Babymetal - Babymetal

Review

Kawaii-Overdose! Leute mit Scheuklappen und Vorurteilen, bitte das rote X oben rechts anklicken. Alle anderen: Macht euch für eine Ladung absolut abgedrehter, ausgefallener und mitunter richtig brachialer J-Metal-Party-Mucke bereit! (Und holt euch was zu Knabbern – ich habe Stunden an dieser Rezension geschrieben. *zwinker*)

BABYMETAL sind eines der ausgefallensten Musikphänomene der letzten Jahre. Viele lieben sie, andere beäugen sie kritischer – die Aufmerksamkeit aller Leute, die irgendwie Wind von der Band bekamen, haben BABYMETAL aber sicher. Besonders die Kritiker werden sich jetzt fragen, wie eine solche Band eine Wertung von neun Punkten absahnen kann. Um diese zu rechtfertigen, bekommt ihr eine ausführliche Rezension. Ein Versuch, euch die Band näher zu bringen und auf jeden Aspekt des selbstbetitelten Debütalbums einzugehen.

Wer sind BABYMETAL?

BABYMETAL sind eine japanische Band, die sich aus drei Frontmitgliedern zusammensetzt. Diese sind Su-Metal (Suzuka Nakamoto – 17 Jahre), YuiMetal (Yui Mizuno – 15 Jahre) und Moametal (Moa Kikuchi – 15 Jahre). Suzuka ist für den Klargesang verantwortlich, Yui und Moa kümmern sich um die „Screams“ (wohl eher als Shouts in hohen Stimmlagen zu bezeichnen). Desweiteren wird die Band bei Live-Auftritten von einer Backup-Band namens KAMI-BAND unterstützt, die sich um die instrumentale Umsetzung der Songs von BABYMETAL kümmert und stets mit Corpsepaint oder mit Masken auftritt.

Wie treten BABYMETAL in Erscheinung?

Trotz der Tatsache, dass „Babymetal“ das Debütalbum der Band ist, haben die drei Mädels bereits viele Shows (u.a in Europa, Kanada und den USA) gespielt, mit denen sie sich in die Herzen ihrer Fans gesungen und getanzt haben. Für ihre Bühnenshows sind neben dem eigentlichen Vortragen der Songs die choreografische Tanzeinlagen der drei Frontfrauen charakteristisch.

Stil der Band?

BABYMETAL sind nicht in eine konkrete Schublade zu stecken. Die Band vermischt Elemente des klassischen Heavy Metal mit rasanten Thrash-Metal-Riffs, J-Pop, Power-Metal-artigen Refrains, J-Metal, seltenen Dubstep-Interludes, und selbst vor Hip-Hop-Einlagen scheuen sich die Japanerinnen nicht. Das Ganze ergibt einen durchgedrehten Cocktail, der allerdings perfekt umgesetzt wurde.

Das Album

„Babymetal“ ist, wie vorhin erwähnt, das Debütalbum der Teenager-Formation. Um euch einen genauen Einblick zu geben, werde ich das Album Song für Song auseinander pflücken, die Stücke einzeln bewerten und daraus den Mittelwert für die abschließende Endwertung bilden.

„Babymetal Death“: Der Opener hat mich direkt aus den Socken geklopft. „Babymetal Death“ startet mit stimmungsvollen Frauenchören und knallt nach etwas über einer Minute mit einem Stakkato-Riff los, welches ich in einer solchen Brachialität nie von BABYMETAL erwartet hätte. Darauf folgt ein rasantes Thrash-Metal-Riff, von dem sich einige Bands des Genres eine Scheibe abschneiden könnten. Begleitet wird das Ganze von männlichen Shouts, die den Bandnamen in Einzelbuchstaben brüllen und im Anschluss wiederholt „DEATH, DEATH, DEATH“ shouten – passend zum Songtitel eben. Im Endpart spielen BABYMETAL ein hochmelodisches Riff, das jedem Freund von ausgereiften Melodien Freudentränen in die Augen treiben wird. Zum Schluss gibt es ein Highspeed-Solo, das so auch aus der Feder einer technisch versierten Death-Metal-Band stammen könnte. Fulminanter Anfang also. Gut gemacht, BABYMETAL! So hinterlässt man einen bleibenden Ersteindruck. 9/10

„Megitsune“: „Megitsune“ heißt auf Deutsch so viel wie „Füchsin“ und startet mit Synthesizern, welche nach asiatischen Instrumenten klingen. Als Nächstes trägt „Megitsune“ eine deftigen Mischmasch aus Synths und Gitarrengeballer vor und im folgenden Part kommt erstmals die J-Pop-Seite von BABYMETAL zum Vorschein. Das Highlight von „Megitsune“ findet sich jedoch im Refrain: Suzuka ist eine unglaublich gute Sängerin und trägt einen gefühlvollen Part, begleitet von treibendem Schlagzeug- und Gitarrengewitter, vor. Danach die nächste Überraschung: Ein Breakdown. Und was für einer! Düster und unheilvoll scheppert dieser vor sich hin und kurz darauf folgt der nächste J-Pop-Part, der erneut vom tollen Gesang von Su-Metal abgelöst wird. Spätestens jetzt haben BABYMETAL mich komplett gefesselt. Geil! 10/10

„Gimme Chocolate“: Der dritte Song des Albums ist eine der Bandhymnen schlechthin. Ein sägendes Thrash-Riff eröffnet den Titel und wird von seltsamen, nach Laserblastern klingenden Sounds. Darauf folgen Screams/Shouts von Yui und Moa – und zugegeben: Die Beiden klingen dabei sehr gewöhnungsbedürftig. Ich habe diese Shouts Anfangs als nervig empfunden, doch mit der Zeit und einer zunehmenden Anzahl von Hördurchgängen, legt sich dieses Empfinden und man akzeptiert die Shouts als Element von BABYMETAL. Ich habe sie irgendwann einfach lieb gewonnen und die Masse an Fans zeigt, dass ich da wohl nicht der Einzige bin.

Auf dieses Thrash-Gewitter folgt der gelungene Refrain, in welchem BABYMETAL über ihre Liebe zur Schokolade philosophieren. KAWAII!!! *hüstel* ‚Tschuldigung…ehem…

Aber ernsthaft: „Gimme Chocolate“ ist ein deftiger Thrash-J-Metal-Mix, welcher lediglich im Refrain durch seichte Riffs und den gewohnt guten Gesang von Suzuka abgelöst wird. Durch seine durchgeknallten Elemente, wie die Laserblaster-Sounds und Shouts, ist der Titel Anfangs anstrengend. Sobald man allerdings einen Draht dazu gefunden hat, ist auch „Gimme Chocolate“ ein gelungener BABYMETAL-Song. 8/10

„Line!“: Das vorab als Single veröffentlichte „Line!“ beginnt mit Synthie-Klängen, die sich über den kompletten Anfang des Songs erstrecken und von schnellen Gitarren und poppigen Gesangseinlagen begleitet werden. Folgend gibt es einen kitschigen Pop-Refrain zu hören, welcher in einen Hip-Hop-Part übergeht. Ja, ohne Scheiß. Auch nach mehrmaligem Hören komme ich kaum dahinter, wie man einen solch seltsamen Mix so grandios umsetzen kann. Aber es kommt noch besser: Darauf folgt ein wuchtiger Slam, welcher mit Vocals aufwartet, die so auch auf einem Brutal-Death-Metal-Album stehen könnten. Folgend gibt es eine tolle Gitarrenmelodie zu Hören, welche von einem Scream abgeschlossen wird und erneut in den, mit Synths unterlegten, Pop-Refrain übergeht. Das klingt alles sehr seltsam, ich weiß. Aber glaubt mir: „Line!“ ist einer der coolsten Songs der letzten Zeit. Wie kann man solch unterschiedliche Elemente nur so stimmig umsetzen? Ich verstehe es nicht. 10/10

„Akatsuki“: „Morgendämmerung“ – so der deutsche Begriff – startet mit gefühlvollen, METALLICA-artigen Clean-Gitarren, begleitet von einer sanft agierenden Su-Metal. Abgelöst wird der Anfangspart durch ein episches Power-Metal-Riff, das sich, in verschiedenen Variationen, durch den kompletten Song und die gelungenen Refrains sägt. Die Hochgeschwindigkeits-Soli dürfen nicht fehlen und so bekommt „Akatsuki“ als gelungene Power-Metal-Hymne: 8/10

„Doki Doki Morning“: Sind noch Scheuklappenträger unter uns, die nicht durch meine Warnung am Anfang abgeschreckt wurden? Spätestens mit „Doki Doki Morning“ seid ihr gezwungen, eure Scheuklappen abzulegen. Der Titel fängt mit kitschigem Synthie-Geklecker an und  bricht darauf ein Riff-Gewitter vom Zaun, welches mich vom Sound her an MINDLESS SELF INDULGENCE erinnert. Im Refrain wird es dann poppig und niedlich. So niedlich, dass mir mein Bart beim Hören des Songs abgefallen ist. Cool ist der Titel trotzdem, und nach mehrmaligem Hören entwickelt er sich zu einer der BABYMETAL-Party-Hymnen schlechthin. 8/10

„Onedari Daisakusen“: Die nächste Überraschung folgt am Anfang von „Onedari Daisakusen“: Klänge von Shamisen eröffnen den Song und gehen nach kurzem Metal-Riffing in einen elektronischen Part über, in dem den drei Mädels, abgesehen von gelegentlichen Gitarren-Nuancen, die Bühne überlassen wird. Die ausgefallene Symbiose dieser elektronischen Einlage und dem Gesang der drei Musikerinnen gefällt und geht in einen brutalen Part über, welcher durch die aggressiven Shouts von Moa und Yui tatsächlich sehr angefressen wirkt. KAWAII! KAWAII! KAWAII! KAWAII! *Wutschaum vom Mund wisch* 9/10

„Song 4“: „Song 4“ ist zwar ironischerweise der achte Titel, fühlt sich aber wieder mehr im Thrash zu Hause als seine Vorgänger. Brutale Thrash-Riffs knallen drauf los und der Gesang passt wie der obligatorische Stiefel ins Gesicht. Der tolle, anschließende Refrain wird von einem PANTERA-artigen Groove-Part abgelöst, welcher – Überraschung! – in einen seltsamen Teil übergeht. So stelle ich mir die Hintergrundbeschallung an einer Bar auf den Bahamas vor. Seltsam, aber cool. Darauf gibt es erneut die Thrash-Knallerei und am Ende von „Song 4“ kann man wieder dem Refrain lauschen. Dennoch kann der Titel nicht ganz mit anderen Songs auf „Babymetal“ mithalten. 7/10

„Uki Uki Midnight“: Song Nummer neun beginnt mit Industrial-Sinths, welche von groovigen Gitarren untermalt werden. Ein folgender, fröhlicher Part wird von einen rauhen, düsteren Teil abgelöst, welcher mit Growls daherkommt und einem Dubstep-Part die Bühne überlässt. Mein Fall ist Dubstep absolut nicht, doch auch dieses Element fügt sich gut in den Gesamtsound des Songs ein. Im Endteil gibt es erneut nette Sinthie-Spritzer und ein tolles, kräftiges Riff schließt den Song ab. 7/10

„Catch Me If You Can“: Jop, mit „Catch Me If You Can“ haben BABYMETAL mich gefangen. Anfangs wieder kräftig, mit Growls und schnellen Gitarren aus den Boxen knallend, geht der Titel in einen tollen Gute-Laune-Refrain über, nur um danach wieder die Dampfwalze auszupacken. Dieser brutale Sound steht BABYMETAL gut zu Gesicht und so bekommt auch „Catch Me If You Can“: 8/10

„Rondo Of Nightmare“: Das „Rondo des Grauens“ bietet eine der wohl besten Gesangsleistungen, welche Suzuka auf „Babymetal“ vollzogen hat. Die tollen Hintergrundmelodien schaffen eine unheilvolle Atmosphäre, welche im letzten Drittel mit einem wahnsinnig guten, sanften Schrei von Suzuka in einen asiatisch angehauchten, düsteren Endpart übergeht. Diese (fast) Powerballade ist einer der – vom Sound her – bösesten Songs des Albums. Sehr geil und eine gelungene Abwechslung zum fröhlichen Allerlei. 9/10

„HeadBangeeeeerrrrr!!!!!“: Der vorletzte, auch vorab veröffentlichte, Song des Albums dürfte neben „Gimme Chocolate“ und „Megitsune“ die BABYMETAL-Live-Hymne schlechthin sein. Das ist nicht verwunderlich. Meines Erachtens nach, ist „HeadBangeeeeerrrrr!!!!!“ der beste Song des Albums. Er vereint deftige, stampfende Death-Metal-Rifferei im Anfangspart, mit verträumten Synthesizern und der grandiosen Gesangsleistung der drei Teenager. Der Refrain frisst sich sofort in die Hirnwindungen und wird wahrscheinlich auch von Leuten mitgesungen, welche kein Wort Japanisch verstehen. So muss das sein! 10/10

„Ijime, Dame, Zettai“: Nun haben wir diese abenteuerliche Wunderreise namens „Babymetal“ also fast überstanden. Mir brennen schon die Wörter für ein Fazit auf den Fingern, doch vorab ein paar Worte zum letzten Titel. „Ijime, Dame, Zettai“ ist nämlich ein richtiger Brecher. Ein verträumter, cleaner Part eröffnet den Song – so dass ich dachte, dass das Stück eine abschließende Ballade darstellen würde.  Doch weit gefehlt: Nach 40 Sekunden knallt der Song in bester Manier aus den Boxen, um darauf in tolle, mehrstimmige Gitarrenmelodien überzugehen. Su-Metal holt noch einmal alles aus ihrer Stimme heraus und nach knappen sechs Minuten endet unsere Reise in den fernöstlichen Wahnsinn. 8/10

In der Bonus-Version des Albums sind noch zwei weitere Titel enthalten. Der erste hört auf den Namen „Road Of Resistance“ und der zweite ist eine Live-Version von „Gimme Chocolate“, welche die Band bei einem Auftritt in London aufgenommen hat. Desweiteren liegt dieser erweiterten Fassung des Albums eine DVD bei, die alle Videoclips enthält, welche die Band zu ihren Liedern bisher veröffentlicht hat. Diese sind durchaus einen Blick wert, denn was glaubt ihr, wie diese Clips ausfallen, wenn schon die Musik von BABYMETAL so durchgeknallt ist?

Wenn wir nun den Mittelwert aller Einzelbewertungen ausrechnen, ergibt sich ein Wert von 8,5 – sprich – neun Punkten für BABYMETAL. Dennoch spreche ich keine uneingeschränkte Kaufempfehlung aus. Das was BABYMETAL machen, machen sie richtig gut – fast perfekt. Dennoch spielt das Trio einen komplett durchgedrehten Mix aus grundverschiedenen Elementen und ist sehr gewöhnungsbedürftig – selbst für die Ohren von Leuten, welche mit J-Rock und J-Metal vertraut sind. Kennt und mögt ihr BABYMETAL bereits, macht ihr mit „Babymetal“ nichts falsch. Ansonsten hört lieber in einen Song mehr rein, anstatt dass ihr im Nachhinein feststellt, dass BABYMETAL nicht euer Ding sind. Ich habe riesigen Spaß mit diesem Album, und wenn ihr euch darauf einlassen könnt, werdet ihr den auch haben.

Zum Abschluss eine Phrase, die, wie ich mir vorstelle, so auch auf einer billigen, japanischen Süßigkeit stehen könnte: „Dieses Produkt macht dich glücklich.“

30.05.2015
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