Party.San 2023
Ein extremmetallisches Tagebuch

Special

Ich packe meinen Koffer und … lege meine enorme Vorfreude hinein, denn das Party.San ist nicht erst 2023, sondern seit vielen Jahren eines meiner persönlichen Festival-Highlights. Da entpuppt sich sogar der penetrant beißende Geruch der Rastplatztoilette als dezent verwürzter Anreisecharme – erst recht, wenn man dort augenscheinlich einen anderen Festivalgast trifft.

Nichts kann mich aufhalten; außer der Samstag, da muss ich wieder abreisen. Aber erst mal heißt es: Hell is here – beziehungsweise da, denn ich mache noch einen Umweg über Mühlhausen, um Kollege Marcel einzusacken. Der bequeme Herr reist nur mit einem Rucksack an. Drei Tage lang Unterhosentreue und schlafen, wo man eben liegen bleibt?

Nein, das restliche Gepäck fährt gemütlich in einem anderen Auto mit. Ist das dieser VIP-Status, von dem niemand redet? Nö, der arme Kerl wurde mitfahrtechnisch kurzfristig versetzt und seine Sachen durften schon am gestrigen Mittwoch anreisen.

Brutaler Spaß von der ersten bis zur letzten Reihe.

INHALT

Von „Get Down“ bis US-Death-Metal: Das Party.San 2023 beginnt

Vom Fotograben bis zum Bierstand: metal.de beim PSOA

Von warmen Äpfeln und Hoden-Pools: Leben zwischen den Camps

Von Satanshuldigungen bis Rachelektionen: Finales Band-Trio

Vom Blechmüsli bis zum Durchmacher: Tag zwei, PSOA-Tagebuch

Von Fun bis Fan: Das Party.San überzeugt auch 2023 durch Vielfalt

Von lachen bis zerkloppen: So schön kann brutale Musik sein

Von „Get Down“ bis US-Death-Metal: Das Party.San 2023 beginnt

Meine Laune schäumt über wie ein geschütteltes Bier, nachdem mich ROB ZOMBIE, die neue CRYPTA sowie 80er- und 90er-Hits musikalisch auf der Autobahn begleitet haben. Wie trve ist es, bei den Backstreet Boys mitzusingen? Ich frage für mich selbst. Und für Marcel (Sprachnachrichten dienen als Beweismaterial und werden gegen eine üppige Entlohnung herausgegeben).

Wir biegen gerade zum Check-in ab, da ertönt ein ohrenbetäubender Knall. Darauf waren wir nicht vorbereitet, zucken erschrocken zusammen, als würde Lars Ulrich „Dyers Eve“ korrekt spielen, und warten wenig gespannt auf das unausweichliche Ruckeln eines geplatzten Reifens. Glücklicherweise war es nur Esmeralda: Das Party.San 2023 öffnet das Infield!

Party.San 2023 – finales Poster

Vom Fotograben bis zum Bierstand: metal.de beim PSOA

Im metal.de-Camp angekommen beginnt die Kuschelrunde. Zwar haben sich viele kürzlich beim Rockharz gesehen, durch die wohnörtliche Streuung treffen sich die meisten aber nur sehr selten. Teamspirit! Mit dabei sind diesmal (als Esel nenne ich mich natürlich zuerst – nein, alphabetisch und so):

Vielfalt pur: von „oben ohne“ bis „mit Regenschirm“.

Während Olli S. und Sabine ihren Zeltpalast aufbauen, sind vom Camptisch aus die ersten eufonischen Klickgeräusche sich öffnender Dosen zu hören. Hauptgesprächsthema sind die bis dato bestätigten Bands für das Party.San Metal Open Air 2024. Wie immer präsentieren die Veranstaltenden die ersten Namen auf großen Bannern – den Mekkas für Stammgäste.

Mit BEHEMOTH und SODOM stehen schon zwei fette Argumente fest. Auch sonst finden wir reichlich spannende Bands: DARKENED NOCTURN SLAUGHTERCULT, LEFT TO DIE, SULPHUR AEON, KRAANIUM, ULTHA, KONVENT und, und, und versprechen eine amtliche, infernalische und atmosphärische Sause, für die wir eigentlich gleich hierbleiben können.

Dabei fällt mir ein Kumpel ein, der vor Jahren früh um sechs Uhr am Sonntag nach vorn gegangen ist und sich beschwert hat, weil keine Bands spielen – echte PSOA-Liebe.

Party.San 2024 – erstes Poster

Schöne Zeitreisen in beide Richtungen, doch zurück ins Hier und Jetzt …

Von warmen Äpfeln und Hoden-Pools: Leben zwischen den Camps

Festivals sind auch immer ein Ort für geplante und überraschende Treffen mit lieben Menschen und solchen, die man nie mehr wiedersehen wollte oder kaum noch wiedererkennt. Während die zwei letzten Varianten unangenehm sein können, ist Ersteres natürlich ein wunderbarer Nebeneffekt.

Genug Platz für einen (netten) Plausch.

Ana vom „Odyssey to Blasphemy“-Festival gehört zur ersten Kategorie – und lädt mich auf Wodka und warme Äpfel in ihr Camp ein (beim Korrekturlesen merke ich, wie komisch das klingt, gemeint sind aber tatsächlich Äpfel, die zu lange in der Sonne gelegen haben). Kurzerhand schnüre ich meine Wanderschuhe und begebe mich auf die lange Landebahn.

Dass auch der Drink gern einen Eiswürfel spüren würde, ist unverzeihlich. Also schmeiße ich den Becher über den Zaun aka die Outdoor-Männertoilette, fackle drei Zelte ab, klaue den Wodka und verabschiede mich, ohne Tschüss zu sagen. Quatsch. Herzlichen Dank für die gute Verpflegung und noch besseren Gespräche.

Würdigung der ersten Bands für das PSOA 2024.

Nächste Station: Das Camp von Schaacki, seines Zeichens sehr guter Kumpel, Bassist von NOSTURAACK und PSOA-Dauergast (siehe Foto). Hier erwartet mich eine überraschend stabile Comedyshow – also lehne ich mich im Campingstuhl zurück und genieße Sprüche, deren Niveau im humoristisch-positiven Sinne niedriger als der Klopapierbestand in jedem Dixi ist.

Tatsächlich mache ich mir währenddessen Notizen. Eine davon: „Hodensack wie ein Haigebiss“. Leider ist mir der Kontext entwischt – wenn es denn einen gab. Ein Topf mit kochendem Wasser wird zu einem „Whirlpool für die Hoden“ umfunktioniert – glücklicherweise nur in der Theorie. Hach ja, wenn Menschen zu viel Zeit und Bier haben. Darauf erst mal ein gekochtes Ei.

Von Satanshuldigungen bis Rachelektionen: Finales Band-Trio

Was für ein musikalischer Abschluss des ersten Tages! Nach vielen fantastischen Bands feiert das Party.San 2023 den Death Metal. Dreifacher Abriss. Umgekehrte Trinität. Dreimal headbangen, bis selbst der Duracell-Hase vor Neid erblasst. NILE. DEICIDE. OBITUARY.

Den eigenen Space „erheadbangt“.

„Zähneputzen, Pullern Und Ab Ins Bett“ schallt es nach dem Headliner aus der Konserve. Viele folgen dem KNORKATOR-Aufruf natürlich nicht und begeben sich stattdessen unter Pavillons und ins Zelt, wo sich die Partylaune länger ausleben darf als BONGRIPPER-Songs.

Und ich? Gehe grinsend zum Camp, wünsche den Anwesenden artig eine gute Nacht und verkrieche mich in mein Zelt.

Vom Blechmüsli bis zum Durchmacher: Tag zwei, PSOA-Tagebuch

Ich erwache mit einem massiven Schreck: Wie zum Teufel bin ich auf dem Oktoberfest gelandet? Dann realisiere ich, dass mich schlichtweg ein dauerfeuerndes bayerisches Gebabbel geweckt hat. Wie kann ein Mensch so viel reden – insbesondere morgens um neun Uhr? Nein, es ist nicht unser Münchener Kollege Oli.

Nach der üblichen Feuchttuchkatzenwäsche öffne ich mein Zelt. Sofort schlägt mir die Sonne ihre blendenden Strahlen um die Ohren. Gut, dass ich in weiser Voraussicht schon drinnen meine Sonnenbrille aufgesetzt habe. Dennoch halb erblindet frühstücke ich erst mal: Kaffee und Bier.

Blick in die Zukunft: Hoch die Hände auf dem Indoorgelände.

„Da muss man sich die Illusion aus‘m Gesicht schneiden“, sagt Olli S. und beeindruckt Marcel und mich hochphilosophisch – klingt, als würden CANNIBAL CORPSE „deep talken“. Plötzlich taucht eine andere Gestalt auf. Marcel kennt den sympathischen Mann, der aussieht, als hätte er die Nacht durchgema– … okay, hat er tatsächlich. Ich zitiere: „Ich war unterwegs.“

Nach dem Frühstücksbier ist vor der festen Nahrungsaufnahme. Allerdings ist die Schlange vor dem Frühstückszelt länger als der Festivalatem unseres morgendlichen Campgastes, der die „Nachtruhe“ gegen zehn Uhr einleitet, während wir uns kopfüber in den zweiten Tag werfen.

Von Fun bis Fan: Das Party.San überzeugt auch 2023 durch Vielfalt

Es gibt Dinge, die wir sofort mit einem Geräusch verbinden. Stellt euch einen in Rot gekleideten Klempner vor, der in einer grünen Röhre verschwindet. Oder? Herausgekommen ist er direkt beim Party.San 2023. Hey, Mario, wo geht’s hin? Ach, BRUTAL SPHINCTER geben den obligatorischen Brutal-Death-Mittagsslot? Super, ich komme mit – jump ’n’ run und los!

Ringel, Ringel, Reihe zu Brutal Death Metal.

Das Backdrop hängt schief, die Ansagen sitzen punktgenau – vor allem der Appell gegen Rassismus. Der Pit ist ein Auffangbecken für aufblasbare Tiere und Gegenstände, die sich der Dekadenz heimischer Pools verwehren und lieber Staub fressen. Apropos: Wir rennen (gehen) noch um den Soundturm. Warum? BRUTAL SPHINCTER haben darum gebeten.

Auf der Landebahn des Flughafens Schlotheim sehe ich Menschen zu Fuß, auf Rollschuhen, Skateboards und E-Scootern – kein Witz. Die Festivalvielfalt zeigt sich auch in der Mobilität. Ich bestelle mir ein Uber und lasse mich zum Dixi fahren.

Es ist immer wieder interessant, welche Art von Festival die Menschen bevorzugen. Privat erreicht das Party.San für mich langsam die Gästegrenze, doch glücklicherweise ist das Fanfest so gut organisiert, dass es sehr gemütlich bleibt. Die Headliner vielleicht ausgeklammert können auch Zuspätkommende noch problemlos nach vorn, ohne schief angeschaut und schräg angeblökt zu werden.

Sonst stehen die bösen Bands mit dem Rücken zu uns.

MIDNIGHT bitten um einen Becherregen – und schon fliegen die leeren und halbvollen Hülsen. Das erinnert mich an die Aktion „Trinken und feiern für den guten Zweck“, bei der 12.000 Euro für das Kinderhospiz Tambach-Dietharz zusammenkommen – 10.000 Euro durch Trinkgelder und 2.000 Euro von den Festivalmitarbeiter*innen. Grandios!

Von lachen bis zerkloppen: So schön kann brutale Musik sein

Bei all der familiären Atmosphäre wollen wir nicht vergessen, dass uns das Party.San mit frisch geschärften Thrash-Riffs zerlegt, todesmusikalisch durch den Fleischwolf dreht, mit dem blutigen Matsch das Corpsepaint der Black-Metal-Bands aufhübscht und unter Doom-Walzen dem Erdboden gleichmacht.

Gern auch wieder mehr Corpsepaint auf den Bühnen.

Anders formuliert: Die Musikauswahl ist ein jährliches Highlight für Extreme-Metal-Freund*innen – wobei auch Stimmen laut werden, die den schwarzmetallischen Rückgang beklagen. Klar, vor allem im Zelt können Schwarzverwurzelte durchaus passende Undergroundbands erleben und neu kennenlernen. Wir beschweren uns aber auch nicht über mehr Finsternis auf der Hauptbühne und im oberen Billing.

Da wir gerade bei konstruktiver Kritik sind: Ein paar mehr Schattenplätze auf dem Infield wären stark – Segel, Schirme oder so. Die Sonne hat uns zuweilen schon sehr die Gehirnzellen verbrutzelt.

In praller Sonne: die Ruhe vor dem nächsten Sturm.

DYING FETUS als Gutenachtmusik? Einige pennen auf dem Rasen, während die Amerikaner mit technischem Fingerspitzengefühl zerkloppen, was sich ihnen in den Weg stellt. Welche Bands habt ihr schon verschlafen, weil ihr vorfreudig zu sehr vorgeglüht habt?

Irgendwann umarme auch ich meine Luftmatratze und versinke zu den Liveklängen von HYPOCRISY in einen seligen Schlaf …

Am nächsten Morgen um 7 Uhr stehe ich auf. Warum so früh? Klassiker: Die Blase drückt heftiger als der Sound bei ILLDISPOSED. Wie ein Zombie bahne ich mir meinen Weg durch die Camps. Dabei erhasche ich einen Blick aufs Infield – die Ruhe vor dem nächsten Ansturm ist romantisch.

Fleißige Helfer*innen sammeln Liegengelassenes wie Limettenstücke auf. Für uns. Dankbar schlurfe ich weiter, während ein Mix aus Frühtau und Regen meine Waden benetzt. Festivaldusche: check! Ich genieße die Augenblicke, denn sie haben etwas Magisches. Sie zeigen, was diese Musik bei ihren Fans hinterlassen kann: ein Gefühl von (Zu)Frieden(heit).

Pathos Ende. Stay brutal! Bis bald.
05.09.2023
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