Messa
"Wir haben unser Ego für das Album geopfert"
Interview
Frisch veröffentlicht ist „The Spin“, das vierte Album der italienischen Scarlet-Doomer MESSA. Auch dieses Werk reiht sich nahtlos ein in die Reihe qualitativ hochwertiger Alben, welche sich durch Leidenschaft und Experimentierfreude auszeichnen. Wir konnten mit Sängerin Sara und Schlagzeuger Rocco erstmalig für metal.de ein Interview führen – heraus kam ein lockeres und entspanntes Gespräch über die Entstehung von „The Spin“ und die Herausforderungen dabei.
Die neue Platte ist fertig, die Promotion läuft, am 11. April 2025 ist „The Spin“ erschienen. Wie ist die Gefühlslage hinsichtlich der Veröffentlichung? Aufregung oder eher Erleichterung?
Sara: Beides! (lacht) Wir sind auf jeden Fall sehr aufgeregt. Wir haben uns sehr aufgeopfert für die Platte, haben viel Zeit geopfert und es ist nie leicht sich zu exponieren, was man aber tun muss, wenn man Musik macht. Wir fühlen auch – ich möchte es jetzt nicht Druck nennen – aber ich bin schon neugierig, wie das Feedback der Leute ausfällt.
Ihr scheint eure Platten gern im Frühling zu veröffentlichen. Alle Alben kamen im Zeitraum von März bis Mai auf den Markt. Ist das Absicht oder Zufall?
Sara: Das ist absolut Zufall! (lacht)
Rocco: Wir haben uns wirklich nichts dabei gedacht.
Sara: Ja, stimmt, „Close“ wurde vor einigen Tagen veröffentlicht.
Rocco: Und „Belfry“ war am 06. Mai 2016. Sowas.
In einem früheren Interview habt ihr gesagt, dass eure Platten einem „fil rouge“, einem roten Faden, folgen. Bei „Close“ war es „das Ziel uns selbst und unsere Hörerschaft auf eine Reise zu schicken“. Was hält „The Spin“ zusammen?
Sara: Es passiert eine Menge auf „The Spin“. Da ist die direkte Übersetzung oder besser Manifestierung dessen, was wir in den letzten drei Jahren erlebt haben. Wir haben so viel erlebt: Beziehungen zerbrechen, ein Unfall, der uns beinahe ausgenockt hat, eine Menge Touring, eine Menge Selbstentdeckung, eine Menge Entdeckung dessen, was in der Welt um uns herum passiert. All das ist in „The Spin“ eingeflossen. Das Coverartwork beschreibt dies zusammen mit dem Titel. Das Ouroboros-Cover ist ein sehr kraftvolles und uraltes Symbol. Es dreht sich immer weiter, ewig, unbeweglich, aber dennoch in Bewegung. Was ich an dem Symbol wirklich mag ist, das es sofort verstanden wird und jeden direkt anspricht, man muss kein Metalhead sein, um es zu verstehen. Es ist ein universelles Zeichen, das auch eine Menge Mystik mit sich trägt.
Mit „The Spin“ beweist ihr ein weiteres Mal, dass kein MESSA-Album ist wie das vorherige Werk. Bemerkenswert ist diesmal der Einsatzes von Dark-Wave-Sounds, besonders der Stil von THE SOUND, KILLING JOKE und JOY DIVISON. Wie habt ihr diesen Sound entwickelt, wie muss man sich das Songwriting vorstellen? Wer steht auf und sagt: „Lasst uns Goth-Rock machen!“?
Sara: Um ehrlich zu sein hat es recht lange gedauert an den Punkt zu kommen. Am Anfang haben wir uns angesehen und gedacht: „Was zur Hölle machen wir jetzt?“. (lacht) Es hat eine Menge Zeit gebraucht, eine Menge Nachdenken und eine Menge Musizieren. Wir haben uns in einer alten Villa hier in der Umgebung eingeschlossen und gedacht: Lasst uns tiefer graben. Wir haben also gedacht und geschrieben, und wir haben eine Menge Austausch untereinander. Wir sind gern zusammen und jeder hat Mitsprache an dem Material, wir arbeiten miteinander. Ich denke also, es ist ein Pfad, der sich gezeigt hat, während wir ihn beschritten.
Rocco: Ja, das war definitiv nicht unmittelbar.
Sara: Wir haben schon daran gedacht etwas zu machen, das anders ist als zuvor. Und wir waren schon immer eine Band, die viel in die 1970er-Jahre geschaut hat. Das wollten wir ändern.
Rocco: Wahrscheinlich war es sogar der natürliche Schritt vorwärts. Ausgehend von drei Alben, die schwer beeinflusst waren von dem 70er-Vibe, war es vielleicht die natürliche Entwicklung. Ich sage das jetzt so, ohne es zu genau zu durchdenken… (lacht)
Songwriting ist also kein festgelegter Prozess mit Whiteboard und genauem Plan?
Rocco: Marco (Bass) oder Alberto (Gitarre), oder bei „The Spin“ auch Sara, kommen mit einem Riff…
Sara: Das vergesse ich immer! Es war das erste Mal, dass ich etwas geschrieben habe, was nicht nur die Vocals sind! (lacht)
Rocco: Jemand kommt also mit einem Riff, und wir entwickeln es weiter. Wir denken nach, was funktioniert, wir verbringen viel Zeit damit zu verstehen, ob das Riff mit einem anderen zusammen funktioniert, ob die Bridge cool ist. Und wir nehmen das auf mit einem kleinen Recorder, um zu verstehen, ob das klappt. Und ob es smooth ist, leicht anzuhören. Wir haben uns entschieden, dass „The Spin“ nur eine Platte werden soll, keine Doppel-LP. Am Anfang waren die Songs viel länger, wir haben uns also entschieden, die Songs zu verschlanken. Nicht bei den Riffs, aber bei den Wiederholungen. Wir haben die Songs verdichtet und unseren Sound-Guy gefragt, was er darüber denkt, und auch einige Freunde. So als erstes Feed-Back. Das ist sehr wichtig für mich. Und dann sind wir losgegangen und haben alles fixiert, arrangiert. Mit den Synthesizern, einem neuen Element in unserer Musik, etwas, was Marco lernen musste zu spielen. Mit seinen Füßen!
Sara: Ich glaube, er bereut das immer noch. (lacht)
Rocco: Bassgitarre, Synthies mit dem Fuß, linke Hand auf einem anderen Synthesizer, er brauchte also auch die Zeit um zu verstehen, wie das funktioniert. Es ist in neues Thema, das du erlernen musst.
Weiter geht es mit Ansichten zu David Lynch und Phil Collins auf Seite 2.
Auch die Gitarrenarbeit hat eine Menge Glam in sich. Du hast es bereits gesagt: Es war bei euch immer nötig bestimmte Fähigkeiten neu zu erlernen, wie beispielsweise die Oud auf „Close“. Was war die größte Herausforderung bei „The Spin“?
Rocco: Für mich als Schlagzeuger war es das „leichtere“ Spielen. Ich bin eine Art Doom-Drummer, und das ist jetzt kein extremes Drumming bei MESSA. Ich habe immer eine Menge Reverb in meinem Drumming benutzt, aber es musste diesmal besonders effektiv sein, besonders tight. Die Muster auf den Toms sind superleicht. Nichts Besonderes, aber es dauerte eine Weile, du musst dein Mindset ändern. Das ist meine Erfahrung mit der Entwicklung dieses Albums. Ich denke, das gleiche gilt für Alberto, er ist ein Blues-Gitarrist. Das Spielen mit einem vollkommen anderen Sound – er spielt einen Telecaster. Ich dachte, ich sehe Alberto niemals mit einem Telecaster! (lacht).
Aber wir wollten, dass es funktioniert. Wir haben unsere Skills und unser Ego draußen gelassen, um sicherzustellen, dass alles vernünftig läuft. Wir haben unser Ego für das Album geopfert! (lacht).
Sara: Das klingt sehr Metal! (lacht)
Das werde ich als Headline nutzen!
Sara: Alle Teile, die wir in dem Album spielen, müssen den Songs dienen. Das ist elementar. Es geht nicht darum seine Skills einzusetzen, nur um zu zeigen, was man kann. Es ist eher: Bereichert diese Gesanglinie den Song? Passt das Solo? Das Trompeten-Solo, das einen Dialog mit der Gitarre aufnimmt, bringt das einen Wert für den Song? Ja oder Nein? Wie gesagt, deshalb hat das alles seine Zeit gebraucht. Wir wollten das auf eine bestimmte Art haben.
Während ich „The Spin“ gehört habe, habe ich sofort an „Blue Velvet von David Lynch gedacht…
Sara: Das ist ein schönes Kompliment. Ich bin ein großer Fan von David Lynch!
Viel Angelo Badalamenti gibt es, besonders bei „At Races“. Die Songs haben etwas Beunruhigendes, etwas Mysteriöses. Gibt es eine bestimmte Stimmung oder ein Bild, das ihr erschaffen wollt? Oder ist das Bild in eurem Kopf und es landet einfach auf der Platte?
Sara: Das ist nicht gleich bei allen Songs. Bei einigen Titeln hatten wir ein klares Bild im Kopf. Bei einigen Songs hatten wir zuerst die Texte und ich habe eine Skizze der Texte erarbeitet, die dann teilweise auf der Platte gelandet sind. Das war dann nur ich mit den Texten an einem Synthesizer und mit einer Gitarre am Experimentieren. Dann haben wir das zusammen arrangiert und ein anders Ergebnis kam heraus, aber die Stimmung und die Absicht sind immer noch identisch. Jeder Song hat eine andere Geschichte. „Immolation“ zum Beispiel ist wahrscheinlich die erste Ballade, die wir je gemacht haben. Wir haben schon Witze darüber gemacht, wir hatten den Song schon vor drei Jahren, aber es war ein komplett anderer Song.
Rocco: Es war eher eine GRAVEYARD-Ballade.
Sara: GRAVEYARD sind eine Band, die wir wirklich gern mögen. Aber das war keine Stimmung, nach der wir gesucht haben für „The Spin“. Wir wollten eher in die 1980er. Wir mussten den Song tausendmal arrangieren um zu einem Ergebnis zu kommen. Das war der Song der wohl am längsten gedauert hat bis zur finalen Form.
Rocco: Ich erinnere mich, den Anfang haben Alberto und ich versucht rockig zu spielen. Wir haben ein, sagen wir mal: Phil Collins-Vibe versucht. Halt wie die Eighties. Aber ich kann das nicht spielen. Dieses „In The Air Tonight“. Es gruselt mich. Das ist nicht „My Cup Of Tea“.
Sara: (lacht)
Rocco: Aber irgendwann schlug ich vor: Warum nicht nur Piano und Gesang am Anfang?
Sara: Wir sprachen über WASP und WHITE LION und: Was ist das dollste 1980er-Ding, das man machen kann? Eine Ballade! Ich meine, es ist unsere Ansicht, was eine Ballade bedeutet. Aber wir haben mit den Vocals und dem Piano weiter gemacht.
Ihr braucht also auch ein Piano und Kerzenleuchter auf der Bühne?
Sara: Wir hatten schon ein Piano auf Tour und ich sage: Nie wieder!
Noch ein kurzer Blick auf das Roadburn-Festival. Ihr spielt „The Spin“ und es gibt sogar eine spezielle Roadburn-Edition des Albums auf Vinyl. Ihr habt dort schon mehrfach gespielt, auch Secret-Shows. Was macht dieses Festival so besonders für euch?
Sara: Es ist wirklich sehr besonders. Die Atmosphäre ist fantastisch, man hat das Gefühl Teil von etwas Besonderem zu sein, egal ob man als Gast oder Künstler dabei ist. Das Publi8kum ist fokussiert auf dich, egal welches Genre du spielst. Alle sind dabei, nicht abgelenkt an den Handys, sondern dabei für die Musik.
Rocco: Als Musiker schätze ich sehr, dass ich fühle, dass das Publikum fokussiert ist auf das, was ich tue. Als Musiker ist das unvergleichlich. Wenn ich Leute mit geschlossenen Augen sehe, die nur zuhören, das ist ein tolles Gefühl. Das ist berührend.
Sara: Und auch aus technischer Sicht, weil es ja auch dazugehört: Die Locations, wo das Roadburn stattfindet, sind unglaublich gut. Der Sound ist fantastisch. Es sind Locations, die unglaublich gut darin sind ein solches Event auszurichten, sowohl für Gäste als auch für Bands. Es erlaubt die beste Manifestierung der Vision, die ein Künstler hat. Es ist toll.
Die Zeit läuft leider ab, ein paar finale Worte gehören aber noch euch!
Sara: Es klingt vielleicht etwas naiv, aber ich bin glücklich mit dem, was ich tue gerade. Ich glaube, ich habe ein großes Privileg, insbesondere, wenn ich mich auf der Welt umschaue. Ich bin froh, dass ich die Gelegenheit habe Musik zu machen mit Menschen, mit denen ich verbunden bin, als Kollegen und Freunde. Ich hoffe, das weiter machen zu können, mit der gleichen Intensität, Liebe und dem Schmerz, den ich fühle.
