Satyricon
Turn Back Time To 1996, Folge 6: "Nemesis Divina" von Satyricon

Special

Satyricon 1996

Die Zeit ist schon eine komische Erfindung. Lässt uns verbittern und sorgt dafür, dass wir immer weniger Bier vertragen. Bezogen auf „Nemesis Divina“ von SATYRICON ist die bis dahin vergangene Zeit aber auch ein wertvolles Messgerät um zu beweisen, dass den Herren aus Norwegen damals ein Vorzeigealbum des Black Metal gelungen ist. Napalm Records spendiert der Platte deshalb ein Re-Release und von uns gibt es obendrauf zum 20-jährigen Jubiläum noch einen der raren Plätze in unserem „Turn Back Time“-Special. Wer sich über das Promofoto beömmelt, war damals einfach nicht dabei oder legt eben generell keinen Wert auf die Show und den (gerne auch pseudo-)mysteriösen Faktor X. Ein Faktor, der übrigens heutzutage vielen Bands abgeht. Bands, die uns stattdessen darüber informieren, was sie heute gegessen haben und auf jedem Foto für Victory plädieren.

Die Fakten über „Nemesis Divina“ von Satyricon

Für Musik und Text ließ sich Satyr richtig Zeit, fast zwei Jahre wurde für „Nemesis Divina“ getextet und komponiert und Fenriz – die DORO des Black Metal – steuert den Text zu „Du Som Hater Gud“ bei. Sigurd Wongraven gab dem Material im norwegischen Waterfall Studio den letzten Schliff. Multiinstrumentalist Satyr übernahm neben dem Gesang auch Bass, Gitarre und Keyboard, während Frost das Schlagzeug beackerte und Kveldulv unterstützend in die Saiten schlug. Außer Nebelhexë, die für „The Dawn Of A New Age“ den Text einsprach, stieß im Studio noch Bratland als Unterstützung für Klavier und Synthies dazu.

  1. The Conquering/The Dawn of A New Age
  2. Forhekset (Verhext)
  3. Mother North
  4. Du Som Hater Gud
  5. Immortality Passion
  6. Nemesis Divina (Göttliche Nemesis)
  7. Transcendental Requiem of Slaves

Nemesis Divina (Cover-Artwork)

Wie klang moderner Black Metal vor 20 Jahren?

1996 war ein Jahr, in dem sich der Black Metal generell mehr Zuspruch erspielt hatte. Selbst wenn wir natürlich noch meilenweit vom heutigen Standard entfernt waren, waren EMPEROR und IMMORTAL auch abseits der Szene ein Begriff. Unabhängig von der verkörperten Ideologie und den Entstehungshintergründen, waren diese Bands durch Musikvideos und ihre kuriose optische Erscheinung interessant und langsam auch wirtschaftlich für Labels eine gute Investitionsquelle. Während man heute Bands wie VOLBEAT oder GOJIRA aufgrund guter Deals eine gewisse Anbiederung vorwirft, war eine Annäherung aus der Ur-Suppe des Black Metals hin zum „normalen Metalvolk“ natürlich im Ergebnis immer noch drastisch für den normalen Musikhörer. Es reichte, wenn außer Schwarz und Weiß noch andere Farben im Spiel waren, um die Schwarzheimer in massive Aufruhr zu bringen. Für Gretchen Müller waren SATYRICON natürlich weiterhin zu krass und bah.

„The Conquering / The Dawn Of A New Age“ klingt eben genau so; wie ein wildes Tier reißt die Gitarre am Hörer, während Satyr dazu keift („For the great day of wrath is coming, And who shall be able to stand?“) und die Albumeröffnung über den reitenden Tod packt den Hörer sofort. Mit „Mother North“ zauberten SATRYICON einen echten Szenehit aus dem Ärmel, gleichermaßen Fluch wie Segen. Rüde knüppelt die Hymne an die frostige Mutter einerseits hart los, weist aber auch einen packenden kompositorischen Verlauf mit zahlreichen Höhepunkten auf. Nicht wenige fanden genau durch solche Songs den ersten Zugang zur Szene. Eine krächzende Stimme oder eine nackte, mit Blut übergossene Holde im Musikvideo, konnte man angesichts dieser gewaltigen Musik getrost ignorieren. Über das Video darf übrigens gelacht werden, mir persönlich fehlen aber genau diese absolut überzogenen Videos, in denen sich Musiker scheinbar ernst nehmen und damit aber zeigen, dass sie sich eigentlich gar nicht so ernst nehmen.

Mit „Nemesis Divina“ gelang SATYRICON eine unnachahmliche Mischung, neben prügelnden Attacken wurden mithilfe von Gitarren und Synthesizern Bilder von dunklen Wäldern, mystischen Gestalten, imposanten Burgen, verlassenen Seen und jagenden Fratzen in die Köpfe der Hörer gemalt. Ganz unbemerkt fanden die Harten über die Melodien zu mehr Weite im Black Metal und die Feingeister fanden über die Melodien zum gutturalen Gesang. SATYRICON verbanden die beiden Welten, ob bewusst oder unbewusst. Während in „Du Som Hater Gud“ die Trommel die Pforten in andere Sphären öffnen, verpasst das Klavier dem Stück einen klassischen Anstrich. „Nemesis Divina“ ist kein Album, das über den Hörer walzt, ihn mit Variation erdrückt oder überfordert. Es ist ein kleines Abenteuer, am Stück zu genießen und bestens geeignet, um seine eigene Phantasie inspirieren zu lassen. Parallelen zu „Hammerheart“ von BATHORY sind zwar bspw. in „Immortality Passion“ vorhanden, allerdings liefern SATYRICON wieder einen ganz anderen Schnack, kommen schneller auf den Punkt und sind deutlich vielseitiger. Mit diesem Album haben Neulinge die Möglichkeit, den Black Metal verstehen zu lernen, können entdecken, welche Kreativität auch im dunkelsten Teil des Metal steckt und merken, dass wahre Schönheit meist im Hässlichen versteckt ist.

Wer hat heute noch Angst vor Satyricon?

Der gerechte Zorn von „Nemesis Divina“ trifft heute noch genauso ins Schwarze, wie vor zwanzig Jahren. Was Satyr, Frost und Kveldulv damals als moderner Scheiß angekreidet wurde, klingt heute wieder herrlich urig nach früher. Womit wir wieder beim Thema Zeit wären, die dreht sich auch alles, wie es ihr passt. Es gibt tausend Alben, die retrospektiv absolut verherrlicht werden. Alben, die eigentlich schon damals richtiger Schrott waren und auch heute noch sind. Man kann sie mit viel Nostalgie und dem Ansporn eines gewissen musikalischen Grundwissen schön hören, was bei „Nemesis Divina“ gar nicht vonnöten ist. Alleine das schaurig-schöne Potpourri von „Transcendental Requiem Of Slaves“ ist es wert, gehört zu werden.

SATYRICON haben sich über die Jahre stets ihre Experimentierfreudigkeit bewahrt. Genauso wie sie die Frostigkeit des Black Metals in Ehren halten, strecken sie aber die Krallen auch immer ein Stück nach vorne aus. Auch wenn die Nägel heutzutage wahrscheinlich nicht mehr im Ärmel stecken, sondern für das Baumhaus des Nachwuchses verwendet werden, umgibt die traditionellen Black-Metal-Bands von damals noch immer eine besondere Aura. Wem auch musikalisch genau danach der Sinn steht, der wird 2016 nicht nur mit dem Re-Release von „Nemesis Divina“ zufriedengestellt, sondern auch mit DARK FUNERALs neuer Platte „Where Shadows Forever Reign„. „Nemesis Divina“ von SATYRICON muss jeder Fan von Black Metal kennen und würden wir in diesem Special Punkte vergeben, würde hier 10/10 stehen. Stattdessen steht hier ein dickes Danke und eine dringende Empfehlung zum Kauf.

Satyricon Band 1996
06.07.2016
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