Gravenhorsts Graveyard
Juni 2020

Special

Es klingt ein bisschen wie der Name einer Ultra-Gruppierung, wie das wichtigste, um sie begreifen zu können. Da ist einmal der Name der Stadt, um die Herkunft, die Wurzeln deutlich zu machen. Und dann ist da die Bezeichnung, was sie eigentlich sind, mit wem man es zu tun hat: Grungetown Hooligans. Das ist der Titel des bald erscheinenden Coveralbum von MANTAR und, wie bei jeden anderen Werk aus dieser Kategorie, fragt man sich warum.

Meistens wird ein Lied in einem emotionalen Kontext gesehen, der exakt mit dieser Aufnahme verknüpft ist. Hört man eine andere, eingespielt von anderen Leuten, so hat dies meist einen befremdlichen Effekt, unabhängig von deren Qualität. So sind auch gerade mal eine handvoll Cover in den unausgesprochenen Klassiker-Kanon eingegangen. Trotzdem veröffentlichen weiterhin viele Bands Coveralben. Um der Ursache davon nachzuspüren, habe ich mich durch meine heimische Plattensammlung gewühlt.

Ode to the flame

Als GUNS N‘ ROSES 1994 auf jegliche Ebenen ausgebrannt haben, veröffentlichten sie „THE SPAGHETTI INCIDENT?“, welches vornehmlich Punk-Klassiker, wie ‚New Rose‘ oder ‚Attitude‘, enthält. Auf mich hatte dieses Album eine starke Wirkung. Da hat eine meiner Lieblingsbands ihre coolen Vorbilder vorgestellt. Dieses Album war mein erster Kontakt mit den MISFITS und NAZARETH. METALLICA sind auch ein prominentes Beispiel dafür. So haben sie durch das Aufführen von ‚Am I Evil?‘ und ‚Breadfan‘ sowohl DIAMOND HEAD als auch BUDGIE neue Hörerschaften beschert, wobei die beiden im nachhinein auch gerne auf ihre prominenten Anhänger reduziert werden. Und auch, wenn die Originalversionen öfter auf dem Plattenteller rotieren, so sind diese Aufnahmen doch energischer und druckvoller, dem Original würdig.

Wenn man solche mediatisierenden Coveralben machen will, dann sollte man diese aber nach den Mixtape-Regeln machen, möglichst unbekannt und ubedingt mit einem roten Faden. Dies ist KROKUS und BONFIRE zuletzt grandios misslungen. Beide spielten Lieder, die allseits bekannt und totgehört waren, selbst zu dem Zeitpunkt, als sie sich gegründet haben. BONFIRE haben zusätzlich nicht auf den Flow geachtet und ein Epos veröffentlicht, bei dem die Lieder keinen Spannungsbogen aufbauten. Trotz der technischen Versiertheit eine vertane Chance.

Smile, though your heart is aching

Und wenn man an gelungene Cover-Versionen denkt, fällt oft ein Name: MARILYN MANSON. Er reproduziert den Song nicht aus Bewunderung, sondern er bearbeitet ihn. Er steuert die Wahrnehmung und versucht ihm eine neue Lesart zu geben, wie es etwa in der Filmmusik oft praktiziert wird. Man denke an ‚Singin In The Rain‘ in „Clockwork Orange“ oder ‚Smile‘ in „Joker“. Auch das SLAYER-Coveralbum „Undisputed Attitude“ fällt in diese Kategorie. So wurde etwa aus MINOR THREATS oft missverstandenen „Guilty Of Being White“ „Guilty Of Being Right“. Dadurch wird ein neuer Denkanstoß gegeben, der tiefsinniger ist als bei so manchen Eigenkompositionen. Gerade bei Brian Hugh Warner.

Vielleicht ist das bei MANTAR aber auch wieder eine klassische Falle für Überintpretationen. Vielleicht sollte man nicht nach einen höheren Sinn suchen, wenn Bands Songs aus ihrer Jugend covern. Bei dem Bremer Duo ist das sogar relativ dankbar, weil sie in der Metal-Szene recht unbekannte Songs spielen, sich also bei vielen nicht an den Original-Versionen messen lassen müssen. Einige Kandidaten für die Heavy Rotation wie L7 oder SONIC YOUTH sollten dabei rauskommen. MANTAR haben ihren Ursprung auch nie richtig in der Metal-Szene gesehen, weshalb das Album vielleicht dabei helfen kann, die Wurzeln der Band nachzuvollziehen. Und selbst wenn all das nicht gelingen sollte, gibt es immerhin ordentlich eines auf die Fresse.

Allgemeingültige genreübergreifende Top 5 der allerbesten Coverversionen:

1. NIGHT DEMON – Evil Like A Knife (im Original von MIDNIGHT)
2. DAVID BOWIE – Amsterdam (im Original von JACQUES BREL)
3. GUNS N‘ ROSES – Attitude (im Original von MISFITS)
4. KISS – 2.000 Man (im Original von THE ROLLING STONES)
5. ANDY REHFELDT – You’re The One That I Want (im Original von OLIVIA NEWTON-JOHN und JOHN TRAVOLTA)

CARTHAGODS – The Monster In Me

Power Metal
FDA
17. Juli 2020
7 Songs/41:39
Cover-Version, die ich gerne hören würde: ‚The Monster In Me‘ von ACCEPT

Wenn CARTHAGODS aus Karthago irgendetwas machen, kann man sich sicher sein, dass es kein Schnellschuss ist.  Seit 1997 aktiv, haben sieerst 2015 ihr Debüt veröffentlicht und letztes Jahr den Nachfolger „The Monster In Me“, welchernach Problemen mit dem Label nun hierzulande veröffentlicht wird. Darauf enthalten ist sowohl technisch anspruchsvoller als auch eingängiger Power Metal. Trotz der extravaganten Instrumentierung mit Geigen und Synthesizern bleibt die Musik angenehm kitschfrei, wofür vor allem die harten Riffs verantwortlich sind. Der Sänger kennt seine Limits und überschreitet diese nicht. So sind zumindest die ersten drei Songs ganz großes Kino. In der zweiten Hälfte gibt es überwiegend Power-Balladen, die leider nicht die Wucht der ersten Hälfte entfalten können. Dennoch ist gerade die A-Seite besonders hörenswert.

MEAN STREAK – Eye Of The Storm

Power Metal
El Puerto Records
17. Juli 2020
11 Songs/50:16
Cover-Version, die ich gerne hören würde: ‚Eye Of The Storm‘ von MEANSTREAK

Ufff, peinlicher Fehler. Das relevanteste zu dem Stichwort, was YouTube ausgespuckt hat, war das einzige Album von MEANSTREAK, einer sehr hörenswerten, aber kurzlebigen Thrash-Metal-Band aus den Achtziger Jahren. Jedoch stammt das vorliegende Album von den (fast) gleichnamigen Schweden, die seit 2006 aktiv sind. Das fünfte Album namens „Eye Of The Storm“ liegt nun vor. Darauf wird Heavy Metal zelebriert, der gekonnt die Balance zwischen virtuos und rotzig hält. Der Fokus liegt mehr auf fetten Riffs, zusammen mit einem möchte-gern melodischen Gesang. Und das ist auch nie wirklich schlecht. Aber es fehlen große Refrains. Songs wie ‚From The Cradle To The Grave‘ sind nicht mehr als Malen nach Zahlen. Und anhand dieses Aspekts ist der Knackpunkt an der Platte schon umschrieben. Es gibt zig andere Bands, die genau solche Musik machen. Somit ist „Eye Of The Storm“ versierter Durchschnitt, der entspannt vor sich hinplätschert.

MIDNIGHT DICE – Hypnotized

LoFi-80s-Metal
Eigenproduktion
3. Juni 2020
5 Songs/21:39
Cover-Version, die ich gerne hören würde: ‚Speed City‘ von TRAVELER

Nachdem sich SATAN’S HOLLOW 2017 aufgelöst haben,gründeten alle Mitglieder außer Gitarrist Von Jugel mit MIDNIGHT DICE eine neue Band. Diese hat nach einem umjubelten Auftritt auf dem Hell Over Hammaburg jüngst mit „Hypnotized“ eine neue EP rausgebracht. Auf ihr wird klassischer Heavy Metal in Reinform samt hallenden Sound geboten. Dabei bewegen sie sich stets an der Grenze zum Speed Metal. Mit ‚Starblind‘ und ‚Speed City‘ liefern sie kesse und frische Songs. Gerade die mitreißende Energie der Gruppe lässt keinen Nackenmuskel unbelastet. Sängerin Mandy Martillo liefert einen Gesang in der Tradition der großartigen 80er-Bands. Es bleibt zu hoffen, dass das Quartett aus Chicago sich bald dazu entschließt, mit ihren Songs auf ein Album zu „sparen“. Die EP ist schon jetzt digital erhältlich, aber wird im Herbst auch auf physischen Formaten erscheinen.

NORTHWIND – HIStory

Kompakter Epic Metal
No Remorse Records
29. Mai 2020
10 Songs/52:28
Coverversion, die ich gerne hören würde: ‚King Alexander The Third‘ von LORD VIGO

NORTHWIND haben eine klassische Bandbiografie. Die Griechen haben in den Achtzigern einige Klassiker gehabt, sich dann aufgelöst und krönen ihr Comeback nun mit einem neuen Album. So weit, so unspektakulär. Mit diesem Attribut würde man auch gern die unglücklich ausgewählte Single ‚King Alexander The Third‘ belegen, ist er doch gar nicht so gut wie der ähnlich benannte MAIDEN-Song. Das lenkt aber vom wesentlichen ab. Die Griechen komponieren ihre Songs auf Grundlage des epischen Ein-Mal-Eins. Aber dadurch, dass die Eingängigkeit nicht so nervig bemüht ist und auch die Gitarren-Parts betrifft, werden die Songs doch unterhaltsam. Somit ist dieses Comeback vielleicht kein Fall für die Bestenlisten, aber macht trotzdem gehörig Laune.

PANZER SQUAD – Panzer Squad

Death-Thrash
Lycanthropic Chants
12. Juni 2020
4 Songs/10:31
Cover-Version, die ich gerne hören würde: ‚Children Of Death‘ von SLAYER

Es ist gut zwei Jahre her, dass die Osnabrücker Thrasher PANZER SQUAD auf ihren Debüt “Ruins” ihre D-Beat getränkte Musik präsentiert haben. Nun schieben sie eine selbstbetitelte Vier-Songs-EP hinterher, die sogar auf eine 7” passt. Das Trio knüpft an ihren Erstling an, wobei einige stilistische Änderungen vorgenommen wurden. Der Death-Anteil wurde erhöht und nimmt eine wichtige atmosphärische Rolle ein, so dass es wie schneller Death Metal klingt. Außerdem sind die Songs direkter. So spielen Zwischenspiele und Einleitungen eine wesentlich geringere Rolle. Also, ein nettes Ding, um ein paar Beulen in die Wohnzimmerwand zu pogen.

TORREFY – Life Is Bad

Ein bisschen von allem
Eigenproduktion
1. Juni 2020
9 Songs/64:09
Cover-Version, die ich gerne hören würde: ‚GFYD‘ von BONDED

Die kanadischen Thrasher von TORREFY haben mit „Life Is Bad“ ihr drittes Album herausgebracht. Dieses ist vor allem dadurch interessant, dass es anders klingt. An sich ist es keinem konkreten Stil zuzuordnen, am ehesten Black-Thrash mit Einsprengseln anderer extremer Genres wie Death Metal. Dazu sind die Songs ausgefeilter und sogar angemessen melodiös. Einer der neun Tracks unterschreitet knapp die Fünf-Minuten-Marke. Die meisten sind drüber. Das bedeutet natürlich, dass es viele Midtempo-Passagen auf dem Album gibt. In denen experimentieren sie mehr, was den Hörspaß extrem erhöht. Wie der Titel es schon nahe legt ist „Life Is Bad“ ziemlich badass und für offene Ohren eine interessante Angelegenheit. Empfohlen für den heimischen Gebrauch.

23.06.2020

Redakteur mit Vorliebe für Hard Rock, Heavy Metal und Thrash Metal

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