Big Mike Colonia
Wichtiger als Gott

Interview

Nach fast 30 Jahren Wartezeit ist es endlich so weit. BIG MIKE COLONIA entführt alle Willigen in seine „Videowelt“. Darauf gibt es jede Menge 80er-Referenzen und Power-Songs zwischen Synth Pop und Hard Rock. Gut gelaunt berichtet BIG MIKE COLONIA von seinen Problemen mit der Justiz, den Nachwirkungen des Cryoschlafs und seinem Leben als Vorreiter der Muskelreligion.

Hey Mike, alles fit bei dir? Ich hoffe, du hast den Cryoschlaf gut überstanden. Wie war es denn so für dich, nach fast 30 Jahren in dieser neuen Welt aufzuwachen?

Topfit Amigo, alle Systeme laufen wieder auf vollem Anschlag! Bin mir allerdings immer noch nicht sicher ob ich vielleicht doch noch im totalen Gefrierbrand-Tiefschlaf bin und träume – zum einen, weil es mir so saugut geht und für mich alles läuft wie im Traum, zum anderen, weil die Clownwelt um mich herum unmöglich real sein kann. Die meisten Leute sind nicht so gut drauf und sehen auch so aus, von oben bis unten. Im Fernseher und Radio läuft nur grausamster Kernschrott, alles klingt gleich, sieht gleich aus, ich sehe wenig Power. Vorteil für mich, wenn ich irgendwo auftauche, gehen Augen und Herzen auf! Ich bin mir sicher, der High Energy Spirit wird zurückkehren.

„Cryo Justice“ verrät, dass dich die Polizei während der Dreharbeiten zu einem Film hochgenommen hatte. Was genau ist da passiert?

„Falsche Freunde, schlechte Umstände“ würden andere sagen, ich sage, ich bin alles selbst schuld. Nach einer verhängnisvollen Nacht in Köln war ich in Los Angeles gestrandet und wurde beim Training in Venice Beach spontan für die Hauptrolle im Film „Protein Wars II – Barbell Barbarians“ gecastet. Da ich flüchtig und pleite war, hielt ich es für eine gute Idee da mitzumachen. Doch schon am dritten Drehtag klopften die Sheriffs an meinem Wohnwagen an und zack saß ich in Kölle im Bau, wow. Sehr lange Geschichte, die ich auf jeden Fall noch dokumentieren und erzählen werde.

Mit BIG MIKE COLONIA entführt in die „Videowelt“

Schon vor dem Cryoschlaf hast du an deinem Debütalbum „Videowelt“ gearbeitet. Wie fühlt es sich an, die Platte endlich zu veröffentlichen?

Das ist ein Feeling wie wenn du das Excalibur-Schwert aus dem Amboss ziehst Alter! Hier ist sie endlich, die Macht von Kölle! In den 80ern wurde meine Kunst ja verkannt, offenbar ist die Zeit heute erst wirklich reif für dieses Werk, von daher bin ich auch echt froh, dass es über 30 Jahre gedauert hat, hab eh die ganze Zeit gepennt und ja offensichtlich gar nix verpasst. Mit dem Album fühle ich mich direkt doppelt neugeboren. You can’t beat the feeling.

Was genau verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff „Videowelt“?

Warst du mal in einer richtig geilen Videothek? Es gibt ja offenbar keine mehr – aber das war wie ein Abtauchen in eine andere Dimension. Bye bye reality, überall affengeile Cover, tausende Knallerstreifen, jeden Tag kommen neue dazu, für jeden Geschmack und jede Stimmung is wat dabei, Krieg, Brutalo Action, Karate, Kannibalismus und Horror, boah ey, in diese Dimension einzutauchen ist heute schwerer, weil man sich durch tausende langweilige und uninspirierte Scheißfilme glotzen muss, um einen einzigen starken Streifen zu finden, der Bock macht. „Videowelt“ bedeutet genau das, 100% Power, 0% schlaff und schlechte Laune. Onkel Mike hat alles für euch vorbereitet.

In einem deiner neuen Songs beschreibst du den „Springbreak im Neandertal“ als die brutalste Party überhaupt. Woher hat BIG MIKE COLONIA dieses ausführliche Wissen über das Paarungsverhalten der Steinzeitmachos?

Damals in den 80ern wollte ich diese Party wirklich veranstalten! Ein Festival im Neandertal, um unsere Vorfahren zu huldigen und den High Energy Spirit der Steinzeit wiederzubeleben. Maximal 100 Gäste, Dresscode Lendenschurz, außer auf dem Pavianfels, da nur ohne, kein Einlass mit Brille oder modischem Kurzhaarschnitt. Feuer statt Strom, rohes Fleisch statt Pommfritz und Bonbons, Massenschlägerei statt Tanzerei. Auf die Idee kam ich, als ich einen krassen Flashback hatte zu meinen Urahnen im Neandertal vor 100.000 Jahren – für eine Nacht sah ich vor meinem inneren Auge diese Party als wäre ich selbst da gewesen, der fetzigste spirituelle Trip den ich je hatte, so wie Wayne mit Waynestock – leider am Ende gefloppt, genau wie meine Gesangskarriere damals. Die Party durfte nie stattfinden.

Ein weiterer Hit der Platte ist „Party im Gym“. Wie oft schmeißt du solche Partys und ist das nicht ziemlich teuer, so einen Muskeltempel auseinander zu nehmen?

Dat is echt ein richtiger Hit, man. Ich mach fast jeden Tag Party im Gym, kostet ca. 50 Mark im Monat – immer noch besser als Fritten aus der Mülltonne. Auch im Gym muss der Spirit of Power wieder kommen. Ich war vor Kurzem einmal in so einem Plastikstudio, da hatte jeder Stöpsel im Ohr und hat verbissen und traurig alleine vor sich hin trainiert mit lachhaften Gewicht und Kabelarmen. In einem geilen Studio wird jeder, der reinkommt, von allen Anwesenden mit Spitznamen und irgendeiner Beleidigung begrüßt, da läuft ultra laut Heavy Metal, alle trainieren mit zerfetzten Klamotten, es riecht nach Blut, Schweiß und Freudentränen! Zum Glück gibt es solche Tempel auch heute noch, Schmiede in Bonn, Bodypower in Weißenthurm, World Gym in Köln, um nur ein paar zu nennen.

BIG MIKE COLONIA erzählt vom echten Leben

Düsterer wird es in „Die dunkle Sick“. Du singst „Ein falscher Blick, sofort Schlägerei/ Wunder dich nicht, du kriegst ein paar aufs Ei/Die Nächte der Stadt – nicht nur Spiel & Fun“. Klingt, als wüsstest du genau, wovon du redest. Ist der Song autobiografisch gefärbt?

Alle meine Songs sind autobiografische Tatsachenberichte, ich mache keinen Spaß. In Läden wie Palm Beach oder Big Ben in Köln hast du den falschen Typ oder seine Frau eine Millisekunde zu lange angestarrt und zack beide Augen blau. Aber das war’s wert! Der Reiz des Verbotenen und Gefährlichen – heute auch komplett weg im Nachtleben, weil niemand mehr niemanden anschaut, alle sehen eh gleich aus – Ausnahme mal wieder euer Onkel Mike, mich starren alle an, ich hau aber niemanden, weil ich ja ne janz leeve Jung ben. Sehet, staunet, aber vor allem: Lernet!

In „Ohne Ende geil“ spielst du sehr viel auf die Popkultur der 80er an, wie zum Beispiel „Ein Zombie hing am Glockenseil“ oder „American Fighter“ mit Michael Dudikoff. Was kann unserer heutige Gesellschaft aus solchen Streifen mitnehmen?

Aus „American Fighter 2“ hab ich gelernt, wie die perfekte Kneipenschlägerei aussieht und dass man in einem coolen Denim on Denim Outfit inklusive Cowboystiefel immer noch easy geklonte Ninjatruppen boxen kann, also scheiß auf funktionale Spandex-Textmarker-Sportmode mit so komischen Zehenschuhen. Zombiefilme sind vielleicht schon obsolet, die grauen Zombies, die heute durch die Straßen wandeln, essen halt zum Glück kein Fleisch.

Für die Musik auf „Videowelt“ zeigt sich über weite Strecken A.J. Armstrong verantwortlich. Wer ist er und wie lief die Zusammenarbeit zwischen euch ab?

A.J. ist ein jahrelange sehr guter Kumpel von mir, er kommt wie ich aus dem Heavy-Bereich. Er produziert beinharte Stücke im Akkord und bringt durch seinen Sound einen mystischen und sehr amerikanischen Touch rein. Wenn ich ein Thema, eine Stimmung oder Atmosphäre vorgebe, haut A.J. wenige Tage später einen kompletten Song dazu raus der wie die Faust aufs Auge passt. Pleasure to work with! Ein weiterer Produzent auf dem Album ist DJ Countagroove, er ist der Meister der elektronischen Dancefloor-Beats. Mit den beiden Jungs und Gianni ist einfach das komplette Spektrum powervoller Musik für mich 1000% abgedeckt.

Gianni La Bamba ist laut Booklet nur mit dem Song „Bird Of Paradise“ vertreten. Wie kommts? Früher wart ihr doch ein Herz und eine Seele.

Erstens sind wir immer noch ein Herz und eine Seele und zweitens, jeder der was anderes auch nur vermutet, macht lieber direkt einen Termin beim Kieferchirurgen. Gianni ist mein Bro, er macht genau so viele Songs wie immer schon, also circa alle drei Jahre einen – er hat schätzungsweise zwei Stunden im Monat Zeit für Musik, im Gegensatz zu mir, also stresst den Mann nicht ok. Gianni gehört zu Big Mike wie Bacon zu Barbecue. Wenn eine affengeile Italo-Disco-Nummer her muss, hat Gianni das absolute Monopol. Freut euch auf das nächste Video, wenn ihr Gianni-La-Bamba-Fans seid, by the way!

War früher wirklich alles besser?

Vor Kurzem hat der Kölner Club Roxy dicht gemacht. Du bist dort häufiger aufgetreten und er spielt auch eine Rolle im Video zu „Bad Boys“. Was verbindest du mit dem Roxy?

Roxy war das echte letzte Nachtlokal Kölns, das gab’s schon seit 1974! Die Auftritte da waren mit die geilsten, die wir je hatten, immer ausverkauft, immer totales Chaos, einstürzende Schutzgitter, gebrochene Rippen, Schweiß von der Deck – wer das einmal überlebt hat, hatte nie wieder Angst vor gar nix. Gianni und ich haben das sicher 20 mal überlebt – weißt du Bescheid!

Du betonst immer wieder, dass die Gesellschaft dringend eine Rückkehr zur High Energy der 80er braucht. Gibt es überhaupt aktuelle Musik oder Filme, die du gut findest?

Auch wenn es oft so klingt, bin ich nicht der Typ, der sagt: „früher war alles besser“ – Klar, Autos, Klamotten, Turnschuhe, alles sah in meinen Augen cooler aus als heute, aber wenn du Bock hast, kannst du dir halt heute auch einen Pontiac Firebird, eine amerikanische Acid Wash Jordache Jeansjacke und Nike Air Revolutions holen und dir dazu „Top Secret“ von RATT reinpfeiffen, bitte sehr – schlechter wär’s nur, wenn es das alles nicht mehr gäbe. Und die Leute haben Bock auf Power, wer hat schon Bock, scheiße drauf zu sein? Deswegen glaube ich fest an die Auferstehung der High Energy wie andere an religiöse Märchenscheiße. Du kannst hier und jetzt auf den Overpower-Zug aufspringen – Zieh dir mein Album „Videowelt“ rein, das ist das beste Beispiel für starke aktuelle Musik! Ansonsten empfehle ich dringend die letzten Alben von DONNY BENET, POWER GLOVE und FUSION BOMB. Wenn ihr mehr Power wollt checkt den Blog meines Amigos UncleTNUC.com er ist ein echter Apostel. Filme, ich hab letztens „Hell Or High Water“ gesehen, der war granatenstark ohne Ende, absolute Empfehlung!

Zu guter Letzt noch die wichtigste Frage von allen: Arnold Schwarzenegger oder Sylvester Stallone?

Boah Alter, viel zu schwer. Heute Stallone, damals Arnold? Beide sind für mich und die Menschheit wichtiger als Gott. Folgt mir bei Instagram, wenn ihr leben wollt. Last word: Auch wenn ihr es funny findet, ich meine alles, was ich sage, auch ernst. HIGH ENERGY!

Quelle: Foto: Max Daerr
01.09.2020

"Irgendeiner wartet immer."

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