Arch/Matheos - Sympathetic Resonance

Review

1986: Gitarrist Jim Matheos und der mit indianischem Blut gesegnete John Arch spielen gemeinsam in der Band FATES WARNING und veröffentlichen mit “Awaken The Guardian” einen Progressive-Metal-Meilenstein, der scheinbar für immer unantastbar das Heiligtum von Millionen US-Metal-Fans ist und bleibt. Noch heute gilt das Album mit seiner beinahe transzendalen Atmosphäre und dem brillanten Songwriting als eine der Sternstunden unserer Szene. Nicht zuletzt Arch wird ungeachtet seines darauffolgenden Ausstiegs zum Sangesgott erkoren. So etwas wie “Awaken The Guardian” wird es nie wieder geben, so viel gilt damals als sicher. Es erschienen in den Folgejahren noch eine Menge großartiger Alben zahlreicher Bands, aber dieses Album war irgendwann vielleicht qualitativ, jedoch in seiner Einzigartigkeit einfach nicht in den Schatten zu stellen.

2011: Die beiden genannten Ausnahmemusiker haben sich wieder zusammengetan und veröffentlichen “Sympathetic Resonance”, die erste offizielle abendfüllende Zusammenarbeit seit der Trennung in den 80ern. FATES WARNING existieren zwar noch, klingen allerdings ganz anders und die Gelegenheit, das Bitten und Flehen der Fans zu erhören, war selten günstiger als jetzt. In einer Sache hatten die Heerscharen von Fans damals recht: “Awaken The Guardian” ist weiterhin einzigartig und sein eigener großer Stern. Womöglich ist ein direkter Vergleich der beiden Scheiben sogar gewagt. Das neue Produkt himmelschreiender Genialität, das die beiden mit Hilfe weiterer namhafter Musiker kreiert haben (Joey Vera spielt Bass, Bobby Jarzombek Schlagzeug und Frank Aresti macht als zweiter Gitarrist mit), ist aber für sich selbst ein mindestens ebenso strahlender, prachtvoller Himmelskörper. Referenzen auf die goldene Vergangenheit sind zwar vorhanden. So fühlt man sich vor allem textlich und auch musikalisch logischerweise immer mal wieder an die vergangenen Großtaten erinnert. Dennoch ist “Sympathetic Resonance” auf seine Art anders, zeitgemäßer.

 

Die Produktion ist vollkommen auf der Höhe der Zeit, die Gitarren sind ein wenig moderner als damals. Das Schlagzeug klingt scheinbar selbstverständlich auch bei den kompliziertesten Arrangements noch unglaublich dynamisch. Auch John Arch hat sich gesanglich gesteigert, er singt jetzt nicht mehr nur in den obersten Höhen der Stratosphäre herum sondern variabler, vielleicht sogar noch emotionaler. Die Kompositionen schließlich sind eigentlich keine Songs, sondern schwingende, ungreifbare Zustände. Komplexe und ausufernde Melodielinien, die ihre Zeit brauchen, bis sie ihren grauen Schleier ablegen, ungefähr so, als wenn man nach Stunden der Dunkelheit ins grelle Licht geführt wird und sich die Welt erst nach und nach offenbart. Hat man sie aber erstmal begriffen, findet man auf dem Album zahlreiche erhabene und ergreifende Augenblicke atemberaubender Schönheit, so rein und frisch wie ein kühlender Platzregen nach einem schwülen Sommertag. Die beiden ganz großen, herausragenden Highlights des eigentlich rundum makellosen Albums sind die beiden überlangen Epen “Stained Glass Sky” und “Any Given Day (Strangers Like Me)”. Ersterer beginnt als atemberuabende, instrumentale Prog-Abfahrt und entwickelt sich zu einem abwechslungsreichen, gefühlvollen Epos, das die Tore zu einer anderen, einer besseren Welt nicht nur öffnet, sondern sie meterweit aufreißt, bis der Luftzug aus dem Spalt zwischen den goldbeschlagenen Türen unzweifelhaft zu spüren ist. Der akustische Break gegen Ende lässt Atmung und Herzschlag bereits ein wenig aus dem Takt geraten. Bei zweitgenanntem Song wird der gleiche Vorgang noch einmal wiederholt, mit noch gesteigerter Intensität, mit noch tiefgreifenderen Hooklines. Erinnert ihr euch noch an Arkana, jenes auf “Awaken The Guardian” zitierte Paralleluniversum? Zeit, sich mal wieder auf den weg dorthin zu machen.

 

Die anderen vier Songs des Albums sind allerdings kaum schwächer. Erwähnenswert ist vor allem die ruhige Schlussnummer “Incence And Myrrh”, bei der vielleicht die meisten musikalischen Querverweise auf jenen 86er Klassiker zu vernehmen sind, sofern man diese unbedingt finden möchte. Nötig hat “Sympathetic Resonance” diese nostalgische Betrachtung allerdings nicht. Das Album ist auch ohne jeden Vergleich ein keyboardfreies, nur scheinbar undurchlässiges Gemälde aus bunten Farben, musikalische Perfektion, ein Ort zum darin Verlaufen, eine Welt, die größer und wunderbarer ist als unsere, in einigen Jahren vielleicht genauso unantastbar und grazil, wie sein ewig großer Schatten. Bei dieser künstlerischen Meisterleistung, geschaffen von gleichzeitig unfassbar bodenständigen Musikern, können alle weiteren Worte nur versagen. Die ultimative (und überschaubare) Liste der transzendalen Musikerfahrungen ist um einen Eintrag reicher.

 

Könnte man das Paradies musikalisch darstellen, klingen dürfte das in etwa SO.

 

22.08.2011
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