Motorowl
"Das sind meine vier besten Freunde auf der Welt und daran wird sich so schnell nichts ändern."

Interview

Mit ihrem aktuellen und nach viel zu langer Wartezeit erscheinenden Album “This House Has No Center” haben die Thüringer MOTOROWL eine der großartigsten zeitgenössischen Classic-Rock-Platten aller Zeiten aufs Band gezaubert. Ursprünglich wollten wir der Band bereits bei der Release-Show in Leipzig Mitte Februar zu dieser Leistung gratulieren und mehr über das Album erfahren. Das funktionierte durch technische Probleme beim Soundcheck leider nicht, was aber dazu führte, dass wir es uns in aller Ruhe bei einem wohlgezapften Kaltgetränk an einem Mittwochabend in der vielleicht schönsten Kneipe Leipzigs gemütlich machten und wesentlich tiefgründiger mit Sänger und Gitarrist Max Hemmann über das Album sprechen konnten.

So sieht das Album aus, nach dem ihr Ausschau halten sollt, wenn ihr Geschmack habt.

Der etwas längere Weg zu “This House Has No Center”

Als erstes interessiert uns natürlich brennend, warum seit “Atlas” auffällige sechs Jahre ins Land zogen und “This House Has No Center” erst dieses Jahr erscheint. “Uns war irgendwann einfach langweilig”, grinst Max. “Wir haben 2019 angefangen die Platte zu schreiben, als wir gerade auf Tour mit den TRUCKFIGHTERS in Schweden waren. An ein paar Off-Days haben wir uns in Hamburg einen Proberaum gemietet und angefangen mit dem Songwriting. Aufgrund einiger privater Dinge, um die wir uns kümmern mussten, haben wir die Band aber auch ‘kurz’ mal ein halbes Jahr vergessen. Ich war dann mit meiner Freundin mehrere Monate in unserer Waldhütte, wo mir ein wenig die Decke auf den Kopf gefallen ist, sodass ich dann angefangen habe, die Platte vorzuproduzieren. Von da an war der Zyklus sogar recht normal“, lacht er.

Sechs Jahre soll es bis zum nächsten Album allerdings nicht wieder dauern. “Dazu kam noch die Labelsuche. Wir haben im Gegensatz zu vielen nicht ‘das Netz ausgeworfen’ und geschaut, wer anbeißt. Wir und unsere Agentur haben uns sehr genau überlegt, mit wem wir arbeiten wollen. Die erste Person, die wir haben wollen, hat uns dann auch unter Vertrag genommen”, schließt er und meint Robby von Supreme Chaos Records.

Die beachtliche Fülle an kompositorischen und produktionstechnischen Details lässt darauf schließen, dass MOTOROWL auch gerne mal länger an einer Idee tüfteln – oder fällt den Herren solch ein Album etwa leicht? “Auf keinen Fall! Wir brauchen sogar recht lange, um Songs zu schreiben. Meistens komme ich mit einer grob ausformulierten Idee oder einem Demo in den Proberaum – das wird dann aber meistens umgeworfen, bis nur noch das Gitarrenriff bleibt. Der eigentliche Song entsteht sozusagen erst mit den Jungs.” Zum ersten Mal gibt es auf einem MOTOROWL-Album sogar einen Song, mit dem Max überhaupt nichts zu tun hatte, und zwar das skurril betitelte “Hundelbude”, doch dazu später mehr.

Songwriting bei MOTOROWL

Vergleiche zum eigenen bisherigen Schaffen blenden MOTOROWL selbst beim Songwriting weitgehend aus. “Vielleicht fehlt uns das ein bisschen. Also nicht mir persönlich, aber ich kriege immer mal gespiegelt, dass wir nicht so ein stringentes Songwriting verfolgen. Man erkennt uns an unserer Spielweise und den Riffs vielleicht, aber wir haben kein Reißbrett. Es gibt eine Flipchart, da stehen recht wilde Namen für die Parts drauf, à la ‘Shrek III’ – beginnt mit dem ‘Ritter-Part’ und solche Geschichten. Nur bei ‘Future Nostalgia’ hatten wir das Gefühl, es wird unser ‘Atlas II’, einfach weil das unser ‘Hit’ ist und so fühlt sich ‘Future Nostalgia’ auch an.”

Musikalisch sehr zufrieden: Max Hemmann.

Der Gemeinschaftsgeist schlägt sich nicht nur in albernen Arbeitstiteln oder dem Ansatz beim Songwriting durch, er ist auch auf der Bühne spürbar. MOTOROWL sind zu jeder Sekunde souverän und professionell, aber auch sichtbar gut miteinander befreundet. “Auf jeden Fall, das sind meine vier besten Freunde auf der Welt, daran wird sich so schnell nichts mehr ändern. Wenn wir mal mit Auswechslern spielen, dann, weil jemand nicht kann, weil er sich beim Rugby verletzt hat. Kannst dir überlegen, wer in der Band Rugby spielt“, sagt er und lacht dreckig.

“Wir haben im Zuge der vielen Shows zu ‘Atlas’ alle vielleicht ein paar kleine Bühnen-Egos entwickelt, die freundschaftlich sonst schwer zu bearbeiten wären, aber da stehen wir zum Glück drüber. Und wir machen fast alle exklusiv miteinander Musik”, gibt der Frontmann zu Protokoll. Es liegt nahe, dass MOTOROWL aufgrund dieser Konstellation von Charakteren so speziell klingen. Es verwundert jedoch nicht, dass bei den ersten gemeinsamen Zusammenkünften hauptsächlich DEEP-PURPLE-Songs gecovert wurden.

“This House Has No Center” und seine Songs

Die Stärke von “This House Has No Center” liegt in seiner durchdachten, geradezu filmischen Struktur. “All Bells Ring” und das post-punkige “Lie To The Creator” geben der Platte zu Beginn ordentlich Energie, nehmen aber noch nicht die gesamte kreative Spannweite vorweg. “Die Songs haben wir nicht bewusst als Opener geschrieben, aber sie standen sehr früh im Songwritingprozess. Die Hook von ‘Lie To The Creator’ war sogar einer der ersten Parts, die ich für das Album geschrieben habe. Ursprünglich ging das in Richtung AOR-Stadionrock, das haben mir die Jungs allerdings nicht durchgehen lassen.”

Das geradezu friedliche, neo-proggige “Fences” täuscht jedoch über seinen Inhalt hinweg. “Ich mahne da schon sehr deutlich diverse Krisen an, gegen die nichts getan wird. Ich bin ein sehr politischer Mensch, aber ich tue mich schwer damit, politische Songs zu schreiben.” In dem bereits erwähnten “Future Nostalgia” wird es allerdings noch mal recht deutlich politisch. “Es geht darum, dass wir ein verklärtes Bild von der Zukunft haben, was wir als Gesellschaft seit den Sechzigern mit uns herumtragen. Wir träumen von mehr Freiheit, selbstfahrenden Autos und so weiter – was machen wir daraus? Acht Stunden Bildschirmzeit täglich.” Kaum zu glauben, dass “Future Nostalgia” bei so viel Hit-Faktor ursprünglich als potentielle B-Seite gedacht war.

Schwere Zeiten für MOTOROWL

Ein weiteres Highlight ist der folgende Song, “Lightweight Champion”, der vor allem durch seinen sehr emotional vorgetragenen Gesang überzeugt. “Dankeschön! Der Song ist eine echte Herausforderung für mich, deshalb spielen wir ihn im Set auch weit am Anfang. Er verlangt meiner Stimme sehr viel ab und ist schwierig zu singen. Es hat lange gedauert, den Text zur Musik zu bringen. Den Text gibt es schon sehr lange, es geht um Tod und um sehr persönliche Erfahrungen mit dem Tod.” Der Verlust nahestehender Personen von gleich mehreren Bandmitgliedern zu Beginn des Jahrzehnts prägte das Album durchaus an mehreren Stellen, wie ich Max im Gespräch zwischen den Zeilen entnehme, diesen Song jedoch am unmittelbarsten.


Gewiss muss Max unseren Leser:innen auch noch erklären, was eine ‘Hundelbude’ ist. “Stimmt, das Wort ist immer noch sehr schwer zu googlen. Die Hundelbude, um die es geht, ist ein Haus in einem Granit-Tagebau. Darin befindet sich ein Doppelschlaghammer, der das Granit zu Kies zerkleinert. Das Besondere an dem Raum ist, dass das auch der Pausenraum für die Bergarbeiter ist. Das heißt, der Doppelschlaghammer, der das Granit zerdrischt, ist ohne Wand in dem gleichen Raum, in dem Personen während ihrer Schicht Pause machen. Als ich das gelesen habe, dachte ich ‘Wow, wie stressig!’ und fand das so beeindruckend, dass ich darüber einen Text schreiben musste. Ich habe mich spielerisch am Anfang schwer getan mit dem Song, aber inzwischen ist es einer derer im Set, auf die ich mich am meisten freue.”

Mitunter inspirieren Max auch heitere Anlässe zu Songideen, wie ein Meme in einer gemeinsamen Whatsapp-Gruppe mit der befreundeten Band WUCAN, was zu dem epischen Schlusssong “Forever Box” führte. Unpersönlichere Themen fallen ihm auf der Bühne leichter “und ich möchte die Songs ja auch noch ein paar Jahre singen.”

Der Stand der Dinge

Nach so einer langen Zeit fühlt es sich sicher gut an, die Platte endlich präsentieren zu können. „Sie ist inklusive Mix und Mastering seit anderthalb Jahren fertig. Beim Mixen und Mastern war ich zudem sehr detailverliebt und wollte jedes Ping und jedes Pong durcharrangiert haben. Es macht ultra Spaß, die Songs jetzt endlich auf die Bühne zu bringen. Da fällt schon eine Riesenlast von uns ab, zumal wir dieses Jahr sehr viele Konzerte spielen werden. Ich glaube, es wurde auch noch keine Platte vorher so gut angenommen. Die Verkäufe sehen gut aus, die Shows werden gut besucht. Ich kann mich überhaupt nicht beschweren, das ist das schönste Kompliment.”

So zufrieden, wie MOTOROWL selbst mit dem Album sind, könnte sie sich als richtungsweisend für die Zukunft erweisen. “Auf jeden Fall, ich mag die Platte total. Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, diese Songs zu schreiben und sie live zu spielen.” Bei den ersten Ideen für zukünftige Stücke verfolgt die Band momentan dennoch keinen Masterplan. “Wir schreiben wieder erst mal und gucken, was daraus wird.”

Quelle: Max Hemmann
27.03.2024

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

Exit mobile version