Callejon
"Jedes neue Album ist eine Bereicherung des Gesamtkosmos."

Interview

CALLEJON gibt es schon 20 Jahre. Wahnsinn, da fühlen sich alle, die die Band damals zu Zeiten von „Willkommen im Beerdigungscafé“ oder „Zombieactionhauptquartier“ als Jugendliche gefeiert haben direkt ein Stück älter. Neben dem runden Geburtstag steht im Hause CALLEJONs aber auch ein neues Album an und wir haben mit einem gut aufgelegten BastiBasti darüber geplaudert, wie es überhaupt dazu kam, was die Hintergründe sind und natürlich auch, wie es mit CALLEJON weiter geht.

Hi Basti, wie geht’s?

Gut, ich krieg‘ direkt einen Hustenanfall (hustet stark). Habe an einem zu heißen Kaffee getrunken, jetzt dürfte es gehen mit verbrannter Speiseröhre.

Na dann ist ja gut. Nun erzähle doch mal, 20 Jahre CALLEJON, wie fühlt sich das an?

Es ist ja nun schon fast ein ganzes Jahr 20 Jahre, aber nee, das ist total krass. Als wir letztes Jahr überlegt haben, dass wir das Zwanzigjährige haben, ist es uns dann wie Schuppen von den Augen gefallen, wie alt wir doch tatsächlich sind. Es fühlt sich nicht so an, als wären es tatsächlich 20 Jahre. Wenn das da so steht, dann erschlägt es einen, aber gefühlt ist es so, als wäre die Zeit ein bisschen verflogen, weil man die ganze Zeit immer dran gearbeitet hat und nie eine Pause gemacht hat. Von daher fühlt es sich gut an, man ist mehr überrascht, dass es schon 20 Jahre sind. So wie alte Leute halt reden: „Wo ist die Zeit geblieben?“ (lacht).

Vor zwei Jahren habe ich mit Bernie zu „Metropolis“ gesprochen und damals stand ja die Ästhetik von dem gleichnamigen Film ein wenig Pate für das Album. Habt ihr euch für „Eternia“ wieder ein Vorbild gesucht oder ist das eure eigene Gedankenwelt?

Der Look von „Metropolis“ hat nicht so richtig Pate gestanden, weil wir ja schon eine eigene Welt aufgebaut haben. Wir haben das Konzept dieser Stadt als Projektionsfläche genutzt und darauf etwas eigenes gebaut.

Mit „Eternia“ ist es ein bisschen anders. Wir wollten etwas zum Zwanzigjährigen machen, aber es sollte ursprünglich eigentlich kein Album werden, weil „Metropolis“ gerade erst draußen war. Durch diese ganze Coronazeit haben wir gehofft, die Tour zu „Metropolis“ noch spielen zu können, was letztlich nicht passiert ist.

Wir haben uns eigentlich nur gedacht, dass wir gerne eine EP machen wollen mit „Masters Of The Universe“-Konzept. Wir haben 2006 damals mit „Snake Mountain“ unseren ersten kleinen „Hit“ veröffentlicht, das war ja so eine Art Party-/Nonsens-Track. Das Konzept begleitet uns ja auch als Helden unserer Kindheit und wir wollten das als keines Fangeschenk handhaben.

Als wir dann angefangen haben zu schreiben, ging das Ding in eine komplett andere Richtung und bekam ein Eigenleben, welches dann dazu führte, dass einige der Songs nun gar nichts mehr mit „Masters Of The Universe“ zu tun haben, sondern mit unserer kompletten Geschichte. Es war viel größer als das. Wir haben dann schnell gesagt, dass wir da ein Album draus machen. Das ergibt nur Sinn, weil das viel größer wird als nur „mal eben“ die EP zu veröffentlichen.

„Eternia“ war damals der Arbeitstitel von der EP, denn Eternia ist ja die Welt in der die „Masters Of The Universe“ leben und tatsächlich ist der Name geblieben. „Eternia“ ist sowieso ein wunderschöner Name, aber er passt auch sehr gut zu diesem Album, weil es aus dem Lateinischen „Eternitas“ (Ewigkeit) abgeleitet ist. Um solche Themen wie Leben, Sterben, Wandel, Übergang geht es, all das sind Elemente auf dem Album.

Spannend, dass du das erzählst. Als ich mir den YouTube-Visualizer zu „Sternenstaub“ angeguckt habe, fühlte ich mich direkt an die Optik und das Gefühl von „Snake Mountain“ erinnert. Da war meine Grundassoziation ja gar nicht so falsch.

Genau, der Track fällt ja sowieso ein bisschen aus der Reihe, also haben wir da auch bei der Optik so… Heavy Metal!

Heavy Metal ist ohnehin immer die beste Antwort auf alles! Hat die Auseinandersetzung mit der „Retrospektive“ denn auch Einfluss darauf genommen, wie ihr euch musikalisch hier entwickelt habt?

Ich würde mal sagen, nicht so richtig, weil es musikalisch eine Weiterführung des „Metropolis“-Album ist. Das letzte, richtige CALLEJON-Album vor „Metropolis“ war ja „Fandigo“ und dazwischen gibt es ja musikalisch gesehen eine Veränderung. Bei „Eternia“ habe ich das Gefühl, dass wir unseren Sound, das was wirklich CALLEJON ist, gefunden haben. Man erkennt CALLEJON recht schnell, auch bei den alten Sachen, aber bei vielen Dingen waren wir am Rand von dem, was Metal, was Rock, was Alternative so macht unterwegs.

Auf „Eternia“ passen alle Welten, die wir je besucht haben, am wunderbarsten zusammen. Für den, der „Metropolis“ hört, mag es keinen eklatanten Unterschied machen, aber rückwirkend betrachtend fällt es auf, dass wir Elemente und Bausteine aus der „Fandigo“-Zeit genommen haben, auch aus der Zeit von „Zombieactionhauptquartier“. Diese Elemente greifen auf „Eternia“ ineinander ohne, dass es anstrengend war.

Die „Retrospektive“ hat insofern darauf Einfluss genommen, dass wir den Kram auch wieder mal gehört haben. Bis wir uns damit beschäftigt haben, habe ich das Album „Willkommen im Beerdigungscafé“ das letzte Mal vor sieben, acht Jahren gehört. Man hört ja nicht ständig nur seine eigene Musik und je älter etwas ist, desto seltener hört man es. Wenn, dann höre ich eher die neueren Sachen, weil es näher an einem dran ist.

Bei Leuten, die etwas ganz Spezielles mit einem Song verbinden, ist es natürlich anders. Wenn man Musik auf die Welt loslässt, dann gehört sie ja ohnehin allen irgendwie.

Klar, für Fans ist das eine Album der absolute Klassiker, an dem sich alles messen muss und du bist ständig dabei, neue Musik zu kreieren und das alte Album ist dann eben dein Status Quo von damals. Da stecken wir als Hörer ja nicht drin.

Genau. Manchmal entwickeln sich Alben im Nachhinein noch so krass, wenn man zum Beispiel mal „Fandigo“ nimmt. Wenn ich mit Fans jetzt drüber rede, sehen sie das Album ganz anders als es damals rausgekommen ist. Da war es vielleicht etwas schockierend, weil man als Band ja auch so etwas wie eine Marke ist. Und wenn etwas dann ganz neu und ungewohnt ist, dann schmeckt es erstmal nicht. Man braucht dann erst einmal Zeit und Abstand oder ein Album dazwischen.

Ich muss aber auch sagen, ich finde jedes unserer Alben gut. „Zombieactionhauptquartier“ ist ein Kind seiner Zeit, das darf auch nur so klingen wie es halt eben klingt. Aber irgendwie weiß ich gar nicht mehr worauf ich eigentlich hinaus will, ich brabbel hier so vor mich hin.

Ich bin auch ein wenig in der Nostalgie versunken, aber wir waren bei dem Einfluss der „Retrospektive“ auf „Eternia“.

Ja, also alles was wir gemacht haben, hat das weitere Wirken von CALLEJON geprägt. Ich zitiere auch gerne alte Textpassagen, um auf neue Sachen aufmerksam zu machen. CALLEJON ist so eine Band, wo es ein allgemeines World-Building an sich gibt. Das hat damals angefangen und wird bis heute durchgezogen und jedes neue Album ist eine weitere Bereicherung des Gesamtkosmos. Das habe ich damals schon so gesehen, aber nun wir der Kosmos hat schön voll und das ist wunderbar. Es fühlt sich an wie ein Gesamtwerk, weißt du was ich meine?

Ja, ich denke da auch an das Blitzkreuz in der Box. Da mag man sich fragen, was das mit dem neuen Album zu tun hat, aber es hat sich vom Albumtitel und Song zu einem Bandlogo entwickelt.

Genau, das Blitzkreuz war ja sogar auf der „Videodrom“ schon auf dem Cover drauf, aber es ist wie du sagst. Es bilden sich im Laufe der Jahre ganz eigene Artefakte und Inhalte.

Das stimmt. Noch ein Trademark von CALLEJON ist, wie ich finde, dass es immer einen Songtitel in der Tracklist gibt, der einen stutzig macht. Sei es „Porn From Spain“, „Sommer, Liebe, Kokain“ oder „Gottficker“. Dieses Mal ist es der „Emokeller“, wo kommt der her?

Das ist auch eine geile Geschichte. Ich beschreibe das Gefühl aus den Anfangszeiten vom Musik machen, von dieser inneren Unruhe, von unserer Sturm & Drang Zeit. Es ist ein Wink mit dem Zaunpfahl auf die „Willkommen im Beerdigungscafé“-Zeit, als wir für gar keine Gage an jeder Steckdose gespielt haben, in besetzten Häusern, autonomen Zentren und so weiter.

Der Name kommt von einem kleinen Club in Essen, der hieß Emokeller, da haben wir ein paar Mal gespielt. Das mit „Emo“ war damals ja eine neue, vorherrschende Facette vom Hardcore gewesen. Aber das „Emo“ hier war nur eine Abkürzung für „Evangelisches Miteinander … irgendwas“, es war einfach ein ziemlich runtergerockter Keller von so einer Kirchengemeinde, wo Leute Konzerte organisieren konnten.

Damals gab es die Rappelkisten-Crew, die haben Hardcore-Konzerte organisiert. Ich bin da auch als Musikhörer hingegangen und wir haben da selber vier Mal gespielt in unseren Anfängen. Der Name ist immer in meinem Kopf, wenn ich an unsere Anfänge, an dieses naive Grundgefühl denke, aber auch schon an die damals vorhandene Schwere von allem so.

Ja, das ist „Emokeller“, der Song. Also unabhängig von der coolen Doppeldeutigkeit des Titels. Aber es ist lustig, nach dem Song werde ich total viel gefragt und mir war das gar nicht so bewusst, dass der so verwirren kann, aber es ist eine coole Fügung der Sache.

Da du ja auch für die visuelle Abteilung des neuen Albums zuständig bist, wie rum passiert es denn da? Schreibst du einen Song und hast dann ein Bild dazu im Kopf oder andersrum?

Eigentlich ist es so, dass es Hand in Hand geht. Am Anfang, wenn etwas Musik steht, also so ein Song und eine Skizze und zwei, drei grobe Textideen, dann schaue ich, wie sich das anfühlt. Was kann das sein und entwickle eine Art Konzept, aus dem sich dann das Artwork, die Musikvideos und die Welt, ich sage wieder World-Building, entwickelt. Das entwickelt sich im Fluss, alles zusammen.

Ich hatte es noch nie, dass es erst das eine und das andere gab. Das hat sich immer zusammen entwickelt. Außer bei den Coversongs, das ist ja ein ganz anderes Projekt. CALLEJON hat eine Spaß- und Partyseite an sich, denn alles muss Unterhaltungswert haben und kann nicht nur komplett destruktiv sein. Das Partytum des CALLEJON mit K ist nur ein ganz kleiner Teil, der in uns wohnt. Deswegen haben wir das damals ja so klar getrennt, da geht es dann nur darum.

Ich wollte nur sagen, bei CALLEJON mit K läuft es konzeptuell einfacher. Man hat ein Coveralbum und dazu überlege ich mir dann ein visuelles Grundkonzept. Das kann nacheinander, nebeneinander oder voreinander passieren. bei einem normalen CALLEJON-Album ist immer alles ineinander verwoben, da kannst du das nicht trennen.

Wo wir bei den Coveralben sind: ihr habt nun Pop und Rap abgedeckt, wann kommt das Album mit deutschem Schlager? Müssen das Song sein, die ihr irgendwie selbst feiert oder können CALLEJON auch Andrea Berg covern?

Falls der Moment kommen sollte, dass uns das packt, weil das so absurd ist, dann ist das auch okay. Wenn wir etwas covern, dann wird aus dem Song ja auch etwas anderes. Was wir immer wollten ist, dass die Leute einen Song, den sie vielleicht sogar hassen, in unserer Version aber gut finden. Ich finde, das ist ein ganz spannendes Musikexperiment. Das wichtigste dabei ist Party und Unterhaltung an der Stelle.

Ich persönlich finde „Was du Liebe nennst“ überhaupt nicht gut. Innerhalb der Sache wollten wir aber ausprobieren, was daraus werden kann, wenn wir den Song ummünzen. Und auf einmal hat uns der Song total Spaß gemacht. Ich muss Dinge nicht von Anfang an total gut finden, damit sie im CALLEJON-mit-K-Kosmos total Sinn ergeben.

Das klingt jetzt ein bisschen lehrermäßig, aber so eine Grenzenlosigkeit von Musik wird dadurch aufgezeigt und es führt das Genredenken ad absurdum. Es ist einfach sehr spannend, so als Gedanke zum Meditieren. Man muss da auch gar nicht zu einem Punkt kommen. Es ist immer spannend, wenn man Dinge zusammen mixt. Am Ende kann es eine totale Verballhornung sein, man sollte nicht alles so bierernst nehmen, außer die Sachen, die halt bierernst sind.

Das stimmt aber, ich finde das Original von „Palmen aus Plastik“ bis heute schlecht, aber euer Cover ist großartig. Ich freue mich dann schon einmal auf eure Version von „Atemlos“…

Boah, das geht gar nicht. Das Schlimme ist, es ist ja irgendwo naheliegend (lacht).

Um mal wieder auf „Eternia“ zu kommen, sprechen wir mal über das Touren. Es steht ja nun erst einmal das Jubiläumskonzert an, die „Metropolis“-Tour wurde abgesagt, wie sieht eure Lust dazu für die kommende Zeit aus?

Ja, da wird was kommen. Bei Bands, die davon leben, die keine großen Nebenjobs haben, da muss das dann auch laufen. Während Corona war dann zwei Jahre einfach nichts. Das bisschen, was dann an Festivals ging, war auch nicht viel.

Wir haben auf jeden Fall ziemlich Bock und wir werden auch eine neue Tour im neuen Jahr spielen. Allgemein müssen sich sowohl die Bands als auch die Zuschauer auf andere Zeiten einstellen. Das müssen wir eh alle auf jeden Fall, Dinge werden anders laufen als sie es bisher taten.

Ich kann das auch verstehen, wie sich Leute verhalten, was Ticketkäufe angeht. Wir haben die Tour mehrfach verschoben und dann abgesagt, da sind manche dann vielleicht nicht nur enttäuscht, sondern auch sauer. Für uns ist das natürlich mindestens genau so frustrierend. Mal sehen, wie sich diese Welt gerade so entwickelt, es sieht ja gerade alles ziemlich „Eternia“-mäßig aus. Ich gehe davon aus, dass sich es insofern einpegeln wird, dass die Leute Bock auf Musik haben und im Vorfeld mehr Tickets kaufen.

Deswegen sagen Bands Tourneen ab, weil sie keine Planungssicherheit haben, weil sie zu wenig Tickets im Vorverkauf abgesetzt haben. Das war ja mal anders, ich kann mich sogar noch an Zeiten erinnern, wo kaum Tickets im Vorverkauf abgesetzt wurden und es nur Abendkasse gab. Wenn das das neue Ding wieder wird, dann braucht es nur Zeit, sich zu etablieren und zu entwickeln. Ich hoffe nur, dass bis dahin keine Bands auf der Strecke bleiben.

Wir selber mussten ja auch bei der Jubiläumsshow downsizen, von einer 6000-Leute-Venue zu einer 2500-Leute-Venue und das ist halt immer noch voll gut. Da wird sich auch keiner dran stören, denke ich.

Ich freue mich dann schon einmal auf die kommende Tour und nun erst einmal auf den Release von „Eternia“, wie ihr ja wahrscheinlich auch.

Voll, wir haben da ja zwei Jahre dran gearbeitet und wenn das Ding dann endlich fertig ist, das ja durch alle möglichen Höhen und Tiefen gegangen ist, dann ist es einfach fertig und man ist froh, dass dieses Wunschkind, das auch eine Art Dämon ist, einen endlich verlässt. Dann denkt man nicht mehr viel drüber nach, sondern ist einfach froh und glücklich.

Quelle: Telefongespräch mit BastiBasti
03.11.2022

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

Exit mobile version