Fjørt
"Wir können keine Sommerhits schreiben."

Interview

Die neueste Platte „Couleur“ der Aachener Postcorer hat wieder deutlich gemacht, dass es funktioniert, wenn man genug Grips und Bock auf Musik in die Waagschale wirft. Der Markt nimmt „Couleur“ freudigst an und katapultiert das Ding auf Platz 24 der Albumcharts. Für die Tour Anfang 2018 sind schon die ersten Säle dicht, ergo ausverkauft. Zwischen alldem treffe ich FJØRT in Form von David Frings und Chris Hell in der heimischen Küche in einer Probenpause. Sie unterbrechen mal eben den sogenannten Tüdelkram, mit dem sie sich gerade beschäftigen, damit die Tour Anfang nächsten Jahres auch eine runde Sache wird, und nehmen sich die Zeit für die ein oder andere Frage.

Na ihr beiden, wobei störe ich euch denn gerade?

David: Wir sind mitten in den Proben für die Tour nächstes Jahr. Sind also gut beschäftigt. Gerade ist soviel Gewusel, da wünscht man sich schon, dass der Tag 48 Stunden hat.

Das glaube ich euch sofort. Aber ihr dürft das machen, wofür ihr brennt, und wie ich gelesen habe, dürft ihr das im nächsten Festivalsommer unter anderem beim HIGHFIELD und HURRICANE machen. Das fühlt sich doch gut an, oder?

David: Ja, es ist wirklich total geil, solche Riesendinger zu spielen. Diese Gunst, auf einer großen Bühne zu stehen, ist echt schön. Das dürfen ja nun mal ganz viele Bands nicht. Dabei machen die wahrscheinlich genauso geile Musik wie wir, aber die hat halt keiner so auf dem Zettel. Du erreichst gerade bei solchen Veranstaltungen ja auch Leute, die einen normalerweise nicht so auf dem Schirm haben. Aber so ein Festivalgig ist jetzt auch nicht so ein ultimatives Lifetime-Goal. Klar ist es toll und man nimmt das mit. Aber der Gig an sich ist nichts anderes als würden wir in einem kleinen Club vor nur 50 Personen spielen.

Was wäre für euch denn ein absolutes Lifetime-Goal?

Chris: Ich glaube, mit dieser Band machen wir schon so viele Dinge, die uns so wahnsinnigen Spaß bereiten. Das Geilste wäre von daher, einfach so weitermachen zu können, wie bisher.

Genügend zu erzählen habt ihr auf  jeden Fall. Auch diesmal ist das neue Album nach relativ kurzer Zeit veröffentlicht worden. Fällt euch das Texten denn so einfach bzw. war noch genug Material vorhanden, um es auf „Couleur“ zupacken?

Chris: Das Texten ist immer ein ziemlich langer Prozess, in dem viel herumgefeilt wird. Eigentlich hast du lange, lange vorher Ideen im Kopf. Themen zum Beispiel oder auch bestimmte Sätze, die im Kopf nachhallen und du findest, dass sie sich eignen. Sätze, die danach schreien, dass du um sie herum einen ganzen Text schreiben musst. Aber das wirkliche finale Ausbessern, das dauert eigentlich schon eine ganze Weile. Der Kopf arbeitet ständig und produziert ständig neue Texte. Es wird nie aufhören in deinem Kopf zu rotieren, und wir werden nie aufhören hier und da immer wieder etwas nieder zuschreiben. Auch wenn es nur mini kleine Stückchen oder Ideen sind. Das hört halt nie auf und es ist auch sehr cool, dass das so ist. Es ist auch irgendwie nie so, dass wir da sitzen und sagen “ Ok, wir haben keine Ideen und müssen aber ein Album schreiben“, eher andersherum ist der Fall. Es ist halt echt schön, wie das so klappt. Ist ja nicht selbstverständlich, dass einem Musik einfach einfällt. Das „Coleur“ jetzt so schnell am Start war, ja das kam einfach so. Wir hatten natürlich schon einige Fragmente, aber es hat so mit einer Idee angefangen, frei nach dem Motto „Lass mal damit was bauen“ und auf einmal war halt wieder der Flow da. Es hat direkt wieder Bock gemacht. Alle kreativen Säfte waren am Start. Ruckzuck waren so elf, zwölf Songs fertig, wo wir sofort begeistert waren und es geil fanden.

Zum Glück gefällt es noch ein paar anderen Menschen, außer euch.

David: Das ist natürlich dreimal so geil. Aber wir machen halt einfach das, worauf wir Bock haben. Wir sind drei Homies aus Aachen, die Glück haben, dass ihnen gute Sachen einfallen. Vielleicht kommt die nächste Platte ja auch erst in fünf sechs Jahren, weil uns nichts mehr einfällt. Das weiß kein Schwein. Aber gerade war halt so unser Moment, wo alles gepasst hat.

Sehr passend irgendwie auch das Gesicht vom Album? Wer hat es herausgesucht und warum?

Chris: Also eigentlich planen wir das nie. Auch hier war uns wieder völlig klar, irgendwann werden wir ein Bild sehen, was für uns als Cover funktioniert. In dem Fall habe ich dieses Bild von meinem Opa und seinem Bruder bei meiner Family entdeckt. Und ich bin einfach krass daran hängengeblieben. Habe das Bild mehrmals wieder weggelegt und wieder in die Hand genommen, mich dann auch selber gefragt, was ist da los? Warum lässt mich das nicht mehr los? Ich finde, das Bild ist halt kein fröhliches, sondern irgendwie ernster und das Gefühl mochte ich. Es wirfst halt Fragen auf: Haben die Kinder das aus Zwang gemacht usw.? Ja halt das komplette Gedankenwirrwarr. Fürs Cover passte es dann irgendwie auch total, wenn du das Grundthema betrachtest: die eigene Meinung sagen, seine Meinung vertreten, die Art und Weise, wie man ist, vertreten. Ob man sich traut, oder halt klein bleibt.

FJORT COVER COULEUR

 

Meinung sagen, ist ein perfekt hingeschmissenes Stichwort. Ihr prangert an, ihr seid unbequem, ihr seid ehrlich, ihr seid nicht einfach. Ist das eure Schublade, die ihr euch erwählt habt oder wird es FJØRT irgendwann mal geben, wie sie von bunter Zuckerwatte trällern und schreien?

David: Ich finde es lustig, dass die Leute immer sagen, wir wären so aggressiv (lacht). Also effektiv sagen wir immer, dass FJØRT für uns immer ein Ventil sein wird, um das zusagen, was uns auf den Zeiger geht. Ich glaube so Tutti-Frutti-Songs können andere Künstler echt supergeil, so „Bailando“  und mit Kokosnüssen um sich werfen und ’ne geile Zeit haben. Ist geil, wer darauf Bock hat, super. Für uns ist Musik aber in erster Linie etwas mit dem wir Sachen verarbeiten wollen. Schöne Dinge müssen für uns nicht besungen werden. Wenn wir eine geile Phase haben, dann gehen wir eher in die Kneipe und quatschen darüber. Aber da muss ich persönlich jetzt keinen Song darüber schreiben. Es sind eher die Sachen, die uns selber aufreiben und deshalb sind wir manchmal auch sehr deutlich. Das gehört halt zu uns irgendwie. Ich glaube, ich könnte niemals so ’nen Sommerhit schreiben. Wenn ich das jetzt weiter spinne und ich stelle mir vor, wie ich auf der Tour „Verdammt ich lieb‘ dich“ von Matthias Reim singen würde. Boah, da würde ich mir so scheiße bei vorkommen. Nichts gegen Matthias Reim, aber das geht für meine Person einfach nicht. Deshalb, wenn so ein „No way“ – Gefühl dabei ist, dann lieber lassen und so ist es halt bei uns.

Man muss aber schon in einer FJØRT-Stimmung sein, um euch zu hören.

David: Man muss auf jegliche Musik ja irgendwo Bock haben. Das Geile an Musik ist ja: Man kann es AN und AUS machen. Das Interessante ist ja, wenn sich im Internet sogenannte Musikkritiker das Maul zerreißen. Dabei denke ich mir: „Hey Leute, wenn es euch nicht gefällt, dann macht es doch einfach aus. Wo ist das Problem?“ Klar hören wir alle hauptsächlich härtere Musik, aber das auch nicht durchgängig. Und das ist doch das Geile. Wir haben die Wahl.

Chris: Jede Musik hat halt ihre Daseinsberechtigung. Das ist auch irgendwie so ein Punkt, den die meisten Leute nicht verstehen oder jemals verstehen werden. Das auch Musik, die ich persönlich nicht so gut finde, nicht pauschal scheiße ist.

Das ist das grundsätzliche Problem. Nur weil mir Schlager nicht gefällt, muss man ja fähig sein anzuerkennen, dass sich das Schlagermäuschen auch im Studio ’nen Arsch abgesungen hat. Nur weil mir der Stil nicht gefällt, muss ich jetzt nicht sinnlos rumdissen.

David: Ja, aber dafür müsste man nachdenken, und das fällt leider vielen Leuten schwer heutzutage. Leider. Leider.

Für mehr Menschlichkeit – FJORT

Würdet ihr euch als politisch bezeichnen?

David: Eher nicht. Ich nehme das Wort Politikum auch eher ungern in den Mund. Es setzt sich doch alle aus Menschen zusammen, die in einer Gesellschaft zusammenleben. Und wir sollten anfangen wieder gesund miteinander umzugehen, so wie wir es mal im Kindergarten gelernt haben. Wenn man in der Lage ist als Erwachsener unvoreingenommen auf andere Menschen zu zugehen, wie man es als Kind halt macht. Ja, das ist großartig.

Wir müssen über den Song „Windschief“ reden. Er wirkt mit seiner ehrlichen Art wie eine Liebeserklärung. Gibt es eine Geschichte dazu?

Chris: Ja, der Song hat so ein bisschen einen doppelten Boden, weil er eigentlich nichts mit Liebe zu tun hat. Der ganze Song ist ein Dialog, in dem der Protagonist selbst mit sich redet, mit der düsteren Seite von sich in Kontakt tritt und die einfach Überhand nimmt und die er nicht in den Griff bekommt. So dass er keine Wahl hat, als sich wehrlos hinzulegen und es über sich ergehen zu lassen. Und dieses Gefühl, ist halt einfach nah dem Gefühl, wenn du jemanden verehrst, weil du halt da auch immer mehr reingedrückt wirst. Deshalb ist dieser Song quasi wie eine Art Liebeserklärung geschrieben, aber ist in keinster Weise so gemeint.

Was war denn der letzte Song, der euch privat komplett im Griff hatte? Ohrwurmtechnisch.

David: Black Foxxes „Husk“.

Chris: Ja der ist richtig geil.

David: So eine richtig schöne 90s Punk-Rock-Sache. Geile Band, geiles Video.

Es geht ja nun mal sehr deutlich auf Weihnachten zu. Bestes Weihnachtsgeschenk, welches ihr jemals bekommen habt?

David: Einen Gameboy. Oaah, und da hab ich mich super drüber gefreut damals.

Chris: Bei mir war es eine Nintendo-Konsole.

David: Wir sind halt Zockerkinder. So Super Mario Land und Fußball. Das nächste Mal, wenn wir uns mal live sehen, spielen wir „International Supersoccer Deluxe“ auf dem Super Nintendo gegeneinander.

Und das schlechteste Geschenk, was man euch jemals gemacht hat?

David: Hm, ich glaube ich hab noch nie wirklich etwas Mieses geschenkt bekommen. Es gibt ja diese Videos von irgendwelchen Kindern, die Geschenke auspacken, sich die Geschenke dann maximal drei Sekunden ansehen und dann wegstellen. Ich glaube ich hab damals immer eine Sache bekommen, die ich dann sehr lange geil fand. Heute musst du eher thrillen: Da wird das Playmobilset ausgepackt, zack, weiter zum nächsten Geschenk. Halte ich echt für eine komische Entwicklung. Ich glaube wir leben aktuell zu schnell und zu viel. Ich weiß nicht, warum sich das so verändert hat und es ständig immer mehr und mehr sein muß.

Thema: Höher, schneller,weiter. Ihr dürft ja mitmachen beim „BOYSETSFIRE Family First“-Festival am 01. Februar in Köln? Gutes Ding oder?

Chris: Ja, größer geht ja schon gar nicht mehr !!!

David: Das ist wirklich eine geile Sache, dass wir dazu eingeladen wurden. Das ist schon echt genial, das wir bei solch großen Sachen dabei sein dürfen. Auf einer Stage mit BOYSETSFIRE. Geil!!!

Was war denn bisher der geilste Bühnenmoment?

David: Wir müssen uns da echt mal was zurecht legen, bei der Frage, weiß ich nie was ich sagen soll (lacht).

Ok, dann gibt es eine kreativere Frage.

David: Ne, ich kann dir das ganz einfach beantworten. Es sind nicht die großen Festivals, an die wir uns erinnern, sondern eher die Momente, die uns zusammengeschweißt haben. Die ersten Konzerten haben wir vor 5-10 Leute gespielt, die aber mega Bock hatten, also ziehst du es halt auch durch. Und dann liegst du nachts in irgendeiner Ecke mit einem kleinen Laken übern Kopf und denkst noch „Boah, so will und kann ich eigentlich nicht pennen“. Ja diese Stories sind es halt, die in unseren Köpfen bleiben. Diese kleineren Momente.

So ihr zwei habt es geschafft. Gibt es noch finale Sätze, die ihr loswerden wollt?

Chris: Ja, seid nett zueinander, achtet mehr aufeinander.

David: Hört mal mit dem Internet-Hate auf. Sprecht mehr direkt miteinander, das wäre geil. Macht doch einfach mal dieses Internet aus. So kleine Sachen tun gar nicht weh. Mal eine Colaflasche, die ein anderer herunter geworfen hat, im Supermarkt wieder ins Regal stellen oder so. Sowas ist irgendwie selten geworden. Guckt mal mehr rechts und links und auf andere. Das wäre schön.

Danke für das Gespräch und euch noch eine zauberhafte Probenzeit.

18.12.2017

It`s all about the he said, she said bullshit.

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