Hit or Shit?
Frostbite Orckings - The Orcish Eclipse

Special

„The Orcish Eclipse“ – Hit

So. KI-generierter Metal. So weit sind wir also schon. Ausgerechnet in einem Genre das sich sonst auf die Fahne schreibt, dass die Musik handgemacht ist und nicht alles aus der Buchse kommt. Heavy Metal, erstellt von einer KI. Das kann ja nix mitreißendes werden, das MUSS ja langweilig und wie aus der sprichwörtlichen Retorte sein. Zum richtigen Metal gehören echte Menschen an echten Instrumenten, Seele, Gefühl, Fehlerpotenzial… aber keinesfalls KI!

Dass ich mit Skepsis an “The Orcish Eclipse“ von FROSTBITE ORCKINGS gegangen bin, ist wahrscheinlich noch untertrieben. Hätte meine Katze mir das Gekröse einer Maus vor die Tür gelegt, meine Begeisterung darüber wäre vermutlich genauso groß gewesen wie meine Bereitschaft, etwas Gutes an einem KI-generierten Album zu finden. So viel zum Thema vorgefasste Meinung und Vorurteile. Und davon hatte ich – wie man kaum merkt – einen ganzen Sack voll. Mit entsprechend widerwillig gesträubtem Nackenfell und abwehrend angelegten Ohren habe ich mir das Album also akustisch einverleibt – und drüber gebrütet.

Virtuelle Orks rocken sich durchs Metalverse

Das Konzept an sich ist erst einmal gar nicht so uninteressant. FROSTBITE ORCKINGS sind eine virtuelle Metalband aus dem Metalverse, einem neuen Online-Projekt, in dem eine virtuelle Welt auf Heavy Metal trifft. Noch interessanter wird die Geschichte wenn man sich verinnerlicht, dass die virtuelle Band aus Orks besteht. World Of Warcraft in musikalisch quasi, unterstützt durch die passenden animierten Videos. Für alle, die sowohl Metal als auch Fantasy-Fans sind, sozusagen ein gefundenes Fressen.

Was mir jedoch beim Anhören mit jedem Song zunehmend auffällt, ist die Gleichförmigkeit der Growls. Man kann jetzt darüber streiten ob es daran liegt, dass ich weiß, dass die ganze Sache künstlich entstanden ist, und ob es mir aufgefallen wäre, wenn ich es nicht wüsste. Klar, der Ursprung war irgendwann einmal eine echte Stimme, die endlos Silben und Worte eingesungen hat, damit die KI einen “Baukasten“ hat aus dem sie sich bedienen kann. Aber die KI setzt sie zusammen. Und das Resultat ist zwar insgesamt beeindruckend realistisch, klingt für meine Ohren aber seelenlos. Im Detail gibt es zu wenig Höhen und Tiefen, die Intonation ist viel zu flach. Die KI-Stimme faucht und grollt sich so monoton durch die Stücke, dass es mich irgendwann stört. Somit ist der Gesang noch am ehesten das Merkmal an dem man festmachen könnte, dass hier keine “echte“ Band am Werk ist. Doch das ist tatsächlich Jammern auf hohem Niveau.

Hörbares Endergebnis mit Konfliktpotenzial

Musikalisch ist dagegen wenig auszusetzen. Ich lehne mich sogar so weit aus dem Fenster zu sagen, dass dem Großteil der Hörer ohne die entsprechende Vorab-Info nicht auffallen würde, dass die Songs nicht von realen Musikern geschaffen wurden. Was auch daran liegen könnte, dass die Songs noch nicht 100% von KI vollendet werden, sondern beim Abmischen immer noch der Faktor Mensch die Finger im Spiel hat. Die Komposition an sich ist auch nicht die ausgefallenste die man je gehört hat, sondern eher gefällig und auf Eingängigkeit konzipiert, aber ich habe schon schlechtere Alben von realen Bands gehört. An Abwechslung mangelt es auch nicht, Ohrwurmpotenzial ist definitiv vorhanden. Wir bewegen uns stilistisch im Melodic Death Metal, mit “Nightfall“ wird auch die Balladenfraktion bedient und mit “Endless Love“ geht es sogar kräftig in die elektronische Richtung, veredelt durch weibliche Gastvocals.

Mein ungern gegebenes, aber nicht überraschendes Fazit ist: KI im Heavy Metal kann was. Das Album kann man sich richtig gut anhören. Wer weiß, vielleicht wird KI-generierte Musik zukünftig ein eigenes Genre? Spannend, wie sich das weiterentwickeln wird, ist es allemal. “The Orcish Eclipse“ ist jedenfalls bereits auf einem verdammt hohen Niveau. Das muss erst einmal jemand toppen.

(Sonja Schörg)

„The Frostbite Eclipse“ – Shit

Eine Sache muss ich vorab zugestehen: wie sich diese KI-Geschichte in Zukunft noch entwickeln wird, ist ohne Zweifel spannend und sollte aufmerksam verfolgt werden. Aber fürs erste kann ich euch alle beruhigen. Die Revolution der Maschinen ist noch weit entfernt, wenn „The Orcish Eclipse“ das beste ist, was die KI derzeit hinbekommt. Die „Band“ FROSTBITE ORCKINGS bewegt sich auf dem rumpeligen Niveau ungehörter Proberaum-Aufnahmen von etablierten Bands wie POWERWOLF oder WIND ROSE.

Klar, auch ich habe schon einmal schlechteres gehört, aber auch nur weil ich vor 20 Jahren obskure Power-Metal-Demos aus den hintersten Ecken Skandinaviens heruntergeladen habe. Hauptsache Fantasy, ein bisschen Pathos und nebenbei Dark Age of Camelot zocken. Auch wenn ich damals für Albion war, habe ich mir öfters die Midgard-Hymne „Dem Hibbies“ reingezogen. Rückblickend könnte es sich dabei um den ersten Song von FROSTBITE ORCKINGS handeln, nur hat die „Band“ offenbar jedes Gespür für Groove und Timing verloren.

KI-Sound aus dem Hinterhof

Ernsthaft, als ich hörte, dass „The Orcish Eclipse“ von einer KI generiert wurde, hatte ich zunächst ein klinisch getaktetes Werk aus der Dose erwartet. Dass das Album so verwaschen und rumpelig klingt, hat mich deswegen sehr überrascht. Offenbar hat man der KI auch den Mix überlassen und als Parameter den weirden Alt-Hippie eingegeben, der in einer Garage in einem Hinterhof von Wanne-Eickel für wenig Geld die Aufnahmen übernimmt und nebenbei ein paar duftende Tüten vertickt. Da möchte man gar nicht wissen, wie sich das KI-Produkt vor dem Mix angehört hat.

Um auch mal was zur Musik an sich zu sagen: die ist einfach nur lahm und eintönig. Ohrwurmpotenzial? Da muss ich vehement widersprechen, sind die Refrains doch so austauschbar, dass das Gehirn sie zum Glück direkt im Papierkorb ablegt. Da hilft es auch nicht, dass die KI sich entschieden hat, sie mit episch-besoffenen Mitsing-Chorälen zu unterlegen und penetrant zu wiederholen. Einzige Ausnahme ist der Song „Hammers High“, der sich aber eher in die Gehörgänge nervt als an diese schmiegt.

Texte, Musik, Artwork; alles an diesem Album ist Quatsch. Wäre „The Orcish Eclipse“ eine simple Tech-Demo, könnte man ja noch wohlwollende Gnade walten lassen. Denn es ist durchaus interessant zu sehen, was die KI aktuell leisten kann. Und ja, es ist kein Totalabsturz, auch wenn die Platte durch heftige Turbulenzen schlittert.

Eine Demo zum Vollpreis

„Platte“ ist bei der Gelegenheit ein gutes Stichwort. Denn bei „The Orcish Eclipse“ handelt es sich eben nicht um eine witzige Tech-Demo, sondern um das Vollpreis-Produkt eines großen Labels. Wenn ihr wollt, könnt ihr für ein Produkt aus der tatsächlichen Dose, das auf CD und in verschiedenen Vinyl-Versionen erscheint, das gleiche Geld hinblättern wie für ein Album, an dem eine echte Band mehrere Wochen und Monate oder gar Jahre gearbeitet hat.

Ihr könntet zum Beispiel im Shop des Labels die neue DRAGONFORCE auf lilafarbenem Vinyl für knapp 28 Euro vorbestellen oder die blaugefärbte KI-Demo auf Vinyl für drei Tacken weniger ordern. Oder ihr legt gleich 39,95 Euro auf den virtuellen Tresen um ein überdimensioniertes Digipak des FROSTBITE ORCKINGS-Gerumpels zu bekommen, was, um bei dem Vergleich zu bleiben, exakt der Preis der teuersten DRAGONFORCE-Edition ist, die aber auch noch mit einigen Goodies daherkommt. Klingt vom Verhältnis her nicht so fair, oder?

Einfach nur frech

Gut, ganz automatisch geht es nicht, denn die Ergebnisse der KI basieren auf dem Input einiger echter Menschen an echten Instrumenten, die diese ins sogenannte „Metalverse“ eingespeist haben. Doch auch wenn der Preis vermutlich von Stückzahl sowie genereller Mindestbepreisung abhängt, ist das einfach nur frech. Wenn diese Praxis Schule macht, dürfte uns in Zukunft noch mehr Retortenmusik erwarten als ohnehin schon, sowie belanglose Texte und Artworks, die aufgrund ihres Charakterdesigns jederzeit von Blizzard Entertainment abgemahnt werden könnten. Immerhin, schauen wir auf die Vorbesteller-Rankings bei Amazon trennen DRAGONFORCE und FROSTBITE ORCKINGS in der Rubrik „Heavy Metal“ mehrere tausend Rangplätze.

Über den ganzen Kram mit echter menschlicher Leidenschaft und authentischer Kunst haben wir jetzt noch gar nicht gesprochen. Sicher ist, dass auch Menschen oft nur formelhafte Stangenware produzieren. Aber selbst diese klingt meistens nicht so austauschbar und unfertig wie „The Orcish Eclipse“. Die KI hat noch viel zu lernen und das Schlimmste ist, dass sie damit nicht aufhören wird.

(Marc Thorbrügge)

23.12.2023
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