Onkel Tom Angelripper
Interview mit Tom Angelripper zu "Nunc Est Bibendum"

Interview

Onkel Tom Angelripper

Elf Jahre liegt das letzte ONKEL TOM ANGELRIPPER-Album nun zurück, und fast hätte ich den Glauben daran, dass die Party-Kombo um den SODOM-Fronter noch einmal von sich hören lässt, verloren. Doch nun steht „Nunc Est Bibendum“ in den Läden. Grund genug, den Herrn Angelripper ins Kreuzverhör zu nehmen.

 

Guten Morgen, Tom! Na, wie geht’s dir?

Ich habe zwar momentan viel zu tun, da die Veröffentlichung des neuen Albums bevor steht, aber mir gehts gut!

Als ich die Info bekam, dass wir um 11 Uhr vormittags dieses Interview führen, musste ich spontan an einen Song denken, den du vor ca. 20 Jahren geschrieben hast, in dem es so treffend hieß: „Morgens um 8, mitten in der Nacht…“. Wie kommts denn, dass du 20 Jahre später um diese Zeit schon kräftig Interviews beantwortest?

Klar, “Der Wachturm”! Ja, heutzutage liegt meine Zeit so zwischen 8 und 9 Uhr morgens. Das war vor 20 Jahren natürlich ganz anders, aber das ist jetzt vorbei.

Sag bloß, du bist erwachsen geworden?

Ja genau, erwachsen, haha! Und alt!

Euer neues Album “Nunc Est Bibendum” ist das erste seit elf Jahren. Die Band hat allerdings nie wirklich auf Eis gelegen. Warum hats trotzdem so lange gedauert?

Ja, richtig, live haben wir immer in der alten Besetzung gespielt. Problematisch war allerdings einfach die Distanz zwischen uns. Wir konnten uns nie einfach mal treffen und proben, neue Songs schreiben. Wir haben uns zwar super verstanden, aber es hat einfach nicht funktioniert. Songs am PC entwickeln und MP3s umher schicken, das war einfach nie mein Ding. Schon vor Jahren habe ich den Jungs gesagt, dass ich mir dann lieber Leute aus meinem Umfeld suche, hatte aber ziemlich viel mit SODOM zu tun. Nun war die Zeit allerdings reif, da dachte ich mir, das packe ich jetzt an!

Dass der Zeitpunkt für dich gerade jetzt reif war, hat mich allerdings gewundert! Du hast gerade erst ein neues SODOM-Album und eines mit DIE KNAPPEN veröffentlicht, wie hast du es denn dann unter einen Hut bekommen, auch noch eine neue ONKEL TOM-Platte fertigzustellen?

Ach, als Profimusiker muss man eigentlich sowieso in der Lage sein, jedes Jahr ein neues Album zu machen, und ich bin außerdem ständig kreativ und kann gar nicht einfach nur daheim rumsitzen und keine Musik schreiben. Also bin ich einfach ein Projekt nach dem anderen angegangen, aufgrund der verschiedenen Plattenfirmen – SODOM sind momentan bei SPV und ONKEL TOM bei Drakkar – kamen sich die möglichen Veröffentlichungstermine auch nicht in die Quere, sodass ich einfach eine Scheibe nach der anderen eintüten konnte.

Alles klar, dann lass uns doch mal ein wenig über das Album sprechen! Zuerst fällt natürlich das Artwork auf, was meiner Meinung nach ziemlich cool geworden ist. Bist du denn persönlich Fan der BEATLES, dass du auf die Idee kamst, oder fandest du das Motiv einfach nur cool?

Fan der BEATLES bin ich eigentlich nicht, aber natürlich kenne ich die Platte und das Cover. Bei einem Brainstorming mit unserem Plattenchef hatten wir dann irgendwann den Einfall, das Cover so zu gestalten, dass wir am nächsten Morgen nach einer Party gleich wieder Bier holen gehen. So entstand die Idee. Die Umsetzung war dann aber gar nicht so einfach. Aus dem Stegreif hätte ich dir nicht sagen können, wo der nächste Zebrastreifen in einer Straße ist, die ein bisschen wie eine Allee aussieht. Wir haben dann bei der Polizei angerufen und uns das sagen lassen. Hat wirklich Spaß gemacht!

Auf dem Album sind erstmals nicht nur Cover-Songs, sondern auch viele Eigenkompositionen. Habt ihr euch vorher überlegt, dass ihr dieses Mal auch eigene Songs auf dem Album veröffentlichen wollt oder sind euch einfach nicht genug Songs eingefallen, die ihr noch covern könntet?

Die meisten Cover haben wir tatsächlich schon verbraten, also waren wir in der Verlegenheit, eigenes Zeug schreiben zu müssen. Dadurch, dass wir allerdings alle nebenbei noch in mehreren anderen Bands unterschiedlichster Stile spielen, ist das Resultat sehr vielfältig geworden. Wir können Metal spielen genauso wie Punk, Rock oder Schlager! ONKEL TOM ist eben nicht nur eine reine Party-Band, die am Ende des Abends die Leute aus dem Club schmeißen soll, wir sind eine vollwertige Band, und das ist uns auch wichtig. Es ist einfach sehr schön, dass wir wirklich alles auf einmal machen können und die Songs trotzdem allesamt coole Refrains haben, die man mitgrölen kann und die man nicht mehr vergisst.

Du sagtest gerade schon, dass ihr keine reine Party-Band seid und hast mir da ein wenig vorgegriffen. Gerade weil ihr diesmal viel eigenes Material geschrieben habt und nicht mehr lediglich Trinklieder covert, hat mich natürlich fragen lassen, ob ihr vielleicht mit einem anderen Anspruch als bei den bisherigen Alben an „Nunc Est Bibendum“ heran gegangen seid – auch, weil du dich seit dem letzten ONKEL TOM-Album auch persönlich weiter entwickelt hast.

Einerseits wollten wir schon an die alten ONKEL TOM-Sachen anknüpfen und wieder einige Cover bringen, klar. Doch andererseits hatte das diesmal schon einen anderen Stellenwert. Ich kenne sogar Leute, die mir gesagt haben, sie haben sich die Cover gar nicht angehört, sondern nur noch die eigenen Sachen. Es war also eine Art Kompromiss. Wir haben allerdings auch noch einige weitere Cover aufgenommen, die wir letztendlich nicht veröffentlichen durften, weil die Urheber nicht zugestimmt haben.

Zum Beispiel?

Beispielsweise von Otto “Wir haben Grund zu feiern”, “Hätten wir lieber das Geld vergraben” oder “Nach Hause gehen wir nicht!”, die kennt man ja. Man muss sich dann immer informieren, ob der Komponist noch lebt, den dann kontaktieren usw. Ein Komponist war schon gestorben, und seine Tochter hat sich über uns schlau gemacht und wollte dann nicht, dass wir den Song ihres Vaters verwursten, weil der an Leberzirrhose gestorben war. Das ist zwar schade, wenn man die Sachen bereits aufgenommen hat, aber natürlich auch verständlich.

Ich würde mit dir gern noch etwas näher über die Texte des Albums sprechen. Ich nenne dir am besten einfach ein paar Titel und du erzählst mir, was sie dir bedeuten, warum du sie geschrieben hast, usw.


„Auf immer und ewig“:
Dieser Song wird meistens mit den BOEHSEn ONKELZ in Verbindung gebracht, was ich zwar nachvollziehen kann, jedoch bin ich eigentlich kein Fan der Band, keiner von uns. Wir wollten uns damit einfach mal bei unseren Fans bedanken, dass sie so lange gewartet haben und uns treu geblieben sind. Ich weiß ja selbst, wie es als Fan ist, jahrelang auf ein neues Album zu warten, das kann ich auch auf unseren Konzerten nicht oft genug sagen: Ohne die Fans geht gar nichts!

„Lemmy macht mir Mut“:
Das hat mir irgendwann auf einem MOTÖRHEAD-Konzert jemand ins Ohr geflüstert. Ich habe dann gefragt, warum, und er antwortet mir nur, wie beeindruckend es ist, dass Lemmy jeden Tag drei Pullen Jack Daniels saufen und rauchen kann und noch immer lebt. Das kann zwar meiner Meinung nach auch in die Hose gehen, aber eine Ikone ist er auf jeden Fall. Er ist einfach Rock’n’Roll, er hat sein Leben der Musik gewidmet, und auch wenn dieser Lebensstil nichts für mich wäre, so wollte ich ihm mit diesem Song einfach mal meine Anerkennung für sein Lebenswerk ausdrücken.

„Bon Scott hab‘ ich noch live gesehn“:
Den Song haben wir bereits auf einer Mini veröffentlicht, aber dachten, wir nehmen ihn in der neuen Besetzung nochmal neu auf. Bon Scott habe ich 1979 live gesehen, mit JUDAS PRIEST als Vorgruppe, ein Jahr später ist er dann gestorben. Das werde ich nie vergessen! Solche Erlebnisse, von denen man später seinen Kindern und Enkelkindern erzählt, sind doch so viel wichtiger als irgendwelche materiellen Dinge. Und der Song kommt live immer richtig gut an, obwohl die meisten unserer Fans selbst viel zu jung sind, um Bon Scott auch live gesehen haben zu können, haha.

Kurze Zwischenfrage: gibt’s denn noch andere Erlebnisse, an die du auf diese Art zurück denkst?

Eigentlich fast alle Konzerte größerer Bands Anfang der 80er Jahre, das waren damals noch richtige Highlights für uns. Das war die beste Zeit meines Lebens!

Kannst du genauer festmachen, woran das liegt, dass du über die 80er so schwärmst? Was war denn früher so viel besser, was vermisst du vielleicht heute?

Die Szene war damals einfach überschaubarer. Jeder kannte jeden, wir waren alle wie eine große Familie. Abgesehen davon war die Musik damals meiner Meinung nach auch einfach besser als die heute. Nimmt man sich heutzutage mal eine Metal-Zeitschrift zur Hand, liest du gleich über hunderte Platten, die in diesem Monat erscheinen – wer soll das denn bitte alles kaufen? Ob die Szene damals wirklich besser war, kann man so wohl nicht sagen, aber es war damals einfach noch etwas besonderes, Metaller zu sein. Das war eine Revolution! Aber die Zeiten ändern sich nun mal, da bleibt einem nichts anderes übrig, als in Erinnerungen zu schwelgen, und irgendwie kommt es mir auch noch immer vor wie gestern!

Okay, zurück zu den Songs, ein paar hab ich noch für dich!

„Drink doch ene met“:
Wir haben erst überlegt, den Song auf Hochdeutsch oder so zu singen, aber das wäre nicht so gut angekommen, der Titel lebt wirklich vom Dialekt. Dann haben wir überlegt, ihn richtig zu zerhacken und ne Thrash Metal-Version draus zu machen, aber wir wollten ihn dann auch nicht zu kaputt machen. Schlussendlich ist dann zwar eine eigene Interpretation von uns heraus gekommen, aber es kann noch jeder problemlos mitsingen, der das Original kennt!

Schlussendlich: „Auf nach Wacken!“, der sowohl ONKEL TOM als auch SODOM dieses Jahr tatsächlich nach Wacken gebracht hat.

Wacken ist eigentlich immer cool, aber dieses Jahr hatte ich, besonders wegen des Auftritts Roberto Blancos bei der SODOM-Show eine Menge zu tun und viele Interviews zu geben. Dennoch war es ziemlich fett, auch wenn wir nach den Tagen allesamt krank und total ausgelaugt waren. Dafür waren die Auftritte, auch der mit ONKEL TOM, einfach super, mehr kann man nicht verlangen! Was den Song angeht, so haben wir ihn nicht als offizielle Hymne für das Festival geschrieben oder so, viele andere Bands haben auch schon Songs über Wacken geschrieben, aber ich finde, unser „Auf nach Wacken!“ bringt es einfach auf den Punkt,

Wo können denn diejenigen, die nicht in Wacken waren, euch mit den neuen Songs mal live sehen?

Ach, wir spielen immer mal wieder hier und da ein paar Shows, auf Festivals oder auch kleinere Geschichten. Eine Tour wird es erstmal nicht geben, aber vielleicht nächstes Jahr.

Wie geht’s denn mit ONKEL TOM weiter? Schreibt ihr schon neues Material, oder müssen die Fans wieder elf Jahre warten?

Klar, ich mache keine Pause, und wir sammeln schon wieder neue Ideen und überlegen auch gerade, eine DVD mit der neuen Besetzung zu machen. Allerdings nicht auf einer großen Bühne, ONKEL TOM ist eigentlich eher eine Club-Band. Wir holen auch immer gern die Leute auf die Bühne, was auf großen Festivals nicht möglich ist. Auf jeden Fall werden wir nicht wieder zehn Jahre Pause machen!

Und gibt’s von SODOM vielleicht auch schon wieder etwas neues zu berichten?

Na klar, man kann nicht einfach aufhören und nichts tun! Makka, unser neuer Drummer, ist der totale Speed-Metal-Fan und dementsprechend auch super schnell, was auch auf dem kommenden SODOM-Album zu hören sein wird. Viele sagen uns immer, dass wir wieder schnellere Sachen spielen sollen wie auf den frühen Alben, und das machen wir jetzt einfach wieder! Wir besinnen uns auf die alten SODOM-Werte zurück und wollen back to the roots!

Alles klar, dann hab vielen Dank für das Interview!

Ebenfalls, man sieht sich!

21.09.2011
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