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Interview mit Kirsten und Tim zu "Dark Love Poems"
Interview
Mit „Dark Love Poems“ bringen die BLOODFLOWERZ dieser Tage ihr neues Album heraus. Wie bereits beim letzten Album „7 Benedictions/7 Maledictions“ zieht sich auch diesmal wieder ein roter Faden durch das Album, das die Band unter das Thema Liebe gestellt hat. Im Rahmen der Listening Session ließen sich Sängerin Kirsten und Drummer Tim über die Entstehung der Scheibe und die Parallelen zu ihrem eigenen Liebesleben ausquetschen. Die Antwort auf die Frage, wie Liebe mit mehreren Menschen funktioniert, sind sie uns allerdings noch schuldig. 😉
Wie haben sich denn die Aufnahmen gestaltet? Ihr wart ja zum ersten mal hier im Mastersound Studio und Alex Krull [Produzent – Anm. d. Red.] ist ja sonst doch sehr metallastig.
Tim: Als ein Fazit muss man sagen: sehr entspannt. Im Vergleich zu unseren bisherigen Studiosessions für „Diabolic Angel“ und die „7/7“ sehr entspannt und harmonisch.
Kirsten: Dadurch, dass sich die Belegschaft im Mastersound die Aufgaben teilt, hatte jeder aus der Band einen kompetenten Ansprechpartner. Man merkt auf jeden Fall, dass hier im Studio alles Musiker sind, die das alles selber schon einmal mitgemacht machen. Dass Alex aus dem Metal kommt, war kein Problem. Wir hatten vorher ein Gespräch mit ihm und die Sachen selber schon ziemlich gut vorproduziert. Wir hatten sehr konkrete Vorstellungen davon, wie die Scheibe klingen sollte. Wir hatten wirklich das Gefühl, dass er sich darauf einlässt, aus unseren Sachen das Beste herauszuholen. Das fand ich sehr harmonisch.
Gibt es für Euch ein K.O.-Kriterium, das einen Produzenten für Euch ausschließt?
Kirsten: Ein absolutes K.O.-Kriterium wäre, wenn ein Produzent nicht verstehen würde, was wir mit der Musik ausdrücken wollen und versuchen würde, uns einen Stiefel oder eine Art von Sound aufzudrücken. Deshalb haben wir uns auch entschieden, hierher zu gehen, weil wir eben das Gefühl hatten, dass verstanden wird, wo wir soundmäßig hinwollen. Die Platte sollte sich ja schon von der letzten abheben, die vom Sound her etwas ganz anderes war. Wenn wir das Gefühl hätten, jemand nimmt unsere Musik nicht als das ernst, was sie ist, dann würde das überhaupt nicht funktionieren. Rein menschliche Dinge können da natürlich auch immer reinspielen.
War es Euch wichtig, so viele kleine Details, wie etwa die mittelalterlichen Instrumente oder die elektronischen Spielereien, mit einzubauen?
Tim: Das war schon immer Teil der Band. Kirsten hatte im Vorfeld schon viele gute Ideen. Die haben wir dann mitgebracht und die haben gut gefruchtet. Das Verständnis von Alex‘ Seite und seiner Kollegen dafür war auch da, und wir haben uns gut verstanden.
Kirsten: Bereits als die Songs entstanden sind, war das ein wichtiger Bestandteil. Die Details sind wichtig, um die Atmosphäre eines Songs auch richtig auszunutzen. Gerade bei den Gastauftritten von Birgit und Anna [SCHANDMAUL – Anm. d. Red.] waren uns die Instrumente sehr wichtig. Die Ideen dafür standen bereits in elektronischer Form, bis wir die Anregung bekamen, es doch einmal mit authentischen Instrumenten zu versuchen. Und da wir mit SCHANDMAUL schon öfter mal zusammen gespielt haben, lag das auch irgendwie nahe. Beide spielen super und leben ihr Instrument. Die Songs haben mit den Instrumenten einfach gestimmt! Während die Songs entstanden sind, waren diese Details aber schon entscheidend.
Euer letztes Album war bereits ein Konzeptalbum. Wie sieht es mit diesem aus?
Kirsten: Wenn Du es als Konzeptalbum bezeichnen möchtest, dann ja. Eigentlich handelt es sich dabei aber eher um ein Thema als um ein Konzept. Es dreht sich alles um die Liebe. Dabei aber nicht unbedingt hauptsächlich um den negativen oder düsteren, aber um den nachdenklichen Teil der Liebe. Dieses Thema zieht sich durch Texte und Musik und drückt sich emotional sehr stark aus. Es ist wie ein Weg, der begonnen hat: aus der tiefen Depression erlebt man – oder vielmehr ich, wenn man das autobiographisch verstehen will – verschiedene Aspekte der Liebe. Diese Erlebnisse, die bis zur Fertigstellung der Platte geschehen sind, finden sich auf ihr wieder. Ein Stück weit könnte man das Album als eine Art Tagebuch auffassen, das diesen Weg nachzeichnet.
Also fängt Liebe bei dir immer mit Depression an?
Kirsten: (lacht) Nein! Liebe fängt nicht immer gleich an und hört auch nicht immer gleich auf. Es gibt verschiedene Aspekte, die man verschieden charakterisieren kann, zum Beispiel als Depression. Die Einflüsse für dieses Album haben ihren Beginn einfach in einer ganz düsteren, depressiven Phase, die zum Ende hin zu etwas ganz Harmonischem geworden ist. Dieser Werdegang betrifft mich persönlich mit den Texten, und er betrifft die ganze Band. Als das Album entstanden ist, waren Tim und ich die einzigen Überbleibsel der Band. Wir waren mehr oder weniger ganz unten und haben uns gefragt, was nun werden soll. Wir haben uns dann aber zusammengerauft und uns wieder hochgearbeitet. Und das ist symptomatisch für das gesamte Album.
Ist das Thema „Liebe“ dann eher auf die Band bezogen als auf die Geschichte zwischen Männchen und Weibchen?
Kirsten: (lacht) Nee! Wenn man in Metaphern denkt und redet, kann man das schon auf verschiedene Situationen beziehen. Das sind Dinge, die vielleicht nicht nur zwischen zwei Menschen passieren können, sondern vielleicht auch zwischen mehreren Menschen…
Jetzt wird’s interessant! Erklär mal, bitte!
Kirsten: (lacht) Nicht falsch verstehen, bitte! Liebe bedeutet ja nicht gleich immer etwas Sexuelles, sondern ein ganz starkes Gefühl. Von der Grundstimmung her betrifft es die Geschichte der Band genauso wie das Persönliche.
Die Abfolge der Songs auf dem Album bricht aber in der Hinsicht mit dem Aspekt des Autobiographischen, dass Du sagst, bei Dir sei jetzt alles in Ordnung, das Album mit „Dead Love (A Necrology)“ hingegen ziemlich depressiv endet.
Kirsten: Dazu muss man sagen, dass es sich dabei noch nicht um die endgültige Reihenfolge handelt. Wir haben uns noch nicht entschieden, wie die Abfolge sein soll. [im Endeffekt ist es aber bei dieser Reihenfolge geblieben – Anm. d. Red.]
Also müsste der letzte Song derzeit an den Anfang geschoben werden?
Kirsten: Ja, von der zeitlichen Abfolge und auch daher, wann er entstanden ist, schon. „Dead Love“ war einer der ersten Songs, die wir für das Album geschrieben haben.
Trotzdem hat der Song Züge eines klassischen Abschlusssongs: etwas Nachdenkliches, etwas Pathetisches.
Kirsten: Er ist schon etwas verzweifelt, das stimmt.
Tim: Aber es muss ja nicht immer alles der Realität entsprechen, was wir machen. Auch wenn große Teile autobiographischen Charakter haben, muss das nicht zwangsläufig für den Rest der Zuhörer auch so sein. Die textliche Botschaft muss nicht in chronologischer Abfolge geschehen.
Kirsten: Mir ist es ein persönliches Anliegen, dass Musik und Texte berühren und emotional etwas auslösen. Das ist auch das, was mir viel bedeutet, wenn ich Musik von anderen Bands höre. Wenn sie mich berührt, finde ich sie gut. Und genauso geht es mir auch mit Texten. Die Texte sollen eine so bildliche Sprache sprechen, dass sie auch von jemandem empfunden werden können, der nicht genau dieselbe Situation erlebt hat.
Beim letzten Album habt Ihr zunächst das Konzept und die Texte festgelegt und im Anschluss daran die Musik darum herum geschrieben. Wie war es dann dieses mal? Wenn die Texte – wie Du sagst – so eine Relevanz haben, könnt Ihr dann überhaupt mit der Musik beginnen?
Kirsten: Ja, das funktioniert sogar relativ gut. Vor allem dieses mal. Die Entwicklung der Songs war insgesamt sehr harmonisch. Teilweise ist die Musik zuerst entstanden, teilweise die Texte. Es war wie im Fluss, alles hat sich gemeinsam entwickelt.
Tim: Bei vielen Songs bestanden bereits musikalische Grundformen, die ein bestimmtes Gefühl transportiert haben. Und das hat dann einfach gepasst. Mehrheitlich ging das Songwriting aber schon von der textlichen Seite aus, kann man glaub ich sagen.
Kirsten: Das Grundthema „Liebe“ hat schon lange Zeit vorher bestanden. Als wir mit den Aufnahmen zur letzten Platte fertig waren, hatte ich den Titel für die nächste schon im Kopf. Es hat jetzt zwar drei Jahre gedauert, bis die Platte entstanden ist, aber die Idee, über etwas ganz Persönliches zu schreiben und die Musik sehr persönlich werden zu lassen, hat sich schon sehr lange vorher herauskristallisiert. Vielleicht sind deshalb auch sehr viele Dinge mit der Band passiert. Wir haben sehr viel zugelassen, haben uns sehr geöffnet, und das ist für uns wichtig und gut. Und deshalb klingt die Platte wie sie klingt.
Habt Ihr kein Problem damit, so intime Dinge einem so großen Publikum zugänglich zu machen?
Kirsten: Nein, eigentlich nicht. Denn es handelt sich um Gefühle und Situationen, die fast jeder nachempfinden kann. Ich glaube nicht, dass man die verstecken muss. Ich kann so etwas nur verarbeiten, indem ich es nicht verstecke, versuche zurückzuhalten oder zu verdrängen. Deshalb kann man bei diesem Album auch diese ganzen Prozesse nachvollziehen. Von der Verzweiflung und diesem großen Fragezeichen, was eigentlich passiert, über das Akzeptieren der Vergangenheit bis zur Zukunftszugewandtheit. Ich glaube nicht, dass das missbraucht werden kann. Ich denke, wenn man durch diese Lebensphasen durchgegangen ist, und damit abgeschlossen hat, dann kann einem auch nichts mehr passieren.
Das Album ist also eine Art Aufarbeitung? Hat es etwas Reinigendes?
Kirsten: Ja, auf jeden Fall. Die Songs spiegeln genau die Situationen wider, die damals aktuell waren. Und deshalb sind sie auch so stark und für uns so wichtig.
Ändert sich der eigene Sichtwinkel nicht mit der Zeit, sodass manche Songs im Nachhinein doch anders klingen müssten?
Kirsten: Nein, eben nicht. Das habe ich mich auch oft gefragt, als ich an den Texten saß. Tim hat immer wieder gesagt ‚dass Du mir jetzt bloß den Text nicht änderst!‘ (lacht). Ein Lied wie „Dead Love“ würde ich heute vielleicht nicht mehr schreiben. Aber es ist gut, dass es so war.
Tim: So ein Song ist auch immer eine Momentaufnahme eines gewissen zeitlichen Rahmens, der vorne und hinten abgesteckt ist. Und das auf Basis von vier Mitgliedern einer Band zusammen. Dieses Phänomen werden alle Musiker oder Künstler im allgemeinen kennen. Egal, ob sie etwas malen oder was auch immer. Man könnte später immer alles anders machen, aber darum geht es nicht. Man muss diese Phase dann auch mal als abgeschlossen ansehen. Heute würde man das vielleicht anders machen. Vielleicht würden die Songs weniger traurig klingen? Da schließt sich der Kreis mit der Reihenfolge der Songs wieder: es gibt bestimmt zig-tausend Leute, die in diesem Moment in dem Gefühls-Wirrwarr schwimmen, das wir vor einem Jahr hatten. Vielleicht sind wir in einem halben Jahr ja auch wieder dort.
Kirsten: Es kann ja auch sein, dass man selber wieder in eine Situation kommt, von der man denkt, man habe mit ihr abgeschlossen. Das weiß niemand. Das Thema ist jedenfalls eines, das jeder nachvollziehen kann. Was ich vorher schon sagte: fast jeder hat schon einmal in einer ähnlichen Situation gesteckt, und das lässt niemanden kalt. Auch wenn man das manchmal nicht gerne zugibt oder wahrhaben möchte. Es war eben ganz wichtig, diese Musik so umzusetzen, dass man das auch spürt, auch wenn man den Text nicht sofort versteht.
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