Body Count
Hoffnung ist alles, was ich habe

Interview

BODY COUNT sollten neben den Festivals ihr einziges Konzert in Deutschland in Hamburg spielen. Also rechtzeitig Karten besorgt und mit dem Zug von Stuttgart nach Hamburg und direkt zum Club, wo man draußen gerade den Soundcheck hören konnte. Dreißig Minuten später und pünktlich zum Termin wird man nett und höflich vom Gitarristen Ernie C. für das Interview empfangen, einem der letzten beiden verbliebenen Gründungsmitglieder der Band.

Ernie C. vier Stunden später auf der Bühne mit Body Count in Hamburg

Hi Ernie, wie läuft die Tour denn bisher?

Wir haben erst vier Konzerte gespielt, und die waren alle sehr gut. Man sagt immer, dass das vierte Konzert die Tour definiert und bestimmt, wie es läuft. Naja, und das vierte Konzert lief sehr, sehr gut.

Ihr habt aber eine Tour mit vielen verschiedenen Auftritten, Rock am Ring, Rock im Park, gestern eine Clubshow in Amsterdam und heute zwei ausverkaufte Konzerte in Hamburg.

Wir mögen die kleineren Konzerte, damit haben wir schließlich in den Neunzigern begonnen. Die Festivals sind dann das Neue für uns und es macht Spaß. Aber im Club sind deine wahren Fans da und sie gehen richtig ab. Deswegen waren die Konzerte auch so schnell ausverkauft.

Was erwartet ihr denn für heute? Ihr spielt zwei ausverkaufte Konzerte an einem Abend. Habt ihr das schon mal gemacht?

In den Neunzigern, als wir jünger waren, haben wir das schon mal gemacht. Wir als Band haben gerade sehr viel Energie und es macht uns Spaß, Konzerte zu geben, so dass es eigentlich kein Problem sein sollte. Wir spielen das erste Konzert, warten bis sich der Saal geleert hat, bringen wieder Publikum rein und da ja alle Fans wirklich wegen uns da sind, können wir deren Energie gut aufsaugen. Das hat man bei einem großen Festivalpublikum nicht.

Habt ihr eigentlich von der Ticketsituation gehört?
Beide Konzerte sind ausverkauft, wobei das erste schon im Januar angekündigt worden ist und sich innerhalb einer Stunde ausverkauft hat. Das zweite Konzert wurde dann vier Wochen später angekündigt und hat sich innerhalb eines Tages ausverkauft. Am Abend des Tages, an dem das erste Konzert angekündigt worden ist, gingen die Tickets bei ebay für 180€ weg. Das ist das vierfache des ursprünglichen Preises. Also haben sich dann später alle Leute mit Karten für das zweite Konzert eingedeckt um ein Geschäft zu machen. Mittlerweile bekommt man für das zweite Konzert die Karten aber für 10€ hinterhergeworfen. Es ist also überhaupt nicht einzuschätzen was das heute für ein Publikum ist und ob es überhaupt beim zweiten Konzert voll wird.

Es gibt immer Leute, die sich einen Dollar dazuverdienen wollen. Wir spielen die Clubshows eigentlich für unsere wahren Fans und nicht um ordentlich Gewinn einzustreichen. Nur mit den Clubshows verdienen wir eigentlich nicht viel Geld.

Egal ob bei dem zweiten Konzert jetzt niemand da ist, da die Schwarzhändler die Karten nicht losgeworden sind, oder unsere Fans uns mal für 10€ sehen können, wir werden auf jeden Fall da sein. Und wenn keine Fans da sind, werden wir Leute von der Straße einladen um sich das Konzert anzusehen.

Galerie mit 25 Bildern: Body Count - live in Hamburg 2018

Wie tourt ihr denn? Es stehen zwei Busse draußen.

Ja, wir haben zwei Busse. In dem einen sind Ice, seine Frau, sein Baby, einer unsere Manager, meine Freundin und ich. In dem anderen Bus fährt der Rest der Band und die Crew. Sehr komfortabel alles. Ices Sohn möchte nicht mit uns im Bus sein, da er 27 ist. Da möchte man natürlich nicht mit Papa in einem Bus unterwegs sein. Wir reisen jetzt seit 27 Jahren mit der Band durch die Gegend und da möchte man schon einen gewissen Komfort nicht mehr missen.

Body Count 2018 Grosse Freiheit, Hamburg

Ich hab mir die Setlist der drei Festivalshows angeschaut, ihr spielt ja nur zwei neue Songs: „No lives matter“ und das SLAYER-Cover.

Es fühlt sich momentan einfach besser an den Leuten noch Zeit zu geben sich an das neue Material zu gewöhnen. Die Fans lieben einfach das erste Album und sie lieben es mitzusingen, das setzt eine ganz andere Energie frei. Versteh mich nicht falsch, die neuen Songs sind großartig, aber wir müssen uns entscheiden was wir von den sechs Alben innerhalb der Stunde spielen. Ich denke, die Setlist ist schon ganz gut und bei den längeren Konzerten wie heute, da spielen wir auch noch einen anderen neuen Song.

Ihr habt die Tour schließlich mit „Bloodlust European Tour“ betitelt und die Kritiken zu dem Album waren durchgehend gut. Das beste BODY COUNT Album bisher und ihr spielt nur zwei Songs.

„Black Hoodie“ war auch für den Grammy nominiert und den Song spielen wir auch nicht. Allerdings müssen wir auch etwas an Ices Stimme denken, da wir 30 Konzerte spielen und er durchhalten muss. Da sind die neuen Songs anspruchsvoller und das müssen wir auch berücksichtigen.

Wenn ich mir eure Diskographie mit den sechs Alben anschaue, so gehören für mich immer zwei Alben zusammen.

Das ist interessant, mit dem Konzept kam noch niemand. Bei den beiden letzten und den beiden ersten Alben stimm ich dir auf jeden Falls zu. Bei den beiden in der Mitte ist es schwierig, die Bandmitglieder haben oft gewechselt und Leute sind gestorben. Bei den ersten und bei den beiden letzten Alben, hatten wir jeweils das gleiche Personal. Vielleicht zerstören wir ja jetzt aber bald das Konzept und bekommen mit dem Line Up noch ein drittes Album fertig. Es ist wie beim ersten Line Up, alle Musiker verstehen sich und es gibt keinen Ärger.

Wusstest du, dass man „Murder 4 Hire“ in Deutschland gar nicht mehr kaufen kann? Es gibt über Amazon noch einen MP3-Download, aber als CD bekommt man das Album nicht mehr. Und sogar auf den illegalen Plattformen ist das Album sehr selten.

Das wusste ich nicht. Wir haben das Album damals über Escapi Music veröffentlicht und das Label ist irgendwann einfach verschwunden und das Album ist wohl mit verschwunden. Nicht nur für die Kunden, auch für uns waren sie plötzlich weg. Sehr zwielichtige Gestalten waren das.

Um nochmal auf die Konzept mit den zwei Alben zurückzukommen. Versteh mich nicht falsch, ich liebe die ersten beiden Alben, aber sie hören sich eher an wie eine Ansammlung guter Songs und nicht wie Alben. Das hat sich jetzt mit „Manslaughter“ und ganz besonders bei „Bloodlust“ geändert. Das Album wirkt am besten wenn man es sich am Stück anhört, es gibt eine Klimax und es erzeugt Atmosphäre. Was hat sich bei euch als Band geändert, denn gute Songwriter wart ihr schon immer?

Wir sind älter geworden und haben uns mehr konzentriert. Aber wir sind immer noch die gleiche Band, die über die gleichen Themen singt, nur dieses mal etwas besser produziert. Da muss man auch mal Will Putney als Produzenten erwähnen, der uns einen sehr guten Sound verpasst hat.

Die ersten beiden Alben sind Punk Rock und so wollten wir sie auch haben. Wir kamen aus South Central Los Angeles und konnten uns doch nicht zu glatt anhören. Wir konnten doch nicht so überproduziert wie GUNS ‚N ROSES klingen, das hätte uns doch niemand abgenommen. Aber jetzt nach mehr als 25 Jahren sollten wir genauso klingen, wie wir momentan klingen. Wir müssen es sogar um die Reife der Band zu unterstreichen.

Body Count 2018 Grosse Freiheit, Hamburg

Und was hat sich beim Songwriting geändert? Bei der ersten CD hast du noch viel alleine geschrieben und Ice hat die Texte beigesteuert. Wie sieht es denn jetzt aus?

Wir hatten auch viele externe Unterstützung, Max Cavalera [SOULFLY] hat bei „All love is lost“ mitgearbeitet, Dave Mustaine [MEGADETH] bei „Civil War“. Wir machen das jetzt schon so lange und haben so viele Freunde, die mal irgendwann auf unseren Alben auftauchen wollen. Mit Randy Blythe [LAMB OF GOD]bin ich befreundet und ich hab ihn gefragt und er hatte auch gleich eine Idee zu „Walk with me“. Das hat einfach Spaß gemacht und ich will das noch ausbauen. Im Hinterkopf habe ich schon Duff McKagan [GUNS ‚N ROSES], mit dem ich seit Ewigkeiten befreundet bin und darum geht es doch in der Musik, um Freundschaft und Liebe.

Also reden wir über ein neues Album im nächsten Jahr?

Hoffentlich. „Carnivore“ ist die erste Idee für den Titel. Wir hatten uns im Mai zusammengesetzt und werden das auch nach der Tour machen um Ideen zusammenzutragen. In dieser Zusammensetzung haben wir Spaß daran Musik zu schreiben, wir mögen uns und es gibt keine übergroßen Egos in der Band. Alle diese Sachen, die Bands entzweien, gibt es bei uns nicht. Bei uns reißt sogar ein Kleinkind mit. We got a baby on bus. (lacht)

Gab es nicht mal den Song „Baby on bus“?

This is „Bitch in the pit“! „Bitch in the pit“ and „Baby on bus“. This is funny.

In meinen Augen ist „Bloodlust“ auch das politischste Album. Ihr habt „All lives matter“ auch gleich als erste Single ausgewählt und die Songs drehen sich alle um die Themen Systemkritik, soziale Ungerechtigkeit, Polizeibrutalität und Rassismus. Al Jourgesen von MINISTRY hat mal in einem Interview gesagt, dass er nur gute Musik schreiben kann wenn ein Bush Präsident ist.

Und nun ist es Trump. Das hat natürlich Einfluss auf uns und auch auf das komplette Land. Ich wünschte mir aber noch mehr Musiker würden politische Songs schreiben. In den 60ern war es so und Anfang der 90er, als wir begonnen haben, gab es z.B. RAGE AGAINST THE MACHINE. Jetzt werden nur noch Alles-ist-okay-Songs geschrieben und wir wollten da ein wenig Spannung reinbringen, denn nichts ist ok. Es ist schlimmer als jemals zuvor. Wenn ihn nicht mal die deutsche Kanzlerin mag, muss was nicht stimmen.

Wir haben diese Thematik mit den rechts gerichteten Politikern ja nicht nur in den USA, in Europa und in anderen Ländern taucht die ja auch auf.

Wir entwickeln uns zurück und haben einen dieser Typen ja sogar gewählt. Unglaublich, wie sind wir wieder zu diesem Punkt gekommen?

Und Rassismus tritt auch überall offen zu Tage.

Seit der ersten CD sprechen wir über dieses Thema, seit 26 Jahren, und es wird immer schlimmer.

Die Band ist populär wie nie, wir schreiben dieselben Songs und reden über die gleichen Themen.

Hast du noch Hoffnung?

Hoffnung ist alles was ich habe. Hoffentlich wird die nächste Generation da nicht mehr von betroffen sein.

Vor 26 Jahren war es aber schon eine andere Generation und jetzt ist es nur noch schlimmer geworden.

Na dann vielleicht die nächste Generation.

Habt ihr eigentlich bei der Bandgründung mal darüber nachgedacht wie das Publikum sein wird? Bei Ice-T Auftritten in Los Angeles werden doch mehrheitlich schwarze Leute anzutreffen sein und bei BODY COUNT sind es fast nur Weiße.

Darüber haben wir nie nachgedacht, ich spiele Rockgitarre und habe mich nicht damit beschäftigt wie das Publikum vielleicht sein könnte. Wer immer sich für meine Musik interessiert, ist mein Publikum. Es gibt ja auch keine Formel, wenn man diese Musik spielt, wird das Publikum so aussehen. Unsere ersten Konzerte waren mit JANE’S ADDICTION und dann mit D.R.I., das Publikum hat uns also entdeckt und nicht wir das Publikum. Wir wussten auch zu Beginn gar nicht mit wem wir touren könnten, D.R.I. waren genauso im Gespräch wie GUNS ‚N ROSES.

Body Count 2018 Grosse Freiheit, Hamburg

Möchtest du eigentlich mit deiner Musik was erreichen oder spielst du Musik um Musik zu spielen?

Wir schreiben in BODY COUNT Texte darüber wo wir herkommen und was in L.A. Passiert. Ich hatte auch mal eine andere Band und da haben sich die gleichen Themen ergeben. Ich kann nun mal keine Songs wie die BEACH BOYS schreiben. Davon habe ich keine Ahnung, ich schreibe darüber wovon ich Ahnung habe.

Die Zeile „The ghetto is not black, the ghetto is poor“ stammt vom neuen Album und ich habe die Aussage von euch zum ersten Mal gehört. Hat es 26 Jahre gebraucht zu der Einsicht zu gelangen?

Wir haben das schon immer gewußt.

Ihr habt es aber als erste ausgesprochen.

Weil wir in der Position dafür sind. Viele Musiker trauen sich nicht ihre Meinung auszusprechen und schreiben ihre Texte einfach zu politisch korrekt. Wir schreiben einfach darüber was wir fühlen und denken.

Kritisiert ihr auch das amerikanische System?

Natürlich. Jeder unserer Sätze ist eine Kritik daran. Die USA sind eine tolle Immobilie, wenn nicht der Besitzer, also die Regierung oder der Präsident, nicht wäre.

In den letzten Jahren kamen immer mehr Alben und Songs auf wie „Fuck the american dream„, „The american dream died“ usw.

Guckt man sich die Nachrichten an, geht es momentan immer über Schießereien von und mit der Polizei und Schießereien an Schulen. Viele Leute wollen Waffen, viele Leute wollen keine Waffen. Einfach ein verrücktes Thema, aus welchen Gründen auch immer. In der Verfassung steht nämlich drin, dass man das Recht hat sich mit einer AK-47 zu verteidigen. (lacht)

Für uns Europäer ist es noch viel verrückter, denn für uns ist es so offensichtlich, dass der freie Zugang zu Waffen einer der Hauptgründe für die Schießereien ist. Bei uns gab es das ja auch an Schulen, aber vielleicht alle paar Jahre mal.

Bei uns müssen sich dafür fast täglich Kinder unter ihren Tischen verstecken und es gibt bewaffnete Security an Schulen. Das ist wie im Kriegsfall. Jeder kann sich ohne Background-Check mit 18 Jahren Waffen zulegen.

Du bist ein vernünftiger Typ, wir sind beide vernünftige Männer, aber wenn das Gespräch unter vernünftigen Leuten auf das Thema Waffen kommt, wird es sofort polarisierend und ganz vernünftige Typen bestehen auf ihr Recht Waffen besitzen zu dürfen. Ich versteh diese Begründungen einfach nicht.

Spielt die generelle Angst vor der Polizei da auch mit rein? Niemand verlässt sich auf die Polizei, sondern versucht sich mit seinen Waffen selbst zu beschützen.

Die Waffen waren mal so gemeint, dass man sich damit vor einer bewaffneten Person schützen konnte. Es basiert alles auf Angst, besonders die Weißen haben Angst, dass ihnen die Schwarzen, die Mexikaner oder sonstwer was wegnehmen könnte. Als würden die Schwarzen in ihre Häuser wie Zombies einfallen.

Ich habe schon vor Jahren mit dem Trinken aufgehört und auch mein Alkoholkonsum basierte auf Angst. Ich will nicht mehr in Angst leben, fuck that.

Du hast es vorhin schon kurz erwähnt, es wird ein neues Album kommen. Was können wir erwarten oder ist es einfach noch zu früh darüber zu reden?

Es ist noch zu früh, aber ich will mehr Gitarre spielen. Wir hatten auf „Bloodlust“ ja auch einen instrumentalen Song bis Ice Lyrics geschrieben hat und er jetzt „God, please believe me“ heißt. Ich werd mal wieder versuchen ein instrumentales Stück auf das Album zu bekommen, mal sehen was daraus wird.

Nächste Woche hast du Geburtstag und wirst 59 Jahre alt. Außerdem spielst du seit über 35 Jahren Musik. Was ist dein Ratschlag an jemanden, der anfangen möchte Musik zu machen?

Du kannst nur dich selbst kontrollieren, alles andere passiert einfach. Das wichtigste ist es also zu üben. Disziplin und Übung, nur damit kommst du weiter. Setz dich zehn oder zwölf Stunden am Tag hin und übe, da gibt es keine Abkürzung. Ich lerne auch noch immer dazu indem ich mir z.B. Videos bei YouTube anschaue und versuche das nachzuspielen. Der Blues ist die Basis von allem, ich kann sowohl Jimmy Page als auch Jeff Beck als Gitarrenlehrer haben, all diese Oldschool-Typen. Ich schau mir aber auch die neueren Sachen wie Yngwie Malmsteen und Steve Vai an, all die coolen Leute. Hör dir einfach so viele Gitarristen wie möglich an: Pat Metheny, George Benson. Hör dir einfach alles an und dann entdecke deinen eigenen Stil.

Da ich früher mal Radio gemacht habe und die Interviewpartner sich am Ende des Interviews immer ein Lied für die Sendung wünschen durften, will ich diese Tradition jetzt auch beibehalten. Hast du eine Empfehlung für unsere Leser?

Ich könnte was ganz abstraktes wählen, aber die Fans möchten immer gerne was kommerzielleres hören wie JUDAS PRIEST oder LED ZEPPELIN. Das ist schwierig. Lass uns was von RETURN TO FOREVER mit Stanley Clarke, Chick Corea, Lenny White und Al Di Meola nehmen. „Romantic Warrior“ ist das Album und „Majestic Dance“ der Song.

Quelle: Interview mit Ernie C. am 05.05.2018
13.06.2018
Exit mobile version