Dying Victims Productions
"Zu Beginn der Pandemie war mir nicht klar, wie lange das alles dauern würde."

Special

Willkommen zu einem Jahresabschluss-Special der besonderen Art. Natürlich präsentieren wir Euch in den kommenden Wochen auch unsere gewohnten Jahresbestenlisten. Aber da dieses Jahr aufgrund der immer noch anhaltenden Corona-Pandemie gerade für die gesamte Veranstaltungsbranche mehr als schwierig ist, haben wir uns folgendes überlegt: Warum lassen wir nicht einfach mal VertreterInnen der Industrie zu Wort kommen? In den nächsten Wochen werden wir euch hier Texte präsentieren, die von Bands, Veranstaltern etc. verfasst worden sind. In diesen können sie ganz persönlich beschreiben, wie 2021 für sie gelaufen ist. Der dritte Beitrag stammt von unseren Freunden von Dying Victims Productions (unter anderem LUCIFUGE, HEXECUTOR, MEGATON SWORD, TENSION, INDIAN NIGHTMARE). Als Label sind sie mittlerweile keine Unbekannten im Bereich Thrash und Speed Metal mehr. Der Text wurde von Florian Grill verfasst. Er allein ist verantwortlich für die folgenden Zeilen.


Zu Beginn der Pandemie war mir, wie allen anderen, nicht klar, wie lange das alles dauern würde. Ich war der Meinung, ich würde Ende Mai noch aufs Muskelrock nach Schweden fahren und eine Woche später unser eigenes kleines Ecstasy & Danger Fest,das ich mit meiner Freundin Nina organisiere, im Helvete in Oberhausen durchführen. Als klar war, dass das wohl erstmal eine längere und ernstere Geschichte sein wird, habe ich mir schon Gedanken gemacht, wie das in Bezug auf mein Label sein wird und mich über Corona-Hilfen vom Staat informiert. Meine Gedanken waren da, dass solange die Menschen mehr oder weniger finanziell solide dastehen, sie sicher nicht auf ihre Leidenschaft verzichten möchten. Wenn man aber beispielsweise nach Jobverlust oder Insolvenz des eigenen Unternehmens zwischen die Wohnung heizen und was zu Essen haben oder Schallplatten einkaufen entscheiden muss, werden die meisten wohl ersteres wählen.

Allerdings hat sich recht schnell gezeigt, dass zwar viele Leute finanzielle Einbußen haben, aber durch Kurzarbeitergeld und Finanzhilfen der große Knall vorerst doch ausgeblieben ist. Und weil die Leute eben nicht mehr auf Konzerte, Festivals, in Kneipen und Plattenläden oder ganz schnöde ins Einkaufszentrum gehen konnten, haben sich sehr viele natürlich dem Onlinehandel zugewandt. Wozu ja auch Underground Metal Labels gehören. Das heißt, dass während der ganzen Pandemie grundsätzlich viele Bestellungen eingegangen sind und ich immer gut zu tun hatte. Es war auch auf persönlicher Ebene sehr praktisch, dass es ja einen Sinn und ein Ziel im Alltag gegeben hat und ich nicht den Leerlauf hatte, der einigen Bekannten und Freunden zum Teil schwer zu schaffen gemacht hat.

Aus Label-Sicht war es schade, dass die ganzen Festivals nicht stattfinden konnten, weil ich mir Anfang 2020 noch eine komplette Ausstattung für einen Verkaufsstand besorgt und etliche Festivals eingeplant hatte. Das Zeug liegt bis heute unausgepackt im Lager. Aber privat hat mich der Ausfall meiner ganzen Lieblingsfestivals und cooler Touren viel mehr getroffen als aus beruflicher Sicht. Vor allem zu Beginn hatte ich auch noch die Befürchtung, dass viele der Festivals und Konzertlocations verschwinden könnten, wenn es ihnen finanziell zu dreckig gehen wird und hier und da etwas gespendet. Zum Glück sind sehr viele der Events, auf denen ich verkehre, aber sehr undergroundig von Ehrenamtlichen oder Vereinen organisiert, die das auch nach der Pandemie weiterführen werden beziehungsweise können. Alle hauptberuflichen Veranstaltern und Bookingagenturen hingegen tun mir sehr leid in dieser Situation, die ja ein langfristiges Planen fast unmöglich macht. Das ständige Neuplanen und Verschieben ist sicherlich nervenaufreibend für sie, aber wenn man auch mal wieder Geld verdienen muss, dann gibt es ja keinen anderen Ausweg als zu hoffen, dass es in ein paar Monaten wieder losgehen kann. Unser eigenes Festival hat uns auch keine großen finanziellen Einbußen beschert, außer, dass die Lufthansa nur 3 der 5 Flüge der Spanier von KÖRGULL THE EXTERMINATOR erstattet haben.

Zurück zur Label-Arbeit: Die Kassetten und CD-Produktion ist in großen Teilen recht konstant weitergelaufen, aber die Vinylproduktion ist da schon ein andere Baustelle. Da mein Presswerk in Tschechien ist und die dort bereits im Juni 2020 das Ende der Pandemie gefeiert hatten (!), war die erste Zeit noch recht unproblematisch, aber als deren richtige Corona-Wellen gekommen sind, sind auch riesige Rückstände zustande gekommen, die Verzögerungen in der Auslieferung bedeutet haben. Die derzeitigen immens verlängerten Lieferzeiten für Vinyl werden aber auch viele Bands richtig hart treffen, die ihre Touren wieder planen und dann plötzlich ohne Platten losfahren müssen. Dazu kommt noch, dass die meisten Festivals ihre Billings ja verschieben, was bedeutet, dass die unzähligen guten Alben es etwas schwierig haben werden, auf den kommenden Festivals präsentiert zu werden.

Mittlerweile schlagen daneben auch leider die Logistikkrise und Ressourcenverteuerung gut zu. Plastik, Papier und weitere benötigte Grundstoffe werden neben Energie immer teurer und schlagen sich in der gesamten Wertschöpfungskette nieder. Allein 2021 hat sich der Preis bei der CD-Produktion einmal und bei Kassetten und Vinyl-Produktion zweimal deutlich erhöht. Also nicht ein paar Cent, sondern stark bemerkbar. Mit der Ankündigung, dass die Preise wohl nur einige Monate zu halten sein werden. Da ich selbst immer ein Vertreter von moderaten Preisen für die Fans gewesen bin, stößt mir das sehr auf, aber kurz- bis mittelfristig werde ich die Preise auch erhöhen müssen. Gleichzeitig bekommt man auf der einen Seite die Meldungen von der Post und DHL mit, dass ein Rekordquartal das nächste jagt, gleichzeitig aber jährlich die Preise erhöht werden. Naja, das Ziel bleibt so oder so, möglichst faire Preise bei gleichbleibend wertiger Ausstattung meiner Veröffentlichungen beizubehalten. Wer hätte mal gedacht, dass Pappe ein schwer zu beziehendes Produkt sein würde und ich wochen- oder monatelang auf meine Versandkartons waren muss.

Zusammenfassend muss ich aber ganz klar sagen, dass der Onlinehandel zu den Gewinnern der Krise gehört und trotz der bestehenden Probleme im gesamten produzierenden Gewerbe die Probleme und Schwierigkeiten noch relativ moderat sind. Ich hatte erst Mitte 2019 meinen sicheren Job aufgegeben, um mich komplett dem Label zu widmen. Da war plötzlich die erzwungene Corona-Pause in den meisten privaten Bereichen beruflich gesehen relativ praktisch, weil die fehlende Ablenkung mir ermöglicht hat, mich extrem intensiv der Startphase der Vollzeit Solo-Selbstständigkeit dem Labelbetrieb zu widmen. Danke an alle Unterstützer, die zum Teil seit Jahren, zum Teil auch neu bei Dying Victims Productions bestellen und die Bands unterstützen.

25.12.2021
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