Hallatar
Kein Easy Listening

Interview

HALLATAR haben jüngst mit „No Stars Upon The Bridge“ das traurigste Album des Jahres veröffentlicht. Gitarrist und Songwriter Juha Raivo erzählt uns, wie das Album entstanden ist und welche Geschichte dahintersteckt.

Hallo Juha! Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, diese Fragen zu beantworten. Ich starte solche Mail-Interviews gerne mit einer sehr gewöhnlichen Frage: Wie laufen die Dinge bei dir und welche Musik hörst du, während du diese Fragen liest?

Danke, alles gut. Die letzten Tage habe ich mir das neue Album von SATYRICON angehört. Scheint ein sehr gutes Album zu sein.

Erst einmal möchte ich dich beglückwünschen, denn „No Stars upon the Bridge“ ist ein sehr gutes Album geworden. Ich muss dir gegenüber aber auch mein Beileid für deinen Verlust aussprechen – ein Verlust, der einer der Gründe ist, warum dieses schöne Album überhaupt erst entstanden ist. Was denkst du über diesen bitteren Widerspruch?

Ich hatte gehofft, niemals ein solches Album schreiben oder veröffentlichen zu müssen, aber ich musste es einfach tun. Ich habe mir selbst und Aleah versprochen so viel von ihrer Musik wie nur irgendwie möglich zu veröffentlichen. Nach dem Release des TREES OF ETERNITY-Albums sind HALLATAR der nächste Schritt dieses Versprechens. Danach werde ich an Aleahs Soloalbum arbeiten und wir haben auch immer noch 30 Minuten an Material für ein zweites TREES OF ETERNITY-Album, das wir wahrscheinlich als EP herausbringen werden. Dabei ist die Arbeit an dieser Musik die härteste Sache, die ich je tun musste und obwohl es sich anfühlt, als würde ich mir selbst ins Herz stechen, fühlt es sich doch richtig an.

Wenn man die Entstehungsumstände bedenkt, dann wird einem bewusst, was für intime und persönliche Musik dieses Album beinhaltet. Was ist deine Motivation, wenn du solche Musik kreierst und veröffentlichst und was denkst du, wie die Öffentlichkeit darauf reagieren wird?

Diese Musik könnte wirklich nicht intimer und persönlicher sein. Wie ich bereits sagte, gab ich ein Versprechen, dass ich Aleahs Musik und ihre Worte in die Welt tragen werde, dass ich alle für sie tun werde und nichts ist sonst noch von Bedeutung – nur mein Versprechen und das motiviert mich. Ich weiß, dass das Album wahrscheinlich auch für die Fans und andere Leute, die Aleah liebten, nicht leicht anzuhören sein wird, aber gleichzeitig ist es etwas, dem du dich hingeben kannst und das dir Trost spendet, trotz all des Schmerzes von dem es umgeben ist.

Warum hast du dich eigentlich entschieden, diese Musik in Form von HALLATAR zu veröffentlichen und nicht als zweites TREES OF ETERNITY-Album?

Es wird niemals ein anderes Album von TREES OF ETERNITY mit einer anderen Sängerin als Aleah geben, da sie Herz und Seele der Band und der Musik war. Deswegen habe ich HALLATAR gegründet, um die Flamme weiterzutragen.

Was bedeutet der Bandname HALLATAR und in welcher Verbindung steht er zum restlichen Konzept hinter Band und Album?

„Hallatar“ ist ein altes poetisches finnisches Wort für etwas, das du die „Königin des Frosts“ nennen könntest. Für das letzte Album von SWALLOW THE SUN habe ich einige finnische Lyrics und dabei auch dieses Wort benutzt. Für mich bedeutet es einfach nur „Tod“. Ich hatte keine andere Wahl, als dieses Wort zu benutzen, denn für mich war das völlig klar.

Was kannst du uns über das Musikvideo zum Opener „Mirrors“ sagen? Ein Detail, das ich sehr interessant finde, ist die Kette, die von einer zentralen Figur – der Nonne – angelegt wird und genau so aussieht wie die Kette, die Aleah in manchen Fotos und Videos zu TREES OF ETERNITY trug. Die Nonne legt die Kette an, nachdem sie von ihrem Gegenspieler, einem Priester oder Mönch, konfrontiert wurde.

Ja, stimmt. Die Kette ist jene, die Aleah im Video zu „Sinking Ships“ von TREES OF ETERNITY getragen hat. Die gleiche Kette findet sich auch im Video zu „Broken Mirror“ und wird auch im nächsten HALLATAR-Video zu „My Mistake“ zu sehen sein. Ich wollte, dass die Kette eine Verbindung zwischen allen Videos und Aleahs Geist darstellt. Zu ihren Lyrics kann ich leider nichts sagen, denn diese Frage hätte nur Aleah selbst beantworten können. Aber im Video geht es darum deinem inneren Licht zu folgen und deinem Herzen zu vertrauen.

Ein paar Fragen zum Personal: Wann hast du dich entschieden, dass du Tomi Joutsen (AMORPHIS) und Gas Lipstick (ex-HIM) mit dabei haben möchtest und warum gerade die beiden?

Die Idee, die beiden zu fragen, kam ziemlich schnell nachdem ich die Musik geschrieben hatte. Beides sind gute Freunde von mir und Tomi war auch gut mit Aleah befreundet, nachdem sie auf dem letzten Album von AMORPHIS gesungen hat. Ich weiß, dass Tomi und Gas sehr sensibel sind, wenn es um Musik geht und dass sie auch keine Scheu haben, das zu zeigen. Auch im Nachhinein kann ich mir keine besseren Menschen und Musiker vorstellen können, um dieses Album mit mir aufzunehmen, denn sie haben so viel Herz hineingesteckt. Es war für alle Beteiligten kein einfaches Album und darum habe ich auch großen Respekt vor Tomi und Gas, dass sie dieses Album mit mir zusammen aufgenommen haben. Ich werde ihnen ewig dankbar sein, dass sie diesen Weg mit mir gegangen sind.

Heike Langhans, die man von den letzten DRACONIAN-Releases kennt, hat den größten Teil der weiblichen Vocals aufgenommen. Wie bist du auf sie gekommen?

Ich wusste, dass Aleah und Heike gut befreundet waren und ich mochte auch ihre Stimme sehr. Zudem sind sie beide aus Südafrika und waren auch ansonsten in vielerlei Hinsicht Schwestern im Geiste. Ich weiß, dass sie in der Zukunft zusammen Musik machen wollten und da das nicht mehr passieren wird, habe ich Heike gefragt, ob sie am Album mitarbeiten würde – glücklicherweise hat sie zugesagt, da auch sie ihre verstorbene Freundin ehren wollte. Für mich ist Heike die einzige Sängerin, von der ich denke, dass sie mit ihrem Gesang den gleichen Eindruck hinterlässt wie Aleah und das hat sie eindrucksvoll aus diesem Album bewiesen. Ich bin so stolz, dass sie Teil des Albums ist und sie hat auch wirklich einen großen Teil dazu beigetragen.

Mir ist aufgefallen, dass Fursy Teyssier das Artwork des Albums gestaltet hat. War er deine persönliche Wahl? Wie ist der Kontakt mit ihm zustande gekommen?

Als Aleah und ich überlegten, wer am besten dazu geeignet sei, das Albumcover zum TREES OF ETERNITY zu gestalten, dachten wir beide zuerst an Fursy, da wir seine Kunst sehr schätzen, gerade seine Arbeit für ALCEST. Deswegen habe ich mit Fursy stundenlang über Aleah geredet, als er das Cover für TREES OF ETERNITY gestaltete und natürlich wollte ich ihn auch für HALLATAR haben, weswegen ich glücklich darüber bin, dass es geklappt hat. Er ist einer meiner Lieblingskünstler und hat viel Arbeit in das Artwork gesteckt, da auch er Aleah auf diese Weise ehren wollte.

Juha Raivo – Mastermind hinter HALLATAR

Was sind eure Pläne für die Zukunft? Werdet ihr live auftreten, vielleicht neue Songs aufnehmen? Oder war das ein einmaliges Projekt?

Das wissen wir noch nicht, aber wir wollen in der Zukunft auf jeden Fall mehr Musik machen und auch auf die Bühne. Tomi wird nächstes Jahr viel mit AMORPHIS beschäftigt sein und Gas hat auch eine Menge zu tun, also weiß ich nicht, inwiefern wir es schaffen werden, einige Shows zu spielen, aber hoffentlich gibt es ein paar Möglichkeiten auf Festivals im nächsten Sommer. Es wird aber auf jeden Fall schwierig, gerade weil Tomi so viel zu tun hat, aber wir alle wollen gerne live auftreten und weitere Musik aufnehmen – also schauen wir mal, was passiert.

Danke, dass du diese Fragen beantwortet hast. Die letzten Worte des Interviews gehören dir, also fühl dich frei zu sagen, was auch immer du unseren Lesern mitteilen willst.

Das Album ist sicher kein Easy Listening, aus so vielen verschiedenen und schmerzhaften Gründen. Aber Aleah wollte immer, dass die Leute ihren Blick nicht von der Dunkelheit abwenden, sondern ihr direkt ins Auge zu sehen und sie zu akzeptieren, denn das ist der einzige Weg sie gänzlich zu überwinden und schließlich das Licht auf der anderen Seite zu sehen. Deswegen hoffe ich, dass die Leute ihren Blick nicht von der Dunkelheit auf diesem Album und seiner brutalen Ehrlichkeit abwenden. Wenn du die Musik des Albums und Aleahs Worte in dein Herz lässt, dann wird sich die Dunkelheit in etwas bedeutsames und schönes verwandeln – so hoffe ich.

Quelle: Interview mit Juha Raivo, Oktober 2017
06.11.2017

Stellv. Chefredakteur

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