisch voll ins Schwarze traf.
„People of Asa land, it’s only just begun“

Und so zeigt der finale Schrei gen dunkler Zukunft, dass es im Grunde wohl gar nicht nötig ist, Jahrhundertstücke wie „One Rode To Asa Bay“ zu entmystifizieren. Denn ob holprig oder tight: Was zählt, ist das Feeling. Und das Feeling wird uns bleiben. (AK)

Sammlungswürdig: Wer Hammerheart nicht hat, hat keine Sammlung.
Wichtige Songs: “One Rode To Asa Bay”

Twilight Of The Gods (1991)

„Twilight Of The Gods“ führt den Weg von „Hammerheart“ fort: Mit zumeist langsam stampfenden und epischen (und episch langen) Wikingerhymnen, die häufig von gezupften Gitarren eingeleitet werden und bei denen pfeifende Windgeräusche ebenso einen Platz haben wie sonore Männerchöre. Das Erleben mag zum damaligen Zeitpunkt (1991) nicht mehr ganz so revolutionär anmuten wie ein Jahr zuvor, als Quorthon sogar einmalig Black Mark, die Plattenfirma seines Vaters Börje Forsberg, verließ und „Hammerheart“ via Noise veröffentlichte. Hat man sich aber einmal mit BATHORYs Wikingerreise angefreundet, ist „Twilight Of The Gods“ wie ein wohliges Nachhausekommen.

Zunächst müssen die wahnsinnig guten gezupften Gitarren hervorgehoben werden, die nicht nur die meisten Stücke stimmungsvoll einleiten, sondern auch über den verzerrten Gitarren zusätzliche Farben auftragen, wie beispielsweise in „To Enter Your Mountain“. Nicht verschwiegen soll – Blasphemie hin oder her -, dass Quorthon kein begnadeter Sänger war, die Gesangslinien auf dem Album allerdings auch nicht die einfachsten sind und heutige Studiotechnik alles mit Autotune und Harmonizing eingeglättet hätte – also sollte man den Gesang am ehesten als besonderen Charmefaktor verbuchen.

Weniger Wut, mehr Epik

Einige dezente Änderungen zum Vorgänger fallen auf: Die teilweise noch wütenden Passagen sind diesmal gänzlich verschwunden, die Songs durchgehend im Spektrum zwischen ’stampfend‘ und ‚getragen‘ gehalten. Das spiegelt sich auch in den Lyrics wider, die diesmal weniger auf direkten Angriff gehen, selbst wenn „Under The Runes“ dies grundsätzlich thematisiert (und so allgemein gehalten ist, dass man diesen Text auch auf den Zweiten Weltkrieg beziehen kann, wie Quorthon selbst einst zu Protokoll gab). Aber insgesamt herrscht doch eine unfassbarere Atmosphäre vor: Da steht nicht das Ufer in Flammen, sondern sind gleich die Götter ihrem Untergang geweiht. Passend dazu sollte dieses Album eigentlich das letzte von BATHORY sein – doch bekanntlich kam es ein wenig anders. (EM)

Sammlungswürdig: Ja. Knapp nach “Hammerheart” und zusammen mit “Blood On Ice” an vorderster Stelle zu nennen, wenn es um die Wikingerphase BATHORYs geht
Wichtige Songs: “Twilight Of The Gods”, “Blood And Iron”, „To Enter Your Mountain“, “Bond Of Blood”

Requiem (1994)

Anfang der 1990er hat Quorthon offenbar keinen Bock mehr auf Wikinger, und wenn man sich sein QUORTHON-Album so anhört, dann kann ihn auch Metal generell anscheinend nicht mehr so begeistern. Doch nur zwei Monate nach diesem Alternative-Experiment, im November 1994, erscheint “Requiem”. Zunächst scheint die Welt noch in Ordnung zu sein: das Intro, in dem eine leise Melodie und eine dumpfe Kirchenglocke über den Schädeln auf dem Cover verhallen, weckt wohlige Erinnerungen an die ersten Werke.

Dann jedoch scheppert 90er-Thrash-Metal, offenbar inspiriert von SEPULTURA und SLAYER, aus den Boxen. Dennoch hat “Requiem” seinen ganz eigenen kaputten Charme. Während andere Bands Mitte der 1990er auf einmal ganz anders klingen, schafft es Quorthon, dass unter all den primitiven Riffs und dem stumpfen Groove immer noch BATHORY zu erkennen sind.

Eine Abrechnung mit der eigenen Vergangenheit

Allerdings wirken die Songs wenig ausgefeilt und unausgegoren. Insgesamt wirkt “Requiem” tatsächlich wie ein wenig durchdachter Schnellschuss. Quorthon selbst sagt damals in einem Interview mit dem Descend Magazine, dass das Album “keinen Haufen von Songs beinhaltet, die um die 15 Minuten lang sind und ihr eigenes eineinhalb Minuten langes Intro haben. Songs, die nicht nach ein oder zwei Dekaden voller monotoner Scheiße enden, als wäre es das Ende der Welt und nicht einfach nur das Ende eines Songs. […] Ich weiß nur, dass Odin und Satan nicht erwähnt werden, keine Spielfehler drin sind und es bei weitem die schnellste und brutalste Mucke ist, die BATHORY je gemacht haben.”

“Requiem” ist also auch die Abrechnung mit der eigenen Vergangenheit. Ein hasserfüllter Schlag ins eigene Gesicht, gefolgt von einem Tritt in die Eier der anderen. Genau so donnert die gut dreißig Minuten lange Spielzeit auch am Hörer vorbei. Nicht sonderlich nachhaltig, dank viel Druck und vereinzelter passabler Songs aber halbwegs unterhaltsam. (MT)

Sammlungswürdig: Nur was für Komplettisten und Leute, die beim Aufräumen des Handschuhfachs gerne eine obskure CD finden wollen.
Wichtige Songs: “War Machine”, “Blood and Soil”, “Pax Vobiscum”, “Apocalypse”

Octagon (1995)

Auf dem Papier sind die mittleren 1990er eine wundervolle Zeit für BATHORY-Fans. Im September 1994 erscheint das QUORTHON-Album, kurz darauf im November “Requiem” und ein halbes Jahr später im Mai 1995 schließlich “Octagon”. Das Problem dabei ist, dass diese drei Alben als Tiefpunkte von Quorthons Karriere gelten, “Octagon” gar als schlimmstes Machwerk seit “Der Pate 3”.

Man erahnt es vielleicht schon beim Blick auf das Erscheinungsdatum. War “Requiem” schon ein aus der Hüfte geschossener Hassbrocken, ist “Octagon” so etwas wie der spontan hingerotzte Eiterklumpen aus der Nase deines Kumpels: du hättest nicht erwartet, dass sowas in ihm steckt und willst ihm am liebsten raten, sofort zum Arzt zu gehen.

Dabei stecken tief in dem Morast, der sich “Octagon” nennt, gar nicht mal so schlechte Songideen. Offenbar davon beseelt, die mächtigen SLAYER zu beerben, feuern BATHORY ein Hannemann-King-Gedenkriff nach dem anderen raus. Doch irgendwie läuft es nicht so wirklich zusammen. Fast hat man den Eindruck, Quorthon hätte zuerst das Schlagzeug aufgenommen und danach spontan die Gitarrenparts drübergespielt. Um den rauen und gleichzeitig verwaschenen Gitarrensound und die scheppernden aber trotzdem harten Drums hinzubekommen, hätte manche aufstrebende Black-Metal-Band der damaligen Zeit allerdings 666 Meerschweinchen geopfert.

Ein rücksichtsloser Schnellschuss

Mit etwas Abstand ist aber erkennbar, dass Produktion und Mix schlicht nicht vorhanden sind. Da man ihn mit den Song-Fragmenten anscheinend nicht mehr in ein vernünftiges Studio gelassen hat, musste Quorthon “Octagon” bei sich zuhause aufnehmen. Wenn tatsächlich ein Mastering stattgefunden hat, wie es das Booklet behauptet, will man nicht wissen, wie sich Quatsch wie “Grey” und “33 Something” vorher angehört hat. Immerhin, das Cover des KISS-Hits “Deuce” klingt mit diesem Sound und nach einer halben Stunde Krach so absurd unterhaltsam, dass wenigstens der Abschluss des Albums versöhnlich stimmt. (MT)

Sammlungswürdig: Wenn du dich in dem Vorurteil bestätigen möchtest, dass BATHORY nur Krach gemacht haben: Ja, dann aber bitte auch nur dieses Album.
Wichtige Songs: “Psychopath”


Blood On Ice (1996)

„Blood On Ice“ wurde 1996 veröffentlicht und hat in vielerlei Hinsicht einen besonderen Stellenwert in den Werken von BATHORY als auch in der Musikszene. 1996, die zweite Welle des Black Metals, zu dessen Haupteinflüssen die frühen Alben von BATHORY zählten, nahm rasant an Popularität zu. Quorthon wiederum hatte mit seiner Band in den Jahren zuvor viele Fans verprellt, indem er zuerst spätestens mit „Hammerheart“ mit dem frühen Black Metal, dann mit „Requiem“ und „Octagon“ mit dem Epic / Viking Metal brach, wobei man bei den beiden letztgenannten Alben auch bei der Qualität deutliche Abstriche hinnehmen musste. Dann „Blood On Ice“, das sagenumwobene Konzeptalbum, seit 1989 in Interviews angekündigt, die Saga 1987 von Quorthon erdacht und zwischen 1988 und 1989 unter recht primitiven Bedingungen im Heavenshore Studio als Grundgerüst aufgenommen, aber nie herausgebracht. Das Material war für ein Doppelalbum und damit teuer für die Fans, aber noch größer erschien BATHORY damals Bruch mit der ach so satanischen Vergangenheit und damit das Risiko. 1995 schließlich wurden die alten Aufnahmen überarbeitet, fehlende Instrumente, Effekte und Gesänge aufgenommen und endlich 1996 veröffentlicht.

Hörspiel, Meilenstein, Meisterwerk

Stilistisch zählt „Blood On Ice“ zu den BATHORY Alben der Wikinger-Ära und liegt zwischen „Hammerheart“ (etwas mehr) und „Twilight Of The Gods“ (etwas weniger). Der majestätische Epic / Viking Metal war recht offensichtlich von MANOWAR beeinflusst, die in ihren frühen Jahren auf vergleichbare Stilmittel setzen. Dennoch setzte „Blood On Ice“ Maßstäbe mit der komplexen, stringent erzählten Geschichte eingebettet in ineinander übergehende Songs, Erzählstimme, Naturgeräusche, all das verbindet sich zu einem packenden Werk, das durchaus den Charakter eines Hörspiels hat. Schöne Melodiebögen, wuchtiges Schlagzeugspiel, emotionaler Gesang, gefühlvolle Gitarrensoli, verträumt stimmige Akustikgitarren Passagen, ergreifende Chöre, dichte Atmosphäre. Sicherlich war Quorthon alles andere als ein begnadeter Sänger, aber seine charismatische, einprägend eindringliche Stimme und seine Art, das Erzählte mit seinem intensiven Gesang darzubieten, hatte viel Herzblut und Leidenschaft, dass die augenblickliche Handlung fast greifbar wird. „Man Of Iron“, „The Stallion“, „The Woodwoman“ und „The Lake“ sind epische Lieder voller Hingabe und Pathos für die Ewigkeit. Gemein ist allen Songs auf „Blood On Ice“, dass sie dieses typische BATHORY-Feeling in sich tragen. Da ist auch zu verschmerzen, dass der Sound recht roh und dumpf ausgefallen ist.

Rein objektiv betrachtet waren BATHORY immer eher weiter weg von der Perfektion, das trifft auch auf „Blood On Ice“ zu, das insbesondere für die Wikinger-Ära von BATHORY sicher die meisten „Mängel“ aufweist. Dennoch, das Album ist zupackend und fesselnd, ein Meilenstein in der Geschichte von BATHORY und des epischen Metals. (ME)

Sammlungswürdig: Unbedingt. Fantastisches Cover-Artwork, durchdachte, in sich geschlossene Geschichte, ergreifende Musik, ein großer Moment im Schaffen von BATHORY. Meilenstein!
Wichtige Songs: „Man Of Iron“, „The Stallion“, „The Woodwoman“, „The Lake“


„Destroyer Of Worlds“ (2001)

Nachdem sich die Fanschar mit „Blood On Ice“ kurzzeitig von den schockierenden Mid-1990er-Rumpel-Ausflügen erholen konnte, holte Mastermind Quorthon den nächsten Hammer aus dem Schrank. „Destroyer Of Worlds“ ist das zehnte Studioalbum von BATHORY und mischt Elemente der „Viking“-Ära mit den Thrash und Speed-Metal-Ausflügen der vorhergegangenen Alben.
„Destroyer Of Worlds“ ist – wie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung oftmals kolportiert – kein vollständiger Reinfall. Wobei die Betonung auf „vollständig“ liegt, ein ziemlich großer Reinfall ist das Werk allemal – denn es ist schlicht unterdurchschnittlich, sowohl im speziellen BATHORY-Vergleich, als auch im allgemeinen Maßstab.

Es gibt ja schon einige Lichtblicke: Der Opener „Lake Of Fire“ knüpft stilistisch zunächst eine Beziehung zum Vorgängeralbum „Blood On Ice“, der Titeltrack „Destroyer Of Worlds“ ist ein düsterer Epic-Metal-Track, „White Bones“ geht nett nach vorne. Mit dem Rausschmeißer „Day Of Wrath“ nimmt sich Quorthon ein gehöriges Vorbild an MANOWAR und spricht große Teile des Textes ein. Das ist alles nicht revolutionär, aber schon in Ordnung.

Der Titel klingt nach Revolution, doch die Musik bleibt unspektakulär

Aber „Destroyer Of Worlds“ hat objektiv viel zu viele Problemfelder – und da spricht nicht nur der ob dieses Albums ziemlich enttäuschte Fan der Werke bis 1991: Das Album ist unausgereift, inkonsistent und lässt die BATHORY-typische Atmosphäre fast völlig vermissen. Mit über einer Stunde Spielzeit ist es auch einfach zu lang. Angenommen, das Album wäre 1984 erschienen, dann hätte man die eine oder andere Idee als wirklich gut einordnen können. Aber als Release in 2001? No way.

Mit rumpeligen Thrash-Titeln wie „Bleeding“, dem sehr arg nach Proberaum klingenden „109“ oder dem krächzigen „Death From Above“ zeigt „Destroyer Of Worlds“ einfach, wie es nicht geht. „Sudden Death“ hingegen glänzt mit Eishockey-Atmosphäre, Orgeleinspielern und eingestreuten Schiedsrichter-Pfiffen. Echt jetzt. Eigentlich eine witzige Idee. Aber hier leider völlig deplatziert.
„Destroyer Of Worlds“ ist ein Album, das man alle zehn Jahre mal rauskramen kann, um sich zu vergewissern, dass es auch in der Zwischenzeit nicht „gereift“ ist oder man es doch sträflich unterschätzt hat. Hat man nicht. Aber hey: Es ist nicht so schlecht wie „Octagon“. Liebgemeinte vier Punkte auf der metal.de-üblichen Bewertungsskala gäbe es wohl dafür, wäre das Album zu bewerten. (SL)

Sammlungswürdig: Nah. Nur, wenn man eine leicht masochistische Ader ausleben will.
Wichtige Songs: “Sudden Death”. Das glaubt man nur, wenn man es selbst mal gehört hat.


„Nordland I“ (2002)

„Nordland I“ ist nach Jahren der Entbehrungen und Strapazen wie zuhause ankommen. BATHORY zelebrieren auf ihrem elften Album die Rückkehr in die ruhmreiche Zeit der Viking-Ära. Das heißt konkret: „Nordland I“ ist episch. „Nordland I“ schleppt sich wieder stampfend durch die vereiste Landschaft. „Nordland I“ trägt ordentlich dick auf.
Nicht zuletzt die Rückkehr zu Cover-Künstler Kristian Wåhlin, der auch schon für die „Blood On Ice“ im Einsatz war, auch der allgegenwärtige Einsatz von Chor und Akustikgitarre, die Besinnung auf Themen der nordischen Mythologie – das alles ist BATHORY im allerbesten Sinne.

Titel wie „Ring Of Gold“ stehen gleichwertig neben „The Woodwoman“ und „To Enter Your Mountain“. „Foreverdark Woods“ kehrt folkloristisch zu den Küsten der Asa Bay zurück, „Broken Swords“ macht richtig schön Heavy-Metal-Tempo. Das ist stimmig, stimmungsvoll und wahrlich Balsam auf die geschundene Wikinger-Seele.

Eine standesgemäße Rückkehr in den Norden

Den klassischen Viking-Ära-Alben („Blood On Ice“ eingeschlossen) ist „Nordland I“ in Format und Klasse damit beinahe, aber letztlich doch nicht ganz, ebenbürtig. Den kleinen Unterschied machen Details: Die Stimmung ist nicht ganz so mitreißend und etwas kalkulierter, zudem erlaubt sich „Nordland I“ einige Langatmigkeiten zum Ende des Albums hin.

Ist „Nordland I“ aber ob der radikalen Abkehr von Experimenten à la „Destroyer Of Worlds“ „Fan-Service“? Oder doch eine einsichtige Rückkehr zu den ursprünglichen Stärken von BATHORY? Mit einem Abstand von fast zwanzig Jahren ist diese Frage müßig und die Antwort ebenso egal. Denn das, was der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Alben werden sollte, funktioniert auch heuer noch prächtig. (SL)

Sammlungswürdig: Ja. Sollte allerdings nicht unbedingt die allererste Anschaffung sein, wenn man noch kein BATHORY-Album besitzt (gibt es das?).
Wichtige Songs: „Dragon Breath“, „Ring Of Gold“, Foreverdark Woods“

„Nordland II“ (2003)

Dicht auf den Fersen von “Nordland I” folgt 2003 “Nordland II”, das letzte Album von BATHORY. Wie bei seinem Vorgänger erforscht Quorthon hier auch nordische Mythologie mit dem zweiten Teil der Albumkonzeption, die eigentlich als mehrteiliges Opus angelegt gewesen ist. Aber es ist auch ein Album, bei dem man über gewisse Makel nicht hinwegsehen kann, BATHORY hin oder her. Es ist auf der einen Seite ein überlebensgroß angelegtes, mit großen Hymnen gespicktes Epos, aber teilweise kommen dem Werk kleinere und größere Schnitzer in die Quere.

Wenn die magischen Momente zupacken, dann natürlich richtig. Denn das Gespür für musikalische Monumente, vor denen man als Hörer vor Ehrfurcht erschauert, bewahrt sich Quorthon auch auf “Nordland II”. Erhabene Melodien und diese eigentümliche, nordische Kälte wehen durch das Album und verleihen ihm zusammen mit einem rohen Sound das gewisse BATHORY-Feeling. Und das ganz große Feeling ist das, was auch “Nordland II” auszulösen imstande ist.

Triumphale Melodiebögen und stampfende Rhythmen zeugen von monumentaler Kost, die dem Hörer besonders dann einen wohligen Schauer über den Rücken jagen, wenn sie durch Männerchöre sekundiert werden, wie auf “The Messenger” oder den eröffnenden Tönen von “Blooded Shore”. An anderer Stelle verleiht eine Orgel dem Song “Sea Wolf” eine peppige Note, fast als wollte sie den Track aus den Händen der Wikinger und hinein in die rockenden 70er zerren.

Nicht perfekt, aber ein würdiges Ende

Und doch ist “Nordland II” alles andere als perfekt. Zunächst einmal steht dem Machtwerk gelegentlich seine BATHORY-typisch raue Produktion im Weg, die zwar passt, aber die Gitarren gnadenlos übersteuert. Besonders im aggressiv und schwarzmetallisch stampfenden “Flash Of The Silver Hammer” überlagert die Distortion den Gesang penetrant. Inkonsistent ist auch “Vinland” gemischt, dessen fast sakrale Hook richtig aus den Boxen heraus explodiert kommt, während der restliche Gesang sich wieder mehr oder weniger hinter der Instrumentierung versteckt.

An anderer Stelle wirken einzelne Songs unnötig aufgebläht oder einfach ziellos umher stapfend, was zu einer hohen Dichte an Füllmaterial führt und wodurch sich der Hörfluss recht zäh gestaltet. Wenn sich dann noch Quorthons rauer, melodischer und noch nicht ganz ausgereifter Klargesang dazu gesellt, dann stößt die Magie von “Nordland II” an ihre Grenzen. Ganz schlimm ist es bei “Death And Resurrection Of A Northern Son”, in dessen hektischeren Momenten Quorthon hörbar die Puste ausgeht. Er entschädigt im gleichen Stück aber mit epochaler Eindringlichkeit allerbester Güte, weshalb mich dieser Schnitzer umso ratloser zurücklässt.

Aber es ist eben auch das finale Album von BATHORY vor Quorthons tragischem Tod. Da sei es jedem verziehen, wenn man sich das Spätwerk versucht, schön zu rationalisieren. Es ist beileibe nicht unhörbar und weist große, magische Momente zum Niederknien auf. Es schafft den Spagat, täuschend simpel gestrickt zu sein und doch enorme Größe zu suggerieren. Aber es ist eben auch kein Meisterwerk, bei dem alles sitzt und alle Rädchen ineinander greifen. “Nordland II” ist das versöhnliche (und viel zu abrupte) Ende einer Ära, das relativ souverän im oberen Mittelfeld sitzt. (MK)

Sammlungswürdig: Eher zweit- oder vielleicht sogar drittrangig. Wenn’s am Geld scheitert, lieber erst mit den Klassikern vorlieb nehmen.
Wichtige Songs: “Blooded Shore”, “Sea Wolf”, “The Messenger”

Quelle: metal.de
07.06.2020

Stellv. Chefredakteur

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