VOLDT
Provokation durch die Farbe rosa!

Interview

VOLDT aus Hamburg haben ihr Album „Vandalism“ auf den Markt gebracht und bringen ihren seltsamen, schwer beschreibbaren Stil irgendwo zwischen Punk, Prog und Heavy Metal auf den Punkt. Vor allem im Vergleich zur vorangegangenen EP „Voken“ scheinen sie dabei einen etwas zugänglicheren Ansatz gewählt zu haben, wenngleich der Sound weiterhin technisch und komplex gerät. Wir sprachen mit Bandkopf Al Shirazi über die Entstehung, Hintergründe und weiteres im Hinblick auf das Full-Length-Debüt der experimentierfreudigen Metal-Band.

Hallo, zunächst vielen Dank, dass du die Zeit gefunden hast. Gratulation zur Veröffentlichung von „Vandalism“. Wie geht es euch?

Ganz gut eigentlich. Wir haben derzeit hauptsächlich Kontakt, weil wir den ganzen Promo-Kram machen müssen. Corona haben wir schon alle hinter uns, das kam nach dem Videodreh von „The Great Command“. Irgendwer hatte das da angeschleppt und da wir um die Zeit viel im Auto saßen, um zu verschiedenen Locations zu fahren, haben wir uns dann alle irgendwie gegenseitig angesteckt.

Aber ihr habt es gut überstanden, oder?

Ja, zum Glück gut überstanden. Das Doofe war nur, dass Micha, Wanjas [Gröger, Schlagzeuger, Anm. d. Red.] Bruder der das Video gedreht hat, nicht zurückreisen konnte, da er derzeit in den Emiraten wohnt. Er musste dann noch zwei Wochen länger hier bleiben.

Ist das Zufall, dass das Album ähnlich wie die „Voken“-EP und auch euer Bandname mit V beginnt?

Ne, das haben wir uns so überlegt. Wir wissen nicht, ob wir das wirklich so fortführen werden. Und wenn das Thema irgendwann unterbrochen wird, dann ist das halt so. Aber erstmal fanden wir das irgendwie witzig, gerade für unser Full-Length-Debüt. Da hat das ja noch einmal größere Wichtigkeit. Wer weiß, vielleicht wird uns das schon auf dem nächsten Album auf den Keks gehen. (lacht) Wir sind da ja zum Glück nicht an irgendwelche Richtlinien gebunden, sondern haben es uns ja so ausgesucht.

Das war also nur so etwas Spontanes, nicht irgendwie so etwas wie euer „Meme“?

Genau, ne, das ist es nicht.

Du hattest es ja ein bisschen im Promotext angedeutet, ihr habt einen Stilwichsel vollzogen auf „Vandalism“, korrekt?

Findest du?

Ich sehe das vor allem in eurem Songwriting, das etwas – sagen wir: „bekömmlicher“ geworden ist.

Ok, ja, das mag sein.

Wie würdest du denn die Entwicklung hin zum etwas eingängigerem Songwriting beschreiben bei gleichbleibendem, technischen Anspruch?

Nun, die technischen Fertigkeiten gehen ja nicht verloren. Aber es vergeht ja immer ein bisschen Zeit zwischen den Releases. Als ich die Songs geschrieben habe für das „neue“ Album – die sind ja mittlerweile schon älter, die wurden ja zwischen 2018 und 2019 geschrieben. Ist tatsächlich eine gute Frage. Es hat sich einfach zu der Zeit richtig angefühlt. Wir wollten noch etwas kompakter schreiben und die Essenz des ganzen heraus kristallisieren. Wir sind auf jeden Fall ganz zufrieden mit dem Ergebnis.

Ironischerweise finde ich es trotz der geradlinigen Spielweise umso schwerer, eine Beschreibung für euren Stil zu finden. Wie würdest du es nennen?

Das ist tatsächlich paradox. Aber schlimm ist es nicht. Wir sagen mittlerweile einfach nur noch „Heavy Metal“ dazu. Das kann ja alles mögliche sein, Assoziationen macht man da ja gerne mit den Sounds aus den Siebzigern, Achtzigern. Und das muss sich ja auch irgendwie weiterentwickeln. Ich hatte diesen Begriff tatsächlich im Hinterkopf und mich gefragt: Wie klingt eigentlich eine Heavy-Metal-Band, welche die Neunziger, Zweitausender und Zweitausendzehner miterlebt hat? Also z. B. Blastbeats mit Kürbiskopf. Warum macht das keiner? Dann machen wir das eben.

Gerade bei uns, wo wir mit vielen Etikettierungen arbeiten, ist das tatsächlich so ein kleines Minenfeld, durch das wir in der Community waten.

Ja, das ist ja auch in Ordnung. Das kann ja auch jeder für sich selbst entscheiden. (lacht) Es gibt ja auch für jeden Topf einen Deckel.

Ich bin ja eher ein Technik-Laie. Daher die Frage: Wie kriegst du deinen Gitarrensound eigentlich so hin, dass er so warm und doch heavy klingt?

Da haben wir tatsächlich einige Vorbilder. Für uns ist „Vandalism“ auch so ein bisschen ein Nostalgie-Trip. Es geht ein Stück weit zurück zu den Wurzeln. Denn als ich angefangen habe, Gitarre zu spielen, habe ich immer [Yngwie] Malmsteen nachgeeifert und versucht, seine Lieder nachzuspielen. Und dafür, dass er eigentlich ein übertrieben schwerer Gitarrist ist, hat er eigentlich einen ziemlich guten Gitarrensound und nimmt sich in seinen Songs auch erstaunlich gut zurück. Er ist tatsächlich ein sehr dezenter, geschmackvoller Rhythmusgitarrist, wenn es gerade mal nicht um sein Solo geht, sondern er nur die Strophe begleitet.

Die konkreten Vorbilder für unseren Gitarrensound sind dabei sein Album „Trilogy“ von 1986. Das zweite Album war von VAN HALEN, nämlich „Fair Warning“ von 1981. Beide Alben haben einfach coole Gitarrensounds, die dadurch erzielt werden, dass die N-Stufe komplett überstrapaziert ist. Yngwie hatte auf besagtem Album eine Strat gespielt und eine Marshall, was wir ebenfalls spielen. Ich habe auch einen JCM 800, was ja ein relativ klassischer Rock-Amp ist. Und da unsere Speaker tatsächlich zu viel Leistung für den Sound haben, haben wir kurzerhand drei davon abgeklemmt und den Sound nur über einen laufen lassen. Die Gitarre unserer Wahl war dabei eine Fender Telecaster, die wir auch schon auf der EP gespielt haben.

Was auch interessant ist: Wir haben tatsächlich nur eine Gitarrenspur auf dem Album. Es gibt weder Overdubs noch Doppelungen. Es ist wirklich nur eine Spur.

Das erinnert mich ein bisschen an ein Gerücht von einem Bekannten, das ich mal gehört habe, dass Farin Urlaub seine Gitarren immer in einem Take eingespielt haben soll.

Das kann sein, wir haben ja auch eine gewisse, punkige Attitüde inne.

Ich denke mal das dürfte für mich auch ein guter Ansatzpunkt für die Beschreibung eures Stils sein. Metal in verschiedenen Ausführungen zusammen gewoben mit einem Hauch (Post-)Punk.

Ja, ich vermute aufgrund des Plattencovers denken wahrscheinlich viele, dass es ein Punk-Album ist.

Das wollte ich ja auch nicht sagen. Ich denke es ist schon ein Metal-Album. Spätestens bei „Monsters Of The Sea“ mit seinen OPETHisms sollte das klar werden.

Ja das sickert natürlich alles ein bisschen mit ein. Man kann aus seinem Gehirn schließlich nicht irgendwelche Daten löschen, es sei denn vielleicht man hat einen Schlaganfall. Das bleibt ja alles drin. Daher verselbstständigen sich auch die Einflüsse beim Schreiben von Musik.

Mal was anderes: Warum die Farbe rosa auf dem Cover?

Gute Frage. (lacht) Ich glaube man merkt dass das Album provokant ist. Ich glaube „provokant“ ist generell ein Stempel, den man dem Album aufdrücken kann. Es war ein schönes Kontrastprogramm, denn Metaller haben ja prinzipiell Angst vor der Farbe rosa. (lacht) Und auch der Kontrast zur Motorsäge. Wir waren fast bei hellblau, aber rosa hat am Ende besser gepasst.

Lyrisch hast du eher so ein thematisches Potpurri erzeugt oder?

Ja, die Lyrics sind wie die Songs selbst zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden. Da wäre es ohnehin unwahrscheinlich gewesen, dass ich die gesamte Zeit in einer Denkphase drinstecken würde. Es steckt in jedem Falle viel Größenwahn drinne. Ansonsten geht es halt um Kriege, Tod, Wiederauferstehung und dergleichen mehr.

Ihr zitiert auf eurem Fact Sheet u. a. DIO, DEAFHEAVEN und DRAGONFORCE als Einflüsse. Ist das auch Bestandteil der angesprochenen Provokation?

Ja, auch die gesamte Kommunikation jenseits des Albums ist von der Provokation durchzogen. Das ist so die Idee dahinter.

Das konservativste sind wahrscheinlich die Lyrics, oder?

Das stimmt wohl. (lacht) Auch das ist etwas, was man lernen muss. Nur weil man selbst ein hinreichend kompetenter Musiker ist, ist man daher auch nicht gleich ein großartiger Lyriker. Ich habe mich mit 16/17, wo ich auf einem Gitarrenhöhepunkt war, nie mit den Texten von den Bands die ich hörte befasst, das hat mich einfach nicht interessiert. Mir war einfach nur wichtig: Was spielt der? Und plötzlich bist du das Sprachrohr der Band und musst dir was aus den Fingern saugen und dir Gedanken machen: Was willst du von dir geben? Und dann schreibt man halt mal oberflächlich über sinnlose Gewalt. Wenn das zu dem Song passt, dann ist das halt so.

Wie veröffentlicht ihr „Vandalism“?

Erst einmal nur digital. Wir sind da bei Blood Blast, das ist so ein Digital-Ableger von Nuclear Blast. Falls ein Label anklopft und ein physisches Release vorschlägt, nehmen wir das natürlich gerne an. Ich halte die Idee für ein bisschen sinnlos derzeit. Platte wäre natürlich cool, ist aber teuer. Dann drucken wir lieber Shirts. (lacht)

Du hattest ja angedeutet, dass ihr das Album schon länger fertig hattet. Wann hattet ihr die Songs aufgenommen?

Das waren mehrere Sessions. Das Schlagzeug haben wir so im Raum zwischen Oktober und Dezember 2020 aufgenommen, Gitarren müssten auch so um den Dreh aufgenommen worden sein. Den Bass hat Johannes [Horas] zuhause aufgenommen, Vocal Session haben wir glaube ich im Mai 2021 gemacht.

Das hat ja alles weit auseinander gelegen. Hatte das mit der Pandemie zu tun?

Naja, die „Voken“-EP ist unter ähnlichen Umständen entstanden. Es ist halt auch nicht immer so einfach, die Termine zu finden. Und wenn wir mal sagen: Wir brauchen drei Tage um Drums aufzunehmen, dann musst du das Zeug erst einmal ins Studio karren nach Hannover in unserem Falle. Dann braucht man halt eben drei Tage um das Album zu tracken. Aber in der Woche muss man wieder arbeiten gehen. Da kann er sich ja nicht einfach frei nehmen und gucken, wie ich Gitarre spiele. (lacht) Schön wär’s, ich hätte gerne auch irgendwann mal eine Studiosession. Vielleicht klappt das ja mal eines Tages.

Wie sehen eure zukünftigen Pläne aus? Habt ihr schon neues Material geplant oder wie sehen eure Live-Pläne aus?

Zu ersterem: Material für ein neues Album ist schon fertig. Ich schreibe die Songs ja im Alleingang. Man muss denen im Proberaum natürlich auch immer das Feintuning geben. Aber das nächste Album ist vom Material per se her durch. Live-Gigs versuchen wir ebenfalls zu planen, wir suchen uns dann auch einen Live-Gitarrist. Wir haben da schon jemanden in petto, sodass ich beim Singen dann auch nicht Gitarre spielen muss. Es war für mich immer eine große Last und ich habe es nie gemocht. Also wenn du beides gleichzeitig machst, kannst du nichts so richtig geil machen. Deswegen die Entscheidung mit dem Live-Gitarristen. Ein paar Konzerte wollen wir in jedem Falle spielen.

Dann bin ich mit meinen Fragen durch, ich danke dir für die Zeit und wünsche gutes Gelingen.

Danke gleichfalls!

14.12.2022

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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