The Committee
"Die Atmosphäre von 'Power Through Unity' musste absolut dunkel, morbide, faulig und verdrießlich sein." - Ein Gespräch mit Sänger/Gitarrist Igor Mortis über das Debütalbum

Interview

The Committee

Mit „Power Through Unity“ meldet sich aktuell eine Band auf dem internationalen Markt, die zumindest unter „ungewöhnlich“ verbucht werden kann – und das nicht nur (aber auch) musikalisch: THE COMMITTEE geben als Herkunft überall nur „International“ an, die Protagonisten dahinter bleiben anonym, verbergen sich hinter wortspielhaften Pseudonymen (Igor Mortis, Marc Abre) und haben sich für die Bandfotos mit Sturmmaske ablichten lassen. Sänger und Gitarrist Igor Mortis klärt auf: „Wir bevorzugen es, anonym zu bleiben. Das ist unsere Weise, Ablenkungen zu vermeiden und den Fokus auf das wirklich Wichtige zu lenken: die Musik!“

Formalitäten wollen geklärt sein: THE COMMITTEE, ein außergewöhnliches Projekt

Gut und schön und im Black Metal sicherlich auch gar nicht so ungewöhnlich. Aber das ist ja nicht das einzige, was THE COMMITTEE zu einem schon formal außerordentlichen Projekt macht: Egal wo man guckt, wenn man nach den Ursprüngen der Band sucht, findet man als Angabe überall nur „International“. Ist das nicht umständlich, wenn man versucht, ein Album zu schreiben, Aufnahmen zu koordinieren und so weiter, Herr Mortis? „Mit Ausnahme unseres Keyboarders leben wir momentan alle in Belgien, haben nur alle verschiedene Wurzeln. Zusammenzuarbeiten ist also überhaupt kein Problem.“

Damit erübrigt sich dann eigentlich auch die Frage, wie man überhaupt zusammengefunden hat – Igor hat aber dennoch eine Antwort darauf: „Wir alle reisen gerne, besuchen Festivals und Gigs. Da Menschen nicht in einem Vakuum existieren, ist es unvermeidbar, dass man andere Metalheads kennenlernt, die ihre eigenen Projekte im Sinn haben (oder sie für eine Ausführung irgendwann in der Zukunft beiseite legen). Als erstmal Musik und Ethanol ins Spiel kamen, traf ich eine Menge interessanter Leute. Zufällig haben sich vier davon dem Projekt angeschlossen.“ Das klingt so, als wäre Igor Mortis der Mastermind von THE COMMITTEE. Gibt es denn sowas in der Band, d.h.: Haben wir es bei THE COMMITTEE mit einer Diktatur oder mit einer Demokratie zu tun? „Ja, gibt es: Es gibt fünf Masterminds bei uns. Wir alle tragen unseren teil zum Projekt bei. Eine Diktatur KANN in einer Band funktionieren – sieh dir zum Beispiel DANZIG an. Aber das ist trotzdem nicht unser Stil. Wir mögen es, unsere Ideen zusammenzuwerfen und dann zu analysieren, was davon das beste Ergebnis liefern wird. Aber wir glauben nicht an solche farbigen, aber leeren Worte wie ‚Diktatur‘ oder ‚Demokratie‘. ‚Kollaboration‘ halten wir für passender.“

Und dann ging’s auf einmal ganz fix …

So viel also zur Herkunft der Band. Eine formale Frage ist dann aber doch noch offen: Wieso zum Teufel hat das alles so lange gedauert? Schließlich existieren THE COMMITTEE bereits seit 2007, aber erst 2013 kam mit der EP „Holodomor“ das erste Lebenszeichen. „Am Anfang war THE COMMITTEE ein Ein-Mann-Projekt. Aufgrund vielerlei Gründe (größtenteils meine eigene Faulheit und meine Beschäftigung mit den endlos vielen Dingen des täglichen Lebens), lag das Projekt erstmal eine Weile im Schlaf. Eines Tages hörte Drummer William von dem Projekt, er war interessiert und sah eine Menge Potenzial darin. Wir entschieden uns, das Ganze öffentlich zu machen. Unser Gitarrist und unser Bassist gesellten sich kurz danach zu uns. Von dort aus machten wir die Demo in einer Rekordzeit fertig.“

Und kaum war diese Demo draußen, folgt nun auch schon das Album. Bedenkt man, dass zwischen Bandgründung und Release der ersten Demo-EP sechs Jahre vergingen, ging das nun erstaunlich schnell. Was ist da denn auf einmal passiert? „Die Reaktionen auf ‚Holodomor‘ waren verblüffend. Das gab uns die nötige Motivation, noch härter an den Konzepten zu arbeiten, die wir vorbereitet hatten. Es war nicht von uns geplant, das Full-Length-Album so schnell nach der EP zu veröffentlichen, das passierte einfach und war eine natürliche Entwicklung. Die Idee reifte eh schon eine Weile. Als wir interessante Konzepte, Bücher und andere Materialien recherchierten, kamen wir richtig in Schwung. Gerade jetzt sitzen wir auch nicht still, sondern bereiten neues Zeug für die Zukunft vor.“

Unvergleichlich – und vor allem nicht matschig!

Halt, stopp, Moment kurz, bitte! Erstmal gilt es noch, über das aktuelle Album zu reden: „Power Through Unity“. Und das ist, gelinde gesagt, nahezu unvergleichbar mit dem allermeisten, was bisher so im Grenzbereich zwischen Black und Doom Metal veröffentlicht wurde. So wirklich fällt dem Verfasser dieses Textes generell nur eine Band ein, die mit dem vergleichbar ist, was THE COMMITTEE machen: THE RUINS OF BEVERAST, und zwar deren frühere Alben „Unlock The Shrine“ und „Rain Upon The Impure“. (Weitere grob – und wirklich nur grob – vergleichbare Bands wären das mit THE RUINS OF BEVERAST um fünf Ecken verwandte Projekt ABUSUS sowie die Amis KRIEG auf deren „The Black House“-Album.) Wie gesagt, all das kommt höchstens ungefähr hin. Aber wo würde Igor denn selbst die Einflüsse für THE COMMITTEE sehen? „Wir fünf haben alle unsere persönlichen Stile. Das erstreckt sich von Black und Death Metal hin zu frühen Einflüssen wie VENOM und BLACK SABBATH. Das ist, was wir an unserer Kollaboration so mögen. Die Einflüsse sind weit verstreut und das erlaubt der Musik, aus allen möglichen Richtungen zu kommen. Das treffendste Beispiel dafür wären SKYFORGER. Man kann ganz klar hören, dass sie sich um ‚Regeln‘ und ‚vorgefestigten Auffassungen‘ davon, was Metal sei, herumdrücken. Damit sind sie eine der besten Livebands, die wir seit einer Weile gesehen haben.“

So viel zu den Einflüssen, wenngleich man VENOM und BLACK SABBATH wohl nur ganz, ganz entfernt im Konzept von THE COMMITTEE erkennen kann. Statt ganz alten Heroen zu huldigen, konzentrieren sich die fünf Herren nämlich darauf, mit ihrem Black-/Doom-Mischling ein möglichst düstere und packende Stimmung zu erzeugen, die aber dennoch eingängig wie Sau ist. Mittel der Wahl scheint der Sound auf „Power Through Unity“ zu sein, der sich sehr hintergründig und walzend aus den Boxen drückt (böse Zungen würden sagen, das Album klänge dumpf). Dieser Klang sorgt dafür, dass man schon genau hinhören muss, um all die feinen Ohrenbonbons zu finden, die Herr Mortis und seine Kollaboratoren auf „Power Through Unity“ verstreut haben. Aber, und das ist der Knackpunkt, hört man so genau hin, wird man mit einem wirklich eingängigen Album belohnt – und da man so konzentriert hingehört hat, hat man gar nicht mitbekommen, wie einen THE COMMITTEE gleichzeitig und quasi wie nebenbei mit ihrer unheimlich dichten Atmosphäre eingefangen haben.

Igor freut sich über diese Worte: „Nach all der Kritik an dem ‚matschigen‘ Sound von ‚Power Through Unity‘ bist du der erste, der das sagt und den Punkt komplett verstanden hat. Weißt du, im vergangenen Jahrhundert haben viele Staaten Forschung darüber betrieben, wie Klang den menschlichen Geist beeinflusst. Die Atmosphäre von ‚Power Through Unity‘ musste absolut dunkel, morbide, faulig und verdrießlich sein. Bevor wir analysieren, was wir spielen, muss es sich erst einmal gut anfühlen. Wenn es sich richtig anfühlt, behalten wir es. Wenn nicht, werfen wir es raus und machen weiter. Für uns ist Metal absolut göttlich. Er saugt dich ein und lässt dich nie wieder los. Das bedeutet, dass die Message an unsere Fans mit so vielen Sinnen wie möglich gefühlt werden muss. Wir hoffen, dass wir auch bei kommenden Liveshows denselben Sound wie auf ‚Power Through Unity‘ hinbekommen.“

Ein kleiner Exkurzs – Igor Mortis zum Inhalt der einzelnen Songs von „Power Through Unity“:

Bereits vor einigen Wochen schickte die Promo-Agentur von THE COMMITTEE und Folter Records ein kleines Track-by-Track-Special herum, in welchem sich Igor zum Inhalt der einzelnen Songs von „Power Through Unity“ äußerte. Wir haben es für euch übersetzt und lassen Herrn Mortis diesbezüglich einfach selber zu Wort kommen:

01. Not Our Revolution
Dieser Song erzählt die Geschichte von ausländischen, mittlerweile berühmt gewordenen Agenten, die ins russische Imperium geschickt wurden, um den Zaren zu stürzen und Kontrolle über das Land und seine natürlichen Ressourcen zu erlangen. Dieses Thema kam auch in den turbulenten Neunzigern des Öfteren auf. Der Hauptfokus liegt auf der Auslöschung von Millionen von Leuten, die sich gegen das Regime der Bolschewiken und ihrer brillanten Gedankenspiele auflehnten.

02. The Man Of Steel
Joseph Stalin ist ohne Zweifel eine der kontroversesten Figuren des vergangenen Jahrhunderts. In diesem Song werden Fakten der angelsächsischen und der russischen Seite miteinander aufgewogen, um diese Figur in einem in Europa noch nicht gesehenen Licht erscheinen zu lassen. Von dem Diktator, der Millionen von Leben auf dem Gewissen hat, bis zu dem Experten für logistische und strategische Operationen. Die Analyse verschiedener Bücher und Artikel malt ein interessantes Bild dieses Mannes. Es wird keine Seite gewählt, nur Ergebnisse analysiert.

03. By My Bare Hands
Die berüchtigten Gulags haben das Gesicht Russlands über Jahrzehnte vernarbt. Sogar schon vor Stalins Ankunft. „By My Bare Hands“ erzählt die Geschichte der Insassen und anderer unglücklicher Seelen, die in diesen Arbeitslagern endeten und mit ihrem Blut, ihrem Schweiß und ihrer Arbeit ein Land der Bauern zu einer industriellen Macht ausbauen mussten. Die Atmosphäre purer Verzweiflung und puren Leides überzieht jede Note dieses Kapitels.

04. The Last Goodbye
Dieser Song reflektiert das pure Leid und die Grauen sowohl des Krieges als auch der Leute an der Front. Er erzählt die Geschichte von Soldaten (russisch und deutsch), die in ein hirnloses Geschlachte geschickt wurden. Sie haben ihre Familien, Frauen und Kinder mit der Hoffnung auf eine baldige Rückkehr zurückgelassen. Was wichtig ist, ist, dass der Soldat erkennt, dass das Schlachten bedeutungslos ist, und sich sogar mit seinem Gegenüber versöhnt. Der Song atmet die kalten, sibirischen Winde, die einem die Haut von den Knochen ziehen.

05. Katherine’s Chant
Die „Katusha“-Raketenwerfer waren eine verheerende Kraft im Zweiten Weltkrieg. Dieser Song erinnert den Hörer an die rauen Bedingungen, zu denen die Soldaten dieser Zeit kämpften und starben. Der reine Black-Metal-Spirit des Songs reflektiert die ständige Präsenz des Todes, der mit seinen scharfen Klauen schon auf das nächste unglückliche Opfer wartet. Um die Moral zu stärken, endet der Song mit einer russischen Version der „Katusha“, im Duett mit einem Gastsänger gesungen.

06. Power Through Unity
Der Titeltrack fokussiert auf den strategischen Manipulationen, die vor dem Zweiten Weltkrieg stattfanden. Nach zwei Jahren Recherche kamen wir zu dem Entschluss, dass der WWII für viele „außenstehende Kräfte“ wichtig war, die großes Interesse an der Neutralisierung des Deutschen Reiches und der Sowjetunion hatten. Die Ergebnisse dieses zermürbenden Konfliktes sind bis heute bekannt. Weder der deutschen noch der russischen Seite kann man heute die Schuld für ihre vergangenen Fehler geben. Dieser Song sendet eine Message der Aussöhnung an beide Seiten. Diese ungewöhnliche Message nimmt eine Auszeit von Politik und Ideologien und umgeht diese idiotischen Prinzipien, um das ‚big picture‘ zu sehen. Manche Leute nutzen Emotionen und Hass, um mächtige Nationen zu töten, die dem gegenwärtigen (und vorherigen) Status quo im Wege stehen. Bei Konflikten wie Indien/Pakistan, Jugoslawien, dem Fall der UDSSSR oder der französischen Revolution gibt es immer Interesse von außerhalb, die pragmatisch und rücksichtslos vorgehen. Die Message der Versöhnung zwischen den germanischen und den slavischen Nationen wird mit einem überraschenden Twist präsentiert, einem Teil der deutschen und russischen Nationalhymnen im Song. Die Musik durchdringt mit Hoffnung, Ambition und endloser Energie.

Russische Geschichte mal anders: Das Textkonzept von „Power Through Unity“

Doch ein missverstandener Sound, viel düstere Atmosphäre und eine eingängige Doom-/Black-Metal-Mischung sind noch nicht alles, was THE COMMITTEE auf „Power Through Unity“ zu bieten haben. Sie schaffen es auch, wie nebenbei und als wären sie nur für dieses Album geschrieben worden, klassische Parts ins Black-Metal-Konzept umzuwandeln und in ihre Songs einzubauen – in erster Linie wären das die russische „Katusha“-Volksweise in „Katherine’s Chant“ und die Nationalhymnen Deutschlands und Russlands im Titelsong des Albums. Und das führt uns direkt zum Textkonzept des Albums, das sich um die Geschichte des Sowietunion dreht: „‚Katherine’s Chant‘ ist ein Song, der den Horror der Schlachtfelder des Zweiten Weltkriegs (auf beiden Seiten!) beschreibt. Viele Millionen Menschen haben ihre Leben für nichts gelassen und absolut gar nichts erreicht! Darauf aufbauend ist ‚Power Through Unity‘ unsere Geschichte der Aussöhnung zwischen Ost und West. Das Thema des Albums ist: Sieh dir an, wer aus den Tragödien des Ersten und Zweiten Weltkriegs Macht, Wohlstand und Einfluss gewonnen hat, dann weißt du, dass weder Deutschland (und das Österreichisch-Ungarische Imperium) noch die UDSSR irgendwelche Gründe für die Konflikte hatten. Keine der Nationen hat irgendwas dazugewonnen, aber so viel verloren. Schlimmer noch, sie zerstörten die Handelsbeziehungen, die so wichtig für die technologische Entwicklung waren. Es scheint fast, als hätte jemand Interesse daran gehabt, diese Nationen zu primitiven, landwirtschaftlichen Existenzen zurückfallen zu sehen.“

So weit, so gut. Eine Frage bleibt trotzdem noch offen – nämlich, wo denn diese Faszination mit der Geschichte Russlands bzw. der Sowjetunion eigentlich herkommt? Igor setzt zu einem etwas längeren Monolog an: „Die Tatsache, dass ich in Russland geboren wurde, spielt eine große Rolle in dieser Angelegenheit. Ich habe die turbulenten Neunziger selber mitbekommen, als ein paar Leute einhändig eine große Union in die Knie zwangen und ein System beendeten, das von dem schuldenbasierten wirtschaftlichen System unabhängig war, welches Europa und den Rest der Welt versklavte. Nun geht alles nur noch um natürliche Ressourcen, private Unternehmen und ‚günstiges Benzin‘. Für Russland gibt es in der Weltarena keinen Platz, genauso wie es dort keinen Platz für die immerhungrigen und unersättlichen Vereinigten Staaten geben wird. Beide haben ihre Rollen in der Pantomime der Weltnachrichten brillant gespielt und beide scheinen auf einen Abgrund hinzuzusteuern. Ich habe eine Menge Freunde sowohl in den USA als auch in Russland. Es tut mir um sie leid. Es ist nicht der Fehler der Menschen. So oder so können wir aber nicht pessimistisch und depressiv bleiben. Wir spielen unter dem Strich immer noch keinen Suicidal Black Metal. Wir wollen unseren Hörern zeigen, dass viele Dinge klarer werden, wenn man das Spiel des Lebens auf pragmatischere Weise analysiert.“

Das klingt ja doch schon ungewöhnlich politisch. Igor wendet ein: „Wir sehen das gar nicht so politisch. Es geht uns vielmehr darum, herauszustellen, dass du dir (auf eine kaltblütige, nüchterne, pragmatische Weise) ansehen musst, wer gewinnt und wer verliert. Dann weißt du, dass du einen Bogen um Politik und internationale Beziehungen machen musst, um das ‚big picture‘ zu sehen.“

Die Russen kommen … nach Deutschland!

Am Ende des Gesprächs hat sich der Eindruck bestätigt: THE COMMITTEE sind nicht irgendeine Band, sondern doch etwas Besonderes – und zwar sowohl musikalisch als auch textlich als auch was das Formale angeht. Insofern gebe es noch etliche Fragen, die man Igor stellen könnte … oder man kann es einfach sein lassen, sich die Musik anhören oder der Band im Juli bei ihrem ersten Gig in Deutschland beiwohnen: auf dem kultigen Under The Black Sun in der Nähe von Berlin! „Wir hoffen, euch dort zu sehen“, sagt Igor. Sonst noch irgendwelche letzten Worte? „Alles, was ich hinzufügen kann, ist mein Dank für deine Zeit und natürlich der Dank an alle unsere Fans. Ihr motiviert uns, weiterzumachen! Und natürlich ein Wort des Danks an die großartigen Bemühungen von Folter Records und dem Mann dahinter. ‚Power Through Unity‘ wäre ohne ihn nicht möglich gewesen.“ Ein schönes Schlusswort.

27.02.2014
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