Die 10...
Entscheidungshilfen für ein Sabbathjahr

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Die 10...

Ihr möchtet ein Sabbatical einlegen, euch auf das Wesentliche konzentrieren, Kraft tanken? Und habt dann trotz „Master Of Reality“, „Volume 4“ und Tony Iommi doch Angst vor der eigenen Courage? Befürchtet, dass ihr bei chronologischem Vorgehen schon im März „Cross Purposes“ oder gar „Forbidden“ auswendig kennt, wo ihr doch eigentlich Ozzy-Puristen oder Dio-Jüngerinnen seid? Dann gibt es hier Abhilfe mit einigen Tipps, die den Blick auf Außenposten des BLACK-SABBATH-Universums richten. Denn dieses erschöpft sich ja nicht mit den eigentlichen SABBATH-Werken, Doom als solchem oder den „Nativity In Black“-Samplern. Und das sollte jeder und jede wirklich mal eingelegt haben, so ein Sabbat(h)jahr.

1. BROWNOUT: Brown Sabbath

Quentin Tarantino schnappt sich Carlos Santana, schmuggelt ihm einen Zettel in den Slip, mischt ihm was Synthetisches in den Tequila, brüllt ihm ins Ohr: „Du bist Charles Manson, mach was draus!“, setzt ihn in den verbeulten Chevy und ab geht es in durch die Wüste, aus den Boxen wabern HAWKWIND „Live From Tijuana“ in der Hot-Chili-Mariachi-Edition, Endstation ist die Satan’s Lounge in Birmingham, der Fahrstil ist halsbrecherisch und abgeklärt in einem und der exponierte Bläser- macht diesem Satz hier ein Ende. Und auf dem Zettel steht: „Lassir malnpaar ORDENTLICHE Koteletten wachsen. Das kriegen ROCKET FROM THE CRYPT ja wohl auch hin!“

„Gesundheit! Einhalt!“ möchte man rufen. Doch das kommt eben dabei raus, wenn sich eine funky psychedelic hard rockin‘ Bigband wie BROWNOUT aus Texas des schwarzen Sabbats annimmt und das Ergebnis ohne Vorwarnung auf den bleichgesichtigen, überforderten Rezensenten aus der deutschen Provinz loslässt: stammelnde Begeisterung. Denn den Kollegen gelingt das nüchtern betrachtet eigentlich Unmögliche: Sie mischen diversen Klassikern BLACK SABBATHs eine ordentliche Ladung staubiger musikalischer Sonne unter – und machen sich damit NICHT des Frevels schuldig. Nicht so nüchtern betrachtet passen nämlich ein Bläsersatz, federnde Percussion und lateinamerikanische Rhythmen wunderbar zu bleischweren, dunklen Doom-Riffs, wenn man die Operation bei aller Verwegenheit nur respektvoll genug angeht – und etwas von Songwriting bzw. flüssigem Re-Arrangement versteht.

BROWNOUT erfüllen diese Voraussetzungen. Sie verunstalten die Songs nicht zum Selbstzweck bzw. wegen des Effekts bis zur Unkenntlichkeit, wie dies zum Beispiel KNORKATOR immer wieder gern tun. Die Männer aus Texas behalten den Kern des jeweiligen Songs, so zum Beispiel das Jahrhundertriff in „Black Sabbath“, bei, variieren aber oft das Tempo, lassen zentrale Melodien von Metal-fremden Instrumenten wie eben dem gemeinen Blechgebläse übernehmen und addieren diverse loungige Passagen. Faszinierenderweise bleibt so bei komplett anderer Grundstimmung der jeweilige Song für den Kenner stets würdevoll erkennbar. Lediglich „Iron Man“ wird nach dem Eingangsriff deutlich auf links gedreht, aber auch diese Neu-Variante ist gelungen und geht ins Knie.

Das ist cool im Wortsinne, dabei heiß wie die Hölle – und deutlich mehr als ein einmalig lustiger Spaß. Sehr empfehlenswert. Wirklich jetzt.

2. BUTTHOLE SURFERS – Sweet Loaf

„Daddy?“

„Yes, son?“

„What does regret mean?“

„Well son, a funny thing about regret is that it’s better to regret something you have done than to regret something you haven’t done. And by the way, if you see your mom this weekend, will you be sure and tell her… SATAN! SATAN! SATAN!“

Mit diesem epischen Dialog wird das Song-Wrack angekündigt, zu welchem die BUTTHOLE SURFERS SABBATHs unschuldiges „Sweet Leaf“ bzw. dessen Riff kongenial erniedrigen. Die überdrehte Endloswiederholung zu Gibby Haines‘ vage als „How Bizarre!“ zu verstehendem Lamento ist eindeutig auf etwas, das man sich spritzen oder per Tablette geben muss. Womit der Beweis erbracht ist: Haschgift ist eine Einstiegsdroge, BLACK SABBATH sind eine Einstiegsdroge, die BUTTHOLE SURFERS sind (zumindest in ihren früheren Jahren) unverantwortlich. Unverantwortlich gut.

3. CINDY UND BERT – Der Hund Von Baskerville

Kinder und Tiere gehen immer. Abgesehen davon ist es faszinierend, wie elegant CINDY UND BERT die Linie zwischen faustdick und furchtbar beschreiten. Jedenfalls mit dieser Verbeugung Richtung „Paranoid“.

4. EDNA’S KIN – Iron Man (The Bluegrass Version)

Die unter dem Banner EDNA’S KIN musizierende Familie Koontz bringt den Wilden Westen mit dem Fernen Osten zusammen – auf der Basis einer britischen Außenseiter-Hymne. Das ist kein alberner Scherz, das ist große Kunst. Und veredelt durch den stoischen Gesichtsausdruck der Künstler: 90% Coolness, abgeschmeckt mit 10% Unsere-Eltern-Sind-Geschwister-Hillbillytum. Perfekt.

5. THE LOUNGE BRIGADE – Sabbath In The Suburbs: The Lounge Tribute To The Songs Of Ozzy Osbourne

All ihr Langhaarigen Kuttenträger, ihr dachtet ernsthaft, IHR wäret cool? Kein Ding, wir sind ja alle mal neben der Spur. Cocktail als Aufbauhilfe gefällig?

6. CROWSKIN – I Got Sabbath

„Fast as a Schnecke since 2004“. Allein dieses sehr sympathische Motto bugsiert die einheimischen KrachmacherInnen von CROWSKIN schon mal Richtung SABBATH. Einen Ehrenplatz im Zentrum des Geschehens sichern sich finsteren Gestalten allerdings mit ihrer unheiligen Kreatur namens „I Got Sabbath“, zu der sie tatsächlich BLACK SABBATH mit TURBONEGRO und noch mehr Nihilismus verschmelzen. Dr. Frankensteins Monster ist nichts dagegen, schon gar nicht akustisch. Das Ding gibt es nicht bei Youtube und Konsorten, also besorgt euch blind das zugehörige Album! Das ist eine sichere Nummer, zumal „Black Lava“ mit seinen deutschen Texten eine originelle schwarze Krachlawine zwischen Doom, Sludge und Hardcore darstellt.

P.S.: Ein brandneues Album namens „Ganz ins Herz“ hat die Bande auch am Start…

7. BOHREN UND DER CLUB OF GORE – Schwarzer Sabbat Für Dean Martin

Klassische, mit entspanntem Jazz-Appeal gestreckte SABBATH-Substanz wird spät nachts in der verrauchten Eckkneipe zu flackernder Kerze auf Lunge geraucht. Mit geschlossenen Augen und ganz weit nach hinten gelegt. Warum alle dabei schicke Mafia-Anzüge tragen, weiß man intuitiv. BOHREN UND DER CLUB OF GORE waren schon vor 20 Jahren cool.

8. CHURCH OF MISERY – Master Of Brutality

Über Inhalt und Form eines Gottesdienstes der CHURCH OF MISERY aus Japan kann ich nur spekulieren. Tendenziell dürfte es sich aber wohl um eine eher körperbetonte Angelegenheit handeln. Die Herren um Basser Tatsu Mikami injizieren dem ursprünglichen SABBATH-Sound jedenfalls eine ordentliche Dosis verdreckten Stoner-Schmieröls und verschieben den lyrischen Fokus in Richtung Serienkiller.

Beides ist vielleicht nur in der Kombination originell, CHURCH OF MISERY sind allerdings Profis. Ihre abseitige Messe gestalten sie innerhalb des skizzierten Rahmens durchaus abwechslungsreich. „Megalomania“ brettert röhrend über den Highway wie versoffene FU MANCHU mit Hautfetzen an der verbeulten Stoßstange und mindestens anderthalb Leichen im Kofferraum. Im Anschluss blubbert in „Green River“ die blutgefüllte Bong of Doom viereinhalb Minuten mit Hingabe zu einem verstrahlten KYUSS-Lead vor sich hin und lässt sich von solchen Nebensachen wie Anstand und Moral mal überhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Warum auch?

9. CANNIBAL CORPSE – Zero The Hero

Dreierlei wird bewiesen:

1. Iommi ist tatsächlich Gott.

2. Synchron-Banging gehört olympisch akzeptiert.

3. CANNIBAL CORPSE sind langsam am besten. Also leider fast nie.

10. CAMAROSMITH – Camarosmith

Wenn du kaum Ahnung von AEROSMITH und keine Ahnung von Autos hast, dann ist es dennoch im Bereich des Möglichen, dass sich CAMAROSMITH gut in dein kulturelles Koordinatensystem einfügen. Mr. Paycheck von den mächtigen ZEKE, dieser Vollgas-MOTÖRHEAD-als-Hinterwäldler-Truppe, schnappt sich neben anderen noch einen von HIGH ON FIRE und ab geht’s vor dem „Sabotage“-Spiegel. Als Vorband von ZEKE haben die Herren damals im kleinen Club (wie wohl alle anderen) den Kürzeren gezogen; auf der sommerlichen Landstraße mit dem Wind im Resthaar haben sie den Längeren.

01.07.2015
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