Revocation
"Wenn eine Maschine alles schneller und billiger erledigen kann – wie vermeiden wir, dass wir letztlich ersetzt werden?"
Interview
Mit „New Gods, New Masters“ erschien kürzlich das neunte REVOCATION-Album. Wir sprachen mit David Davidson über die Platte, die textliche Ausrichtung und die verschiedenen Featuregäste.
Hi, danke, dass du dir Zeit nimmst! „New Gods, New Masters“ ist euer neuntes Album seit 2008. Wie fügt es sich in euer bisheriges Werk ein und welche neuen Aspekte bringt es mit?
Für mich ist jedes REVOCATION-Album eine Weiterentwicklung unseres Sounds. Wir bauen auf dem bisherigen Werk auf, aber entdecken gleichzeitig neues Terrain. Über die Jahre haben wir viele verschiedene Facetten von Extreme Metal ausprobiert, dadurch habe ich beim Songwriting immer eine Menge Stellschrauben, um etwas Frisches zu kreieren. Mein Ziel ist es, dass die Leute sagen: „Das klingt nach REVOCATION!“ – und trotzdem immer wieder überrascht werden.
KI ist ein großes Thema auf dem Album. Warum hast du dich dafür entschieden, eher dystopisch darüber zu schreiben?
Weil ich glaube, dass KI eine echte existenzielle Bedrohung für die Menschheit sein kann. Sollten wir es schaffen, eine künstliche Superintelligenz zu erschaffen, könnte das für unsere Spezies das Ende bedeuten – wenn wir nicht extrem vorsichtig sind. Selbst wenn es nicht so weit kommt, sehe ich viele Szenarien, in denen die Technologie uns nicht wirklich nützt. Jobverluste erleben wir schon jetzt durch Automatisierung. Dazu kommt die Frage, wie sich KI auf unseren Sinn für Zweck und Bedeutung auswirkt. Wenn eine Maschine alles schneller und billiger erledigen kann – wie vermeiden wir, dass wir letztlich ersetzt werden?
Findest du, dass Bots wie ChatGPT mehr Schaden als Nutzen anrichten? Nutzt du selbst KI-Tools? Und was denkst du über die Diskussion um KI-generierte Album-Artworks?
Chatbots können das Leben definitiv erleichtern, aber zu viel Abhängigkeit davon ist gefährlich. Wenn du ChatGPT deine Hausarbeiten schreiben lässt – lernst du dann überhaupt noch etwas? Das ist an Schulen und Unis längst ein Problem. Auf der dunkleren Seite gibt es bereits Beispiele, wo solche Modelle seltsam oder sogar gefährlich reagieren – bis hin dazu, dass sie psychische Probleme bei Usern auslösen.
Ich bin trotzdem kein kompletter Technikverweigerer. Die Modelle, wie sie aktuell existieren, haben meiner Meinung nach noch nicht die Power, die Gesellschaft komplett aus den Angeln zu heben oder uns auszulöschen. Würde man die Entwicklung etwas bremsen oder zurückschrauben, könnten sie unglaublich nützliche Tools sein.
Was Album-Artworks betrifft: Wir werden ausschließlich mit echten Künstler:innen arbeiten. Klingt verrückt, dass man das überhaupt betonen muss – aber so ist die Realität. Mir ist dieser menschliche Touch wichtig und der direkte Austausch mit einer Person. Was Cyborgs betrifft: Mal sehen, das diskutieren wir, wenn es soweit ist (lacht).
„Netherheaven“ hatte Katholizismus als rotes Thema. Ist dir ein Konzept bei einem Album wichtig?
Ich denke gerne konzeptionell, aber es gibt unzählige großartige Alben, die völlig ohne Konzept entstanden sind. Mir hilft es, Ideen zu entwickeln und eine Art Narrativ zu erschaffen – so fühlt sich ein Album kohärenter und wie ein geschlossenes Statement an. Aber ich bin auch offen, in Zukunft Platten zu machen, die ganz anders entstehen. Das hängt immer davon ab, was mich gerade inspiriert.
„Cronenberged“ ist ein genialer Songtitel. Bist du großer „Rick & Morty“- (und natürlich David-Cronenberg-) Fan? Gibt es in den Lyrics eine Anspielung?
Danke! Ich bin definitiv ein großer „Rick & Morty“-Fan und liebe auch viele Filme von Cronenberg. Es hat Spaß gemacht, beides zusammenzuführen. Die Lyrics sind ziemlich brutal, aber ich habe auch ein paar augenzwinkernde Zeilen eingebaut. „Rick & Morty“ sind super darin, abgedrehte, brutale Bilder mit urkomischem Dialog zu kombinieren.
Mit Alex Weber und Harry Lannon habt ihr zwei neue Mitglieder. Wie haben sie zum Album beigetragen, und wie läuft die Zusammenarbeit bisher?
Mit den beiden zu arbeiten ist großartig – super Typen und Wahnsinnsmusiker. Das Album war schon fertig geschrieben, als sie dazukamen, aber Alex hat fantastische Basslines und Fills eingespielt, die dem Ganzen noch eine neue Ebene geben.
Auf dem Album gibt es auch Features. Travis Ryan und Jonny Davy kenne ich, aber wer ist Gilad Hekselman – und wie kam die Zusammenarbeit zustande?
Gilad ist einer der besten Jazz-Gitarristen unserer Zeit, ein einzigartiger Musiker mit unglaublichem Talent und viel Seele im Spiel. Wir haben uns in New York bei einem Gig kennengelernt und sind Freunde geworden. Ich habe ihn gefragt, ob er Lust auf ein Gastsolo hätte – obwohl das weit außerhalb seiner Komfortzone lag. Das Ergebnis war einfach umwerfend. Wir haben inzwischen auch ein Duo-Konzert für den Herbst bestätigt, worauf ich mich sehr freue. Und vielleicht kommt er beim nächsten REVOCATION-Gig in New York sogar mit auf die Bühne für diesen Song.
