Aeternam - Heir Of The Rising Sun

Review

Zweieinhalb Jahre nach dem starken „Al-Qassam“ kehren die Kanadier AETERNAM mit ihrem neuen Album „Heir Of The Rising Sun“ zurück. Darauf thematisieren sie die Geschichte des byzantinischen Reichs und den Fall Konstantinopels – epischer Stoff, der eine epische Umsetzung verlangt, und die gibt es auch. Auf dem vorangegangenen Album haben die vier Musiker ja einen Schwenk von (progressivem und epischem) Death Metal in Richtung Oriental Metal vollzogen, der der Band nicht schlecht zu Gesicht stand. Nun integrieren sie wieder verstärkt orchestrale Elemente und ziehen gleichzeitig den Härtegrad an, und das Ergebnis klingt melodisch und zupackend zugleich.

AETERNAM zelebrieren den Fall Konstantinopels

Aber der Reihe nach: „Heir Of The Rising Sun“ startet mit dem gesprochenen Intro „Osman’s Dream“, bevor „Beneath The Nightfall“ alle Trademarks auffährt: Ein orchestraler Background mit Geigen und Chören, orientalische Melodien, aber auch Blastbeats und aggressiv gegrunzte Vocals. Außerdem zeigen progressivere Einsprengsel, dass die Band traumwandlerisch sicher zwischen den Stilen wechseln kann. Das nachfolgende „Irene“ zelebriert dieses Wechselspiel, überzeugt zudem durch seine eingängige Melodie, während sich der neue Lead-Gitarrist Mathieu Roy-Lortie ein Solo aus dem Ärmel schüttelt, bei dem das Wasser im Mund zusammenläuft.

Gleiches gilt für „Nova Roma“, das zunächst ein ziemlich eingängiges Riff auffährt, dann vertrackt weitergeht, um dann in ein sanftes Zwischenspiel mit Klargesang und schönen Melodien zu münden. „Kasifi’s Verses“ ist ein stimmungsvolles Zwischenspiel, das seiner akustischen Instrumentierung auf direktem Weg in den Orient weist. Um in „Where The River Bends“ etwas langsamere Epik aufzufahren – bis sich die Streitkräfte in Bewegung setzen (schließlich geht es ja auf dem Album um den Fall von Byzanz), was durch prasselnde Doppel-Bass-Drums und einige Haken in Szene gesetzt wird. „The Treacherous Hunt“ pendelt wiederum zwischen flinken Melodic-Death-Metal-Riffs und walzender Epik.

Ein weiteres Zwischenspiel, die zwischen Gottesfurcht und Zuversicht pendelnde „Akhatist Hymn“ mit seinem ungewöhnlichen Wechsel in Dur, leitet das finale „The Fall Of Constantinople“ ein, bei dem die vier Musiker noch einmal alles auffahren, was geht: Progressive und aggressive Parts, Geigen, Stakkatogitarren, orientalische Melodien und Chöre, Blastbeats und Bläser, Epik, Dramatik, Untergang. Wer sich hier an SEPTICFLESH oder auch HOLLENTHON erinnert fühlt, liegt gewiss nicht falsch. Was AETERNAM aber gerade im instrumentalen Zusammenspiel abziehen, ist großes Kino: Da lenken die Backingtracks mit der Orchestrierung bisweilen davon ab, dass beispielsweise auch die Bassspuren ganz formidabel sind.

„Heir Of The Rising Sun“ ist progressiv und episch (und gut)

Wenn es einen Makel gibt, dann der, dass „Heir Of The Rising Sun“ nicht den einen Übersong enthält, wie das auf „Al-Qassam“ mit dem Titeltrack der Fall war. Aber das Album bietet eigentlich auch so eine hohe Dichte an einprägsamen Melodien – nur muss man diese eben zusammensuchen, da die sechs eigentlichen Songs progressiv gehalten sind und Überlänge haben. Darüber hinaus ist die instrumentale Umsetzung mit den wieselflinken und tollen Soli, dem gewohnt virtuosen wie kompakten Schlagzeugspiel und den ständig mäandrierenden Bassläufen eine Wonne. Nicht zuletzt überzeugt das musikalisch umgesetzte Wechselspiel der Perspektiven, Byzanz auf der einen Seite, das Osmanische Reich auf der anderen – wahrscheinlich klang der Untergang Konstantinopels noch nie so gut.

27.10.2022

- Dreaming in Red -

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