Dungeonslayers
Systemvorstellung: "Dungeonslayers - Ein altmodisches Rollenspiel"

Special

Dungeonslayers

Vor kurzem stellten wir euch auf unseren Seiten das „Malmsturm“-Rollenspiel vor. Doch während sich in der Spielwelt aufgrund der besonderen Atmosphäre jeder Metal-Fan rasch zuhause fühlen dürfte, richtet sich dessen auf dem FATE-System basierendes Regelgerüst eher an erfahrene Pen&Paper-Spieler. Der storyorientierte Ansatz lässt den Spielern jede Menge Freiraum für ihre eigenen Geschichten, dürfte Neueinsteiger aber allzu leicht überfordern. Aus diesem Grund wollen wir euch an dieser Stelle nun ein etwas zugänglicheres Spielsystem vorstellen, an dem Rollenspiel-Anfänger und -Profis gleichermaßen ihre Freude haben werden: Vorhang auf für „Dungeonslayers“!

Am Anfang war der Dungeoncrawl

Nicht nur in der Metal-Szene liegt „retro“ gerade wieder voll im Trend. Auch viele Rollenspieler besinnen sich auf die Anfangstage ihres Hobbies, als die Regelwerke noch überschaubar waren und sich in erster Linie damit beschäftigten, wie man in unterirdischen Labyrinthen Monster tötet und sie ihrer Schätze beraubt. Im Laufe der Jahre wurden Rollenspielsysteme immer komplexer und während man sich zu fragen begann, wie zur Hölle dutzendweise überdimensionierte Drachen in enge Gangsysteme gelangen konnten, ohne dort binnen kürzester Zeit zu verhungern, geriet das gute alte „Dungeoncrawl“-Prinzip immer mehr in Verruf. Wenn sich „Dungeonslayers“ also im Untertitel als „Ein altmodisches Rollenspiel“ bezeichnet, bezieht man sich auf eben jenes unkomplizierte Spielgefühl der Pen&Paper-Frühphase. Doch mit angenehm flottem Tempo und der Konzentration aufs Wesentliche kann das System auch jenseits aller Nostalgie auf ganzer Linie überzeugen.

Das Regelwerk, das Autor Christian Kennig ursprünglich nur für seine eigene Spielrunde entwickelte und im Jahr 2008 online veröffentlichte, liegt inzwischen in seiner vierten Edition vor, die vom Uhrwerk Verlag ab Ende 2010 auch als 168 Seiten starkes DIN-A5-Büchlein herausgegeben wurde. Inzwischen hat man das Buch in eine stabile Papp-Box gepackt und mit einigen Goodies versehen: Eine Handvoll Blanko-Charakterbögen, sieben spielfertige Startcharaktere im Scheckkarten-Format, bunte Papp-Counter für das Spielen mit Bodenplänen, eine Karte der Spielwelt Caera und ein 32-seitiges Tutorial-Heftchen für Rollenspiel-Neulinge inklusive eines zusätzlichen Einsteiger-Abenteuers. Der Preis dafür ist mit rund 25 Euro fair bemessen, wer möchte kann das eigentliche Regelbuch aber auch als kostenfreie .pdf-Datei von der offiziellen Homepage des Rollenspiels herunterladen.

„Slayende“ Zwanzigseiter fehlen

Ein wichtiges Utensil fehlt in der „Dungeonslayers“-Basisbox allerdings: Der ikosaederförmige Würfel („W20“) fand leider keinen Platz mehr in der randvollen Pappschachtel und muss daher im gut sortierten Spielehandel oder Online-Shop der Wahl separat erworben werden. Denn wann immer der Ausgang einer Situation unklar ist, entscheidet ein einzelner Wurf mit dem zwanzigseitigen Spielgerät als Zufallselement über Erfolg oder Misserfolg. Dabei gilt es stets, einen Zielwert zu unterwürfeln, der sich aus den Eigenschaftswerten des handelnden Charakters und eventuellen situationsabhängigen Modifikatoren ergibt. Im Erfolgsfall entscheidet zudem die Höhe des Würfelwurfes über die Qualität des Erfolges und bestimmt beispielsweise im Kampf den erzeugten Schaden. Der an sich simple Würfelmechanismus führt dazu, dass man stets möglichst hohe Ergebnisse herbeisehnt, ohne dabei den Zielwert zu übertreffen.

Für zusätzlichen Pepp sorgen Regeln für automatische Misserfolge bei gewürfelten 20ern und „Immersiege“ bei gewürfelten 1ern. Letztere gewinnen vor allem durch die als Optionalregel deklarierten „Slayenden Würfel“ (bei anderen Systemen üblicherweise als „explodierende Würfel“ bezeichnet) an Reiz, bei denen die gewürfelte 1 im Kampf nicht nur als bestmöglicher Erfolg gilt, sondern einen weiteren Wurf zur Schadenserhöhung erlaubt. Die allgemeinen Regelmechanismen inklusive weiterer Erläuterungen zu Reihenfolge und möglichen Aktionen im Kampf, Schaden, Heilung und Magie finden auf lediglich zehn Seiten Platz und sind somit gleichermaßen simpel wie übersichtlich gehalten. In erster Linie soll hier flotte „Hack’n’Slay“-Action ermöglicht werden, wer aber Spaß an Storytelling und anspruchsvollem Charakterspiel hat, dem steht das Regelwerk dabei zumindest nicht im Weg.

Übersichtliche Klassenwahl, vielseitige Talente

Bei der Charaktergenerierung setzt sich der Trend zur Einfachheit fort. Es stehen lediglich drei verschiedene Völker (Menschen, Elfen und Zwerge) und fünf Klassen (Krieger, Späher, Heiler, Zauberer, Schwarzmagier) zur Verfügung. Ab dem Erreichen der zehnten Stufe darf sich aber jeder Held für den Wechsel in eine von drei „Heldenklassen“ entscheiden, die gewissermaßen Spezialisierungen seiner Grundklasse entsprechen. Das erhöht die Klassenvielfalt um weitere fünfzehn Varianten, unter denen sich beispielsweise Berserker, Attentäter, Druiden, Kleriker oder Nekromanten befinden. Die Klassen geben leichte Boni auf die sechs Eigenschaften, die gemeinsam mit den drei übergeordneten Attributen die Grundwerte des Charakters darstellen und aus denen sich abgeleitete Werte wie Lebenskraft, Laufgeschwindigkeit oder Angriffswerte ermitteln lassen.

Der deutlichste Unterschied zwischen den einzelnen Charakterklassen liegt jedoch in den Talenten und gegebenenfalls auch Zaubersprüchen, zu denen sie Zugang bieten. Talente bezeichnen spezielle Vorteile, die von einfachen Boni auf Charakterwerte oder einzelne Proben über die Möglichkeit, einen Begleiter oder eine magische Waffe zu erschaffen, bis hin zu einzigartigen Fähigkeiten wie beispielsweise Spezialattacken reichen. Mit jedem Stufenaufstieg – der ganz klassisch beim Erreichen einer bestimmten Menge an durch das Besiegen von Gegnern oder das Lösen von Aufgaben erhältlichen Erfahrungspunkten stattfindet – bekommt ein Charakter Steigerungspunkte, mit denen er Eigenschaften erhöhen und neue Talente erwerben kann. So wird aus einem anfangs ziemlich unerfahrenen Abenteurer, der bereits mit einer Handvoll Ratten seine liebe Not haben dürfte, im Laufe des Spiels ein immer mächtigerer Held, der sich schließlich im Alleingang gegen Horden von Orks und anderem Ungeziefer stellen kann.

Das Zauberhafte wird alltäglich

Wie man es bei einem klassischen Fantasy-Spiel erwartet, spielt Magie in „Dungenslayers“ eine wichtige Rolle. Dies zeigt sich bereits an der sehr umfangreichen Liste von Zaubersprüchen, deren regeltechnische Beschreibung eines der umfangreichsten Kapitel des Regelbuches bildet. Dabei ist ein Zauberkundiger in der Ausübung seiner Kunst nicht durch einen begrenzten Pool an speziellen Magiepunkten eingeschränkt, sondern muss lediglich die individuelle Abklingzeit eines jeden Spruchs berücksichtigen, bevor er diesen erneut wirken darf. Dieses System funktioniert in der Praxis recht gut und ermöglicht einen recht großzügigen Umgang mit Zaubern. Wo man sich in vielen anderen Rollenspielen sehr genau überlegt, ob ein Zauber wirklich nötig ist und man zu einem reichlich zögerlichen Magieeinsatz erzogen wird, werden die „Dungeonslayers“-Zauberer ihrer Berufsbezeichnung tatsächlich gerecht und können ziemlich unbekümmert mit ganzen Feuerball-Salven um sich werfen.

Damit das Balancing gewahrt bleibt, richtet ein einzelner Feuerball auch nicht mehr Schaden an als der Pfeil eines Bogenschützen oder der Schwerthieb eines Kriegers. Mächtigere Zaubersprüche wie magische Flächenbrände, aber auch Teleportation oder die Erweckung von Untoten sind hingegen nur höherstufigen Charakteren zugänglich und weisen Abklingzeiten von 24 Stunden und mehr auf. Auf ausschmückende Beschreibungen von Zaubergesten oder nicht-regelrelevanten Aspekten von Zaubereffekten wurde verzichtet. Man kann wohl nicht oft genug betonen, dass „Duneonslayers“ auf flotte, unkomplizierte Action ausgelegt ist und sich nicht mit oppulenten Ausschmückungen oder atmosphärischen Beschreibungen aufhält. Derartige Elemente können die Spieler ihren Handlungen aber nach Belieben selbständig hinzufügen, wenn sie das möchten, denn wo keine Vorgaben gemacht werden, kommt es auch nicht zu Widersprüchen.

Spielleitertipps für das Hack’n’Slay-Sammelvergnügen

Dass sich „Dungeonslayers“ gut für Einsteiger eignet, liegt auch an dem ausgesprochen hilfreichen Kapitel zur „Spielleitung“, das dem Spielleiter eine Menge nützlicher Werkzeuge für die Umsetzung spannender Abenteuer am Spieltisch liefert. Neben Hinweisen zum allgemeinen Dungeon-Design (inklusive des Einbaus fieser Fallen) und zur Gestaltung von Reisen sind hier insbesondere die Richtlinien zur Erfahrungspunkt-Vergabe recht nützlich. Vor allem die Auflistung von „Erweiterten Proben“ und die Erläuterungen, wann welche Probe von den Spielern gefordert werden sollte, sowie welche Erschwernis jeweils angemessen erscheint, dürfte für Rollenspiel-Neulinge extrem wertvoll sein. Ausführlich wird auch auf die Herstellung magischer Gegenstände und Tränke eingegangen, sowie darauf, mit welchen Schätzen man die Spieler für das Erschlagen von Monstern belohnen kann und sollte. Die umfangreichen Zufalls-Beutetabellen im Anhang des Buches lassen bereits erahnen, dass hier ein ähnlicher Sammelwahn wie in Computer-Hack’n’Slay-Titeln im Stile eines „Diablo“ entstehen kann, wobei es dem Spielleiter beim Pen&Paper-Spiel natürlich offen steht, seine Spieler wesentlich gezielter mit nützlicher Ausrüstung zu versorgen als es der Kollege Zufall beim PC-Pendant leisten kann.

Der gepflegte Minimalismus und die Vermeidung von regeltechnisch irrelevanten „Fluff-Texten“ macht im Rahmen eines flotten Hack’n’Slay-Vergnügens zumeist Sinn, an einigen Stellen wären jedoch ein paar ergänzende Ausschmückungen sinnvoll gewesen. So verzichtet die Kreaturenliste im Spielleiterkapitel komplett auf Beschreibungstexte der zu tötenden Monster, die rein auf ihre Spielwerte und Spezialangriffe reduziert werden. Dadurch muss sich wohl jeder anhand des Namens selbst überlegen, gegen was er da gerade kämpft, was bei Standard-Kanonenfutter wie Bären, Orks und Skeletten noch problemlos funktionieren dürfte. Welcher Tradition aber beispielsweise die Drachen und Dämonen von „Dungenslayers“ folgen oder was man sich gar unter einem „Augenball“, einem „Unwolf“ oder einem „Eulerich“ vorzustellen hat, bleibt rätselhaft. Für das „Tentakelhirn“ hat man immerhin eine Illustration mitgeliefert, die bestätigt, dass hier der Name tatsächlich bereits die vollständige und aussagekräftige Beschreibung jener Skurrilität liefert.

Lebendige Fan-Szene

Möglicherweise wird man nähere Informationen zu den Kreaturen der Kampagnenwelt Caera in der bereits angekündigten Settingbox finden. Diese soll im Mai erscheinen und der archetypischen Fantasy-Welt, die im Regelbuch auf vier Seiten knapp umrissen wird, Leben einhauchen. Bis dahin genügt aber auch das Grundregelwerk, um das Spiel auszuprobieren und eine Menge Spaß damit zu haben. Im Regelbuch sind bereits drei spielfertige Abenteuer enthalten, separat erhältlich sind bislang zudem drei Bücher mit weiteren Abenteuern. Besonders angetan haben es mir jedoch die „Dungeons 2 Go“ von denen bereits rund zwanzig Stück auf der offiziellen Homepage zum kostenfreien Download angeboten werden und die jeweils auf ein bis zwei DIN-A4-Seiten ein kurzes Szenario präsentieren, das sich problemlos an einem einzelnen Spielabend bewältigen lässt. Für ausreichend Spielmaterial ist also auch dann gesorgt, wenn der Spielleiter nicht selbst kreativ tätig werden und sich eigene Abenteuer für seine Spielrunde ausdenken möchte.

Überhaupt ist die Fanszene sehr aktiv und wird von Autor Christian Kennig und seinen Redaktionskollegen nach Kräften unterstützt. So werden auf der Homepage neben den erwähnten Gratis-Abenteuern auch einige Fan-Erweiterungen zum Download angeboten. Die im Anhang des Regelbuchs befindlichen Optionalregeln für die Einbindung von Feuerwaffen gehen sogar auf eine solche Fan-Erweiterung für eine frühere Edition des Regelwerks zurück. Inzwischen hat man auch Verträge abgeschlossen, um „Dungeonslayers“ international zu veröffentlichen. Insbesondere auf das Abschneiden auf dem englischsprachigen Markt darf man dabei gespannt sein. Denn auch wenn das System genug Potential hätte, um auch dort erfolgreich zu sein, bin ich doch skeptisch, ob ein solcher Coup gelingen kann.

Fazit

Als flottes und unkompliziertes Spielsystem erfüllt „Dungeonslayers“ alle Voraussetzungen um Rollenspiel-Neulingen einen optimalen Einstieg in dieses schöne Hobby zu bieten. Die Box ist schön gestaltet, reich illustriert, bietet zum fairen Preis von 25 Euro eine Menge nützliches Bonus-Material und ist damit trotz des auch kostenlos als .pdf-Datei erhältlichen Regelheftes eine lohnenswerte Anschaffung. Auch erfahrene Pen&Paper-Spieler sollten dem System eine Chance bieten. Obwohl die Regeln primär für actionreiches Hack’n’Slay-Spiel geschaffen sind, stehen sie einem anspruchsvolleren Charakterspiel zumindest nicht im Weg. Und selbst wer üblicherweise eher die simulationistische Detailfülle von Rollenspielen wie „Das Schwarze Auge“ schätzt, sollte „Dungeonslayers“ als „Zweitsystem“ in Betracht ziehen, denn für einen kleinen, gemütlichen Dungeoncrawl zwischendurch ist das Regelwerk einfach perfekt. Und wenn man ehrlich ist, steht selbst dem anspruchsvollsten Spieler von Zeit zu Zeit der Sinn nach genau diesem simplen und ursprünglichen Vergnügen aus den Anfangstagen des Rollenspiels.

08.04.2012
Exit mobile version