The Doom Table
Rediscovering Doom mit Nils von Heretoir

Special

Wir starten in die nächste Runde mit dem Doom Table und haben uns diesmal einer etwas anderen Rubrik verschrieben, in der es um angestaubte, aber unvergessene Doom Klassiker gehen soll. Den Aufbau des Diskurses und die Anzahl in der vorliegenden Abhandlung überlassen wir dem (Gast-)Schreiber und es wird in Zukunft zu diesem Thema sicherlich noch die ein oder andere Perle erstrahlen.

Heretoir – Ragnarök Festival 2024

Den Anfang in der Rubrik macht der Künstler Nils Groth, dessen Karriere als junger Musiker im Black Metal begann. Unter anderem war er bei den Bands FÄULNIS und SAKRAMORTEM aktiv. Derzeit ist er an Projekten von HERETOIR, DEADRIC SHRYNE und EMISSARY OF SUFFERING beteiligt. Nils spielt hauptsächlich Schlagzeug, hat aber auch über viele Jahre hinweg bei THRÄNENKIND und später bei den daraus hervorgegangenen KING APATHY gesungen.

Foto privat

Es ist möglicherweise nicht jedem Leser und jeder Leserin bekannt, dass Nils über einen Zeitraum von zehn Jahren in der nach wie vor aktiven Hamburger Death-Doom-Band OPHIS musiziert hat. In dieser Zeit hatte er zahlreiche Berührungspunkte mit der Szene und natürlich auch mit Releases des Genres. Mit „Solemn.Sacred.Severe“ veröffentlichten GRIFTEGÅRD ein einziges Studioalbum, das auch nach mehr als zehn Jahren nach seinem Erscheinen noch für Nachhall sorgt und einmal mehr die Zeitlosigkeit des Genres unterstreicht.

Unser aufrichtiger Dank gebührt Nils, der sich die Zeit genommen hat, seine Eindrücke zu diesem herausragenden Album zu dokumentieren.

GRIFTEGÅRD – „Solemn.Sacred.Severe“

„Zuerst müssen wir vielleicht die Frage klären, wer ich überhaupt bin und was mich auszeichnet über Doom Metal zu schreiben. Olli (von metal.de) und ich haben vor fast 20 Jahren gemeinsam bei der Death Doom Band OPHIS gespielt. Ich war damals 19 und hatte von Doom Metal, abgesehen von TOTENMOND und MY DYING BRIDE, wirklich keinen Plan. Durch den Einstieg bei OPHIS eröffnete sich mir eine neue, sehr langsame und traurige musikalische Welt.

Nun wollen wir aber erstmal nicht weiter über mich reden, sondern über das Album „Solemn.Sacred.Severe“ der Band GRIFTEGÅRD. Das Album erschien im Jahr 2009 und ich glaube, dass ich es auch kurz nach Release in die Finger bekam. Das Intro in den Song zeichnet den Weg schon vor, den die Band auf dem gesamten Album nicht mehr verlassen wird: langsam, sakral und traurig. Die Drums überführen einen dann vollends in den Opener „Charles Taze Russel”. Unendliche Schwere, wunderschöne Melodien und eine Gänsehaut erzeugender, leidender Gesang empfangen uns.

‚Heavenly father angry with his children‘ oder ‚Man can not suffer enough for his sins!‘ Diese Textpassage hat sich auf ewig in mein Hirn gebrannt. Wer mit den Zeugen Jehovas vertraut ist, weiß, dass Charles Taze Russel Mitbegründer dieser menschenverachtenden Sekte war. Wir durchleiden auf dem Album die Geschichte vom Gitarristen der Band, der die fantastischen Texte schrieb. Ich wurde von jeher von melancholischer und trauriger Musik angezogen. Schon als Kind habe ich immer lieber die traurigen Lieder von MAIDEN und METALLICA gehört. Da war es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ich beim Doom Metal landen würde.

Im Gegensatz zu vielen Fans dieses Genres (welches natürlich auch divers aufgestellt ist), hat mich die Heaviness nie so gereizt. Vielmehr waren es das abgründig Traurige, das Leiden und die Emotionen, die vor allem gewisse eher traditionelle Doom Bands wie WARNING oder GRIFTEGÅRD transportieren, die mich in den Bann zogen. Auch wenn Bands wie EVOKEN, ESOTERIC, SKEPTICISM mich stark beeinflussten, sind es doch meist die Bands mit klarem Gesang, die ich bevorzugte. Aber hier trennt sich häufig die Spreu vom Weizen und nur selten fand ich Bands, die wirklich hervorstachen.

Sänger Thomas Ericksson (glänzt auch bei YEAR OF THE GOAT, deren Album „Angels‘ Necropolis“ ich allen Lesenden ans Herz lege und die den Fame verdient hätte, den andere „Okkultrock“ Bands bekamen) singt so charismatisch, fragil und zugleich selbstsicher, dass es einem einfach ins Herz sticht. Nun haben wir viel drumherum geredet, aber den Songs des Albums wurde noch nicht ausreichend Aufmerksamkeit geschenkt. Als Anspieltipp würde ich „I Refuse These Ashes“ empfehlen, da der für mich eine Art Single des Albums ist. Sehr melodisch und eingängig, gleichzeitig aber schwermütig und todtraurig – der perfekte Doomsong. ‚Jesus Dies Inside My Heart‘ ist der Beginn des Songs „Drunk With Wormwood“.

Wie ihr merkt, zieht sich das lyrische Konzept durch und ich empfehle sehr, sich Zeit zu nehmen und die Texte zu lesen, während ihr die Songs hört. Die Texte geben dem Ganzen noch eine weitere Ebene und Tiefe. Neben dem fantastischen Gesang möchte ich aber noch das Drumming von Jens Gustafsson (RIP) erwähnen, dass auf eine komische (mir fällt kein passenderes Wort ein) Art und Weise perfekt für die Musik ist. Ich erwische mich beim Hören immer mal wieder und denke: „wie hat der denn da die 1 wieder gefunden?“.

Hinzu kommen die gut ausbalancierten Riffs, die zwischen Melodie und Härte changieren und einen immer wieder abholen. Ich glaube nun habe ich genug geschwärmt. Also hört euch das Album an und versucht noch irgendwo die LP-Version abzugreifen (leider lange sold out). Und YEAR OF THE GOAT nicht vergessen. Und vergesset nicht auf kleine (Doom) Shows zu gehen. Ich weiß, ich weiß… Die immer gleiche Leier, aber wenn in Hamburg Doomshows abgesagt werden müssen, weil die Vorverkäufe so schlecht sind, dürfen wir uns alle nicht wundern, wenn der Underground langsam austrocknet.
Vielen Dank fürs Lesen.“

‚All things good though mostly bad. All the dreams we ever had. All the hate and little love we shared will be nothing, will be nothing.‘

„Solemn.Sacred.Severe“ erschien im Jahr 2009 bei Ván Records / Nachtgnosis.
Das Album ist als CD-Version bei Ván im chicken Digi für 3 Euro zu haben.

02.02.2025

- perfection is the end of everything -

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