Fit For An Autopsy
"Ein guter Song kann alles verändern."

Interview

FIT FOR AN AUTOPSY mutieren auch auf „The Great Collapse“ nicht zur harmoniespendenden Deathcore-Band mit Blick auf den Mainstream. Die Prognose ist weiterhin schlecht. Dazu sind ihre Themen auch zu düster, der musikalische Rahmen zu hart und die Texte zu schonungslos. Was das Album ausmacht, sind kein brachialen Breakdowns oder kalkulierte und live gut zündbare Eskalationen. Es ist das perfekte Zusammenspiel von Musik und Inhalt. Es sind die Texte, die jeden einzelnen von uns in die Verantwortung nehmen und niemanden kalt lassen sollten. Und es ist die traurige Gewissheit, dass FIT FOR AN AUTOPSY noch nicht mal übertreiben, sondern lediglich nüchtern die Realität beschreiben. Wir befragten Gitarrist Patrick Sheridan und Gitarrist / Produzent Will Putney vor einigen Wochen zum aktuellen Album „The Great Collapse“ und führten ein Gespräch mit zwei Musikern, deren Gemüt ganz im Gegensatz zur Stimmung auf dem Album steht.

Patrick, wie lief denn dein Tag bisher?

Patrick Sheridan: Nicht schlecht, danke der Nachfrage. Die Tour mit AFTER THE BURIAL ist ja schon zur Hälfte durch und bis jetzt läuft alles richtig gut.

Ihr werdet euer neues Album „The Great Collapse“ in einigen Tagen veröffentlichen, wir fühlt man sich so kurz vor einer Veröffentlichung?

Patrick: Joa, die Resonanzen waren bis jetzt sehr positiv, von daher bin ich dementsprechend in guter Stimmung.

Sobald die Platte herausgekommen ist, werdet ihr natürlich noch viel mehr Rückmeldungen von Magazinen und Fans bekommen. Analysierst du sowas detailliert, scannst du es nur oder ignorierst es sogar?

Patrick: Wenn wir etwas darüber erfahren können, was die Leute mit unserer Musik oder bei unseren Liveshows empfinden, dann lesen wir das schon. Das ist der beste Weg, um herauszufinden, ob es funktioniert. Das wird uns ganz sicher nicht vom eingeschlagenen Pfad abbringen, ist aber durchaus gut zu wissen.

Der letzte Song auf dem letzten Album war „Swing The Axe“ und meiner Meinung nach, knüpft „The Great Collapse“ atmosphärisch genau dort an. Wann habt ihr angefangen die neuen Songs zu schreiben und wie viel Schwingungen vom vorherigen Album stecken da noch drin?

Patrick: Wir hatten schon eine Menge Szenen oder Anfänge von Songs, direkt nachdem „Absolute Hope, Absolute Hell“ fertig war. Einiges davon lief somit in den Schreib- und Schaffensprozess für die neue Platte rein, die Schwingungen wurden also auf jeden Fall mitgenommen. Das ist bei uns eigentlich immer so, dass irgendwas vom Vorgänger in dem nächsten Album steckt.

Was genau bedeutet der Albumtitel „The Great Collapse“, was wird sicher oder ist bereits zusammengebrochen?

Patrick: Dahinter steckt die Idee davon, wer wird sind und was wir sozial und politisch, auf die globale Richterskala bezogen, erreicht haben. Alles fällt auseinander, das Album befasst sich mit der Reflexion der einzelnen Aspekte.

Unter dem Video zum Song „Heads Will Hang“ fanden sich einige Kommentare von Usern, die Einflüsse von GOJIRA zu hören meinten. Würdest du da zustimmen Patrick, hat die Band euch inspiriert? Wahrscheinlich rührt das auch daher, dass euer Drummer genauso eine Maschine ist wie Mario von GOJIRA, das war zumindest meine Assoziation.

Patrick: Wir sind alle Fans von GOJIRA und das ist ein schmeichelhafter Vergleich. Ich bin mir sicher, dass Josean es lieben wird, mit Mario verglichen zu werden und ja … er ist eine Maschine.

Einer meiner Favoriten ist „Iron Moon“, ein guter, harter, rhythmischer Song, da hat noch jemand mitgesungen, oder?

Patrick: Ja, Kevin von ION DISSONANCE unterstützt uns da.

Und hast du selbst einen Favoriten vom Album?

Patrick: Im Moment sind es bei mir „Black Mammoth“ und auch „Iron Moon“, aber das ändert sich quasi täglich.

Würdest du eure Musik weiterhin als Deathcore bezeichnen oder kümmerst du dich generell nicht um Genres?

Patrick: Um so ein Zeug kümmern wir uns nicht, wir wollen einfach coole Musik machen. Ich denke unsere Fans fingen an die Idee, das wir nicht wirklich in eine Schublade passen, zu mögen.

Mal abgesehen vom hohen musikalischen Level, habt ihr diesmal ein paar heftige lyrische Punchlines auf „The Great Collapse“, wer schreibt eure Texte?

Will Putney: Danke! Ich habe die Texte für die neue Platte geschrieben.

Eine der Zeilen lautet „I never wanted to live in a world that will kill me, I never wanted a father who would not forgive me“. Beinhaltet das den Glauben an eine höhere Macht wie Gott, der uns noch helfen kann, wenn die Menschheit selbst versagt? Und das die aktuelle Situation auch sowas wie eine Strafe des Schöpfers bedeutet?

Will: Damit hast du den Nagel auf den Kopf getroffen. Es geht auch um Verweigerung, darum dass du dich an eine Welt anpassen muss, die dich eigentlich ständig nur dazu verführen will zu sündigen.

Es gibt schon immer eine große Diskussion über Bands und deren Bezug zu Politik: Sollen Bands politisch sein oder ist jede Band politisch, egal ob sie es will oder nicht? Was ist deine Meinung dazu, beeinflusst dich die aktuelle amerikanische Politik darin, was du für FIT FOR AN AUTOPSY tust?

Will: Ich denke, dass Bands auf jeden Fall ihre Plattform nutzen sollten, um auszudrücken, was ihnen wichtig ist. Das ist zumindest was wir tun, obwohl ich mich nicht gerade so fühle, dass es für alle empfehlenswert ist das nachzuempfinden. Wir werden alle unterschiedlich inspiriert, von dem was um uns herum passiert. Wir sind eine aggressive Band und unsere Motivation in diesem Stil Musik zu machen, kommt letztendlich einfach aus der Gesellschaft, in der wir leben.

Patrick Sheridan und Will Putney von FIT FOR AN AUTOPSY, © B. Bates

Eine andere Zeile lautet „Who the fuck are you when no one is watching?“ … scheint eigentlich ein ganz simpler Satz zu sein, den ich aber für sehr wichtig halte. Viele Leute denken und handeln vollkommen entgegengesetzt zu dem, was sie in der Öffentlichkeit äußern. Es ist eben nicht cool ein Rassist zu sein, andere auszuschließen, selbstsüchtig zu sein … Aber die meisten Menschen sind es, auch wenn sie es selbst nicht merken oder anders sein möchten. Also ist das eine gute Frage, die sich jeder mal stellen sollte. Was ist deine Botschaft in dieser Zeile?

Patrick: Es ist ganz genau das, was du gesagt hast – welche Art von Person bist du in deinem eigenen Kopf? Tust du das, was du sagst oder praktizierst du das, was du predigst?

Woher kommt deine Leidenschaft für Musik, bist du in einer musikalischen Familie aufgewachsen?

Patrick: Ja, das kommt schon von meinen Eltern, die Musik immer sehr geliebt haben. Ich war quasi ständig davon umgeben.

Kannst du dich überhaupt an einen Tag ohne Musik erinnern?

Patrick: Nicht einen einzigen.

Welche Bands habt ihr früher gehört, was hat euch musikalisch zuerst beeinflusst?

Patrick: Wir hören alle sehr viel Musik, es ist unmöglich, da den ersten Einfluss herauszupicken. Bei mir fing es mit einer gesunden Mischung aus Punk-Metal und Hardcore an. Will und ich sind eigentlich beide in der Hardcore-Szene aufgewachsen und viele Ideen aus dieser Zeit bringen wir heute noch bei FIT FOR AN AUTOPSY ein.

Will, es ist nicht möglich mit dir zu sprechen und deine großartigen Produktionsarbeiten für viele Bands nicht zu erwähnen. Ist es für dich schwieriger dein eigenes Material für FIT FOR AN AUTOPSY zu bearbeiten oder das von fremden Bands?

Will: Es wird immer schwieriger, weil ich immer denke, dass ich mit meiner eigenen Musik deutlich genauer unter dem Mikroskop betrachtet werden. Aber über die Jahre fällt es mir immer leichter zu erreichen,  dass es genauso klingt wie ich es hören will. Das ist dann unabhängig davon, ob es meine eigene Musik ist oder nicht.

Viele denken, dass ein Produzent eben einfach nur die Musik produziert. Dein Einfluss auf die Bands und das Album als Ergebnis  ist aber deutlicher größer. Was bietest du den Bands als Produzent, abgesehen von den technischen Dingen und den Aufnahmen an sich, an?

Will: Es ist alles. Das ganze Bandpaket – was wie reagiert, was an der Band besonders ist, das Songwriting, die Themen, das akustische Design und noch vieles mehr. Ich wirke an allem mit, dass die Band im Rahmen der Albumerschaffung tut.

In einem Interview hast du erwähnt, dass du den Bands auch dabei helfen möchtest ihre eigene Identität zu finden. Das hat mich etwas gewundert, sollten sie denn nicht schon eine haben, wenn sie zu dir ins Studio kommen und was aufnehmen wollen? Triffst du eher solche Bands, die keine Identität haben oder eine haben und die vielleicht selbst aber noch nicht erfasst haben?

Will: In den letzten Jahren hatte ich das Glück immer auf Bands zu treffen, die wirklich wissen, wer sie sind und was sie vermitteln wollen. Mein Job ist eher, das hervorzuheben, ihre Stärken und das was eventuell noch nicht so offensichtlich ist in Szene zu setzen. Oder eben wirklich neue Möglichkeiten zu eröffnen, auf denen sie das darstellen können.

Was ist wohl die wichtigste Essenz, um ein gutes Album zu machen?

Will: Die Songs. Die bleiben für immer als dein Erbe. Ein guter Song kann alles verändern, er kann dir eine große Karriere beschweren und dich um die ganze Welt führen. Er kann eine Nachricht transportieren und Reaktionen bei Millionen von Menschen auslösen. Das ist ganz mächtig, wenn du mal darüber nachdenkst.

Welches sind die typischen Fehler, die Bands machen, wenn sie zu dir ins Studio kommen?

Will: Es kommt häufig vor, dass ich Bands oder eher einzelne Mitglieder von Bands treffe, die sich krampfhaft an einer bestimmten Idee oder einem bestimmten Song festbeißen und einfach nicht in der Lage sind sich auf Veränderungen einzulassen. Die besten Alben, die ich bisher gemacht habe, sind die, bei denen sich die Bands vollkommen frei von Vorurteilen auf Kritiken und Anmerkungen eingelassen haben und bereit waren ihre Meinungen zu ändern.

© B. Bates

Gibt es ein Album, das du gerne selbst produziert hättest?

Will: Jedes Album, das ich liebe und das nicht aus unserem Studio kommt. Gleichzeitig bin ich aber auch froh darüber, denn sonst hätte es mich nicht inspiriert und überrascht. Manchmal höre ich auch akustische Fehler und wünschte, ich hätte die Möglichkeit es zu korrigieren. St. Anger vielleicht?!

 

Was wird deine nächste Arbeit als Produzent sein?

Will: COUNTERPARTS starten ziemlich bald, das Album wird abgehen.

„The Great Collapse“ ist ja jetzt nicht wirklich ein fröhliches Album. Hörst du manchmal fröhliche Musik bzw. irgendeine komplett andere Art von Musik, um dich zu entspannen?

Will: Ehrlich gesagt höre ich im Moment gar nicht so viel Metal und hänge irgendwie noch in meiner dunklen Indie-Rock-Phase fest (lacht). Es gibt so viel mehr gute böse Songs, als fröhliche Songs da draußen.

Und was war das letzte Album, das du dir gekauft hast?

Will: Ich habe gerade das neue Album von MASTODON vorbestellt. Ich denke, das wird ziemlich gut.

Wie es für dich, wenn Fans auf dich zukommen und dich für deine Musik mit FIT FOR AN AUTOPSY loben?

Will: Jedes Mal, wenn jemand die Band mit seinen persönlichen Erfahrungen in Verbindung bringt, erscheint uns das sehr surreal und wir sind dann jedes Mal sehr baff. So wie bei den Reaktionen, die wir von den Ureinwohnern aus North Dakota auf unser Video „Black Mammoth“ bekommen haben. Das hat uns tief berührt und gibt uns den Zunder weiterzumachen.

26.03.2017
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