KK's Priest
Keine Zeit für Bullshit

Interview

Gitarrist K.K. Downing war nach seinem Ausstieg bei JUDAS PRIEST vor nunmehr zehn Jahren lange Zeit vom Radar verschwunden. Jetzt meldet er sich mit KK’S PRIEST und dem bockstarken Album „Sermons Of The Sinner“ zurück. Von Altermüdigkeit ist bei dem fast siebzigjährigen Musiker nichts zu spüren. Stattdessen versprüht er im Interview mehr ehrlichen Enthusiasmus über seine Musik als so manche aktuelle Newcomer Band.

Die Vertrautheit von KK’S PRIEST

Hey Ken, heute sprechen wir über das neue KK’S PRIEST-Album „Sermons Of The Sinner“. Als wir vor zwei Jahren das letzte Mal miteinander sprachen, ging es noch um deine Autobiografie, in der du auf dein Leben zurückgeblickt hast. Was hat dich dazu motiviert, fast zehn Jahre nach deinem Ausstieg bei JUDAS PRIEST die Gitarre in die Hand zu nehmen und ein Album zu machen? Hatte das Buch Einfluss darauf?

Bezüglich meines Ausstiegs wurde sehr viel gesagt und sehr viele Falschinformationen verbreitet. Wir wollten die Band nach der Farewell-Tour auflösen. Das war der Plan. Aber ich war mit dem Gedanken einer Farewell-Tour nicht so wirklich glücklich. Es gab ein paar Dinge, die sich ändern mussten. Ich war immer loyal zu JUDAS PRIEST und habe nie mit anderen Musikern gespielt. Ich wollte meine Karriere mit JUDAS PRIEST beenden und auf der letzten Tour Spaß haben. Aber dafür waren einige Veränderungen nötig und niemand hörte auf mich. Also entschied ich mich dazu, die Farewell-Tour nicht zu spielen. Wir wollten alle bei JUDAS PRIEST aussteigen, das fällt oft unter den Tisch. Dass sie sagen, nur ich wollte in Rente gehen, um mich anderen Dingen zuzuwenden, stimmt nicht.

Ich habe in der darauffolgenden Zeit immer nach Möglichkeiten gesucht, wieder in die Band einzusteigen. Aber als die Gelegenheit kam, sagten sie „Nein, wir fühlen uns gut so, wie es ist.“ Sogar bevor ich KK’S PRIEST gestartet habe, fragte ich sie noch einmal, ob die Tür wirklich zu sei und sie bejahten es. Also habe ich mit Les Binks und Tim „Ripper“ Owens Kontakt aufgenommen und wieder Musik gemacht. Und da sind wir heute. Ich fühle mich gut. Ich bin frei, so wie in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern. Ich schreibe Songs, ohne mit jemandem zusammenarbeiten zu müssen. Ich bin immer noch ein PRIEST. Wenn sie es sein können, warum sollte ich es nicht auch können? Sie spielen weiterhin meine Songs und ich werde weiterhin meine Songs spielen.

„Dieser Wiedererkennungswert gefällt mir, warum sollte ich etwas ändern?“

Der Name KK’S PRIEST ist sehr an JUDAS PRIEST angelehnt. War es wichtig für dich, dass Fans diese Verbindung sofort erkennen können?

Ich habe mein ganzes Leben JUDAS PRIEST gewidmet und war von Anfang an dabei. Am 27. Oktober werde ich 70 Jahre alt. Es ist einfach zu spät für mich, um mich noch zu verändern. Ich kann nicht losgehen, andere Gitarren kaufen, andere Amps kaufen, anders spielen und Songs anders schreiben. Das liegt mir im Blut und ich möchte mein Vermächtnis, mein Lebenswerk nicht einfach hinter mir lassen. All das ist immer noch ein Teil von mir und ich möchte es in die Zukunft tragen. Das ist wer ich bin. Ich kann dem nicht entkommen, ich möchte dem nicht entkommen. Was ich mache, mache ich aus der Liebe zu dieser Art von Musik. Das werde ich bis zu meinem Tod machen. Außerdem möchte ich den Fans nahestehen. Wir sind Blutsbrüder. Das ist eine tiefe Verbindung. Manche Leute, für die ich Konzerte spiele, sind so alt wie ich, andere sogar noch älter.

Ich habe kürzlich mit einem Fan gesprochen, der 90 Jahre alt ist und selbst Gitarre spielt. Er hat JUDAS PRIEST in den vergangenen sieben Jahren erst entdeckt und ist jetzt ein riesiger Fan von der Band und mir. Das ist großartig. Und das gleich gilt für junge Menschen. Die jüngsten Fans, die Autogramme wollen, sind sechs oder sieben Jahre alt. Warum sollte ich etwas ändern? Diese Menschen erinnern sich nicht an mich, wegen dem, der ich heute bin, sondern wegen meines Vermächtnisses. Sie entdecken mich durch meine Geschichte. Sie sehen die alten Fotos und sehen „Oh, K.K. war in den siebzigern dabei.“ Dieser Wiedererkennungswert gefällt mir, warum sollte ich etwas ändern? Ich möchte Musik machen, die sich frisch und voller Energie anfühlt, aber bei den Fans weltweit trotzdem ein Gefühl der Vertrautheit auslöst. Diese Beziehung möchte ich am Leben erhalten. Wenn ich nicht Teil von JUDAS PRIEST sein kann, dann bin ich eben hier mit KK’S PRIEST.

Tim Owens bekommt bei KK’S PRIEST eine neue Chance

Dann sag ich es mal gleich heraus: Meiner Meinung nach hast du dein Ziel erreicht. „Sermons Of The Sinner“ hat den typischen JUDAS PRIEST-Heavy-Metal-Sound, aber klingt vom ersten bis zum letzten Song frisch und kraftvoll.

Danke, es freut mich sehr, dass dir das Album gefällt. Du hast absolut Recht, es gibt keinerlei Überraschung, diese Vertrautheit ist mir wichtig. Aber das Ding ist: Dieses Album repräsentiert alles von mir für die Fans. Es ist großartig, die eigenen Worte in Songs zu fassen. Die Stimme der Musik ist so viel stärker als alles Ende. Die „Sermons Of The Sinner“ sind die „Sermons Of The Songs“, denn es steckt eine Message in jedem Song. Davon möchte ich noch mehr machen und deswegen schreibe ich schon am nächsten Album. Das soll im besten Fall nächstes Jahr erscheinen.

Es ist spannend, denn ich habe schon viele Ideen und Konzepte. Manche davon sind auch ein bisschen anders als „Sermons Of The Sinner“. Bei mir geht gerade alles schnell, weil ich eine neue Perspektive habe. Vielleicht ist es gut, dass ich eine Weile weg war. Ich hatte viel Zeit, um mich auszuruhen und jetzt sehe und höre ich alles total klar.

Als Sänger für das Album hast du niemand anderes als Tim Owens engagiert. Mit ihm hast du schon an den JUDAS PRIEST-Alben „Jugulator“ und „Demolition“ gearbeitet. War er deine erste und einzige Wahl für den Sängerposten in KK’S PRIEST?

Nein, Ripper war die naheliegende Wahl. Wie du schon sagst, wir haben bereits zusammengearbeitet, zusammen getourt und sind Freunde. Und wenn es um Sänger geht, ist es gut, einen Teufel zu haben, den man kennt. [lacht]

Ripper ist ein fantastischer Sänger. Seine Performance auf dem Album ist super.

Ja, und Sänger auf diesem Level sind eine besondere Art Mensch, weil sie so selten sind. Man hat keine große Auswahl an Menschen, die sowas leisten können und Lust dazu haben. Es gibt viele tolle Sänger, deren Herz aber nicht für Metal schlägt. Ich bin sehr froh darüber, Ripper auf dieser Reise dabei zu haben.

Keine Halford-Kopie

Und wie war seine erste Reaktion, als du ihn für KK’S PRIEST angefragt hast?

Es war großartig. Es war um Weihnachten 2019 und ich sagte ihm, dass ich ein paar großartige Songs geschrieben habe. Ich wollte ihn schon immer neue Songs im traditionellen JUDAS PRIEST-Stil singen hören. Ich hatte schon immer das Gefühl, dass er dort so richtig zu Hause ist, weil er so gut darin ist, klassischen Metal zu singen. In den neunzigern hatten wir ihm dazu keine Chance gegeben, weil wir gedanklich woanders waren. Der Ausstieg von Rob [Halford] war ein Schock und wir dachten, wir sollten uns verändern, denn Ripper war etwas jünger und ein anderer Typ. Wir wollten einen anderen Stil, damit es nicht heißt „Oh, er kopiert nur Halford.“

Aber warum können Leute nicht einfach in diesem Stil singen, ohne gleich als Kopie von Halford oder wem auch immer zu gelten? Wenn andere Leute ähnliche Riffs spielen, sagt ja auch niemand „Oh, er kopiert K.K.“ Niemand sagt sowas. Aber wenn jemand einen Heavy-Metal-Song singt, heißt es, er wolle wie Rob Halford klingen. Andere Sänger wie Ralf Scheepers sind genauso toll. Sie wollen niemanden kopieren, sondern sind ihre eigenen Superstars. Viele hören nicht Ralfs oder Rippers Stimme, sondern nur die, die sie hören wollen. Aber die Fans sollten jeden als einzigartige Person wahrnehmen.

Vergangenes Jahr hast du den ehemaligen JUDAS PRIEST-Schlagzeuger Les Binks als Teil des Line-ups angekündigt, aber auf „Sermons Of The Sinner“ ist stattdessen Sean Elg zu hören. Wie kam es zu dem Wechsel?

Yeah, wir sind eben beide nicht mehr so jung. Ich brauche mich nur vom Handgelenk an abwärtszubewegen. Les hatte das Gefühl, sechs, sieben oder acht Stunden am Tag zu spielen, haue nicht mehr hin. Aber er wird in Zukunft bei einigen Auftritten dabei sein und mit uns spielen. Da freue ich mich schon drauf. Bei KK’S PRIEST geht es darum, einfach Spaß an unserer Musik zu haben, solange wir noch können. Wenn Freunde auf der Bühne dazukommen wollen, dann los. Es ist zu spät, um irgendwelchen Bullshit zuzulassen.

KK’S PRIEST brauchen Twin Guitars

Und wie bist du auf A.J. Mills und Tony Newton gekommen, um die Band zu komplettieren?

A.J. stammt aus der gleichen Gegend wie ich. Er war 19 Jahre alt, als er JUDAS PRIEST ‘95 mit dem Ripper und mir gesehen hat. Das hat ihn dazu inspiriert, in einer Band zu spielen und sich eine Flying V zu kaufen. Heute ist er erwachsener, aber immer noch halb so alt wie ich. Er ist ein bisschen wie eine jüngere Version von mir selbst. Die Arbeit mit ihm gestaltet sich sehr einfach. Es spielt zudem sehr gut und genauso jemanden brauche ich an meiner Seite.

Tony ist großartig. Er ist bekannt als Bassist, Produzent und Audioengineer. Er spielt Gitarre und kann singen und hat meine Show mit ROSS THE BOSS beim Bloodstock Festival 2019 gemixt. Wir haben uns sofort gut verstanden. Er liefert eine großartige Leistung und hat eine super Einstellung. Live bringt er eine krasse Energie mit und das ist mir wichtig.

Jetzt passt es gut mit A.J., aber war es immer klar für dich, dass KK’S PRIEST noch einen zweiten Gitarristen brauchen? Oder hast du auch darüber nachgedacht, die gesamte Gitarrenarbeit in der Band allein zu übernehmen?

Um ehrlich zu sein: Ich habe jetzt sehr viele Interviews gegeben, allein 20 in den vergangenen zwei Tagen, aber bislang haben mir nur drei Leute diese Frage gestellt. Meine ehrliche Antwort ist, dass mir diese Option nie in den Sinn kam. Ich hätte es machen können, schließlich waren wir früher mit Al Atkins fünf Jahre lang als Quartett unterwegs und es war cool für mich, der einzige Gitarrist zu sein. Aber ich habe diesen Twin-Guitar-Sound und die wechselseitigen Soli mitentwickelt und das ist wohl einfach ein Teil von mir geworden. Außerdem wird es in der Livesituation einfach fetter klingen und es gibt mir auf der Bühne etwas mehr Freiheit. Die zweistimmigen Harmonien und wechselnden Soli werden dann auch genau wie auf dem Album klingen.

„Ich habe Freude daran, immer etwas Neues zu lernen.“

Trotzdem liegt der Fokus auf dir, wenn Leute über das Gitarrenspiel bei KK’S PRIEST reden. Wie fühlt sich das für dich an? Bei JUDAS PRIEST hatte ich immer das Gefühl, dass du ein wenig im Schatten von Glenn Tipton standest.

Das war seltsam. Es fühlte sich an, als würde Glenn alles übernehmen, wenn es um die Gitarrenparts ging. Das war mir gegenüber nicht fair. Auf „Sermons Of The Sinner“ konnte ich jetzt alles so machen, wie ich es wollte. Ich konnte mit A.J. arbeiten und einige coole Ideen umsetzen, was die Harmonien und Arpeggien angeht. Manches davon hätte ich mit Glenn nie machen können, weil unser Verhältnis zueinander ab einem gewissen Punkt stagnierte.

Für mein Gefühl ist „Sermons Of The Sinner“ das erste Album, auf dem man wirklich hören kann, zu was du an der Gitarre fähig bist.

Ich respektiere die Musik und habe mir vieles selbst beigebracht. Ich habe erst in den Achtzigern angefangen, mich mit Musiktheorie auseinanderzusetzen, weil ich ein bisschen faul wurde und neuen Input brauchte. Ich mag es außerdem, meine Soli auf der Bühne zu improvisieren, das führt zu neuen Impulsen. Auf „Sermons Of The Sinner“ habe ich für mich neue Skalen zum ersten Mal benutzt. Wenn man sich mit Musiktheorie auskennt, hat man diese riesige Werkzeugbox, die man einsetzen kann. Bei mir kommt dann noch die jahrlange Erfahrung dazu, die ich dadurch gesammelt habe, nach Gehör zu spielen. Ich habe Freude daran, immer etwas Neues zu lernen.

„Diese Maschine ist jetzt entfesselt.“

Das dürfte dir auch dabei geholfen haben, alle Songs des Albums allein zu schreiben. Hast du darüber nachgedacht, Songwritingpartner ins Boot zu holen? Tim hatte doch bestimmt ein paar passende Ideen parat.

Nein, denn es war so, dass ich die Show beim Bloodstock im November 2019 spielte und der Gedanke einer neuen Band aufkam. Danach wollte ich erstmal sicherstellen, dass ich ein gutes Album habe, bevor ich losgehe und Leute dafür suche. Über Weihnachten des gleichen Jahres schloss ich mich zu Hause ein und hatte innerhalb von zwei Wochen Demos aller Songs fertig. Da habe ich noch selbst gesungen, um ein genaues Bild von den Songs zu bekommen. Dann habe ich A.J. angehauen, der eine gute Stimme hat und ließ ihn Demos der Songs einsingen.

Zeit war ein wichtiger Faktor, denn ich sagte dem Label, dass das Album im April 2020 fertig sein würde. Wir hatten die Chance, ein paar Arena-Shows als Support für eine wirklich große Band zu spielen, die ich jetzt nicht nennen kann. Doch dann kam uns leider die Pandemie in die Quere und die Tour wurde abgesagt. Wir waren also erst unter Zeitdruck, um die Songs aufzunehmen, was glücklicherweise vor der Pandemie gelang. Danach konnte ich die Produktion fertigstellen, indem ich die Songs neue arrangierte und am Sound tüftelte. Jetzt habe ich schon viel Arbeit für das nächste Album erledigt und kann die Jungs hoffentlich bald dafür zusammentrommeln.

Du hast vorhin deinen Auftritt mit ROSS THE BOSS beim Bloodstock erwähnt. War das so eine Art Erweckungsmoment für dich?

Ich denke, ja. Wenn man von der Bühne kommt, fühlt sich das einfach großartig an. Es war fantastisch, nach so langer Zeit mal wieder für die Fans zu spielen und wir hatten im Vorfeld nur wenig geprobt. Aber die Jungs waren super. Danach merkte ich, dass ich dafür geboren wurde, genau das zu tun. Ich kann mich sehr glücklich über meine Karriere schätzen und über das, was ich erreicht habe. Diese Maschine ist jetzt entfesselt und wenn ich nicht auftreten kann, spreche ich mit den Fans, gebe Interviews und schreibe neues Material. Denn ich möchte nächstes Jahr definitiv ein neues Album veröffentlichen.

08.10.2021

"Irgendeiner wartet immer."

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