Blackbraid - Blackbraid II

Review

Mit BLACKBRAID ist uns dummerweise bisher ein ziemlich eindrucksvoller Black-Metal-Newcomer durchgegangen, Schande über uns. Bereits 2022 konnte das Projekt aus den Adirondack Mountains im US-Bundesstaat New York nämlich mit seinem Native American Black Metal hohe Wellen schlagen. Hinter BLACKBRAID verbirgt sich Multiinstrumentalist Jon Krieger, aka Sgah’gahsowáh (Mohawk für „the witch hawk“), der das Debüt „Blackbraid I“ bis auf die Drums im Alleingang aufgenommen hat und nicht mal ein Jahr später den Zweitling „Blackbraid II“ nachlegt.

Nordamerikanische indigene Wurzeln treffen auf skandinavisch geprägten Black Metal

Obwohl sich Sgah’gahsowáh deutlich auf seine indigenen Wurzeln beruft, handelt es sich bei der Musik von BLACKBRAID nicht direkt um Folk Black Metal. Mit seinem kulturellen Erbe setzt er sich hauptsächlich auf textlicher Ebene auseinander, wobei es dabei weniger um historische Ereignisse geht, zu denen er auf dem Debüt mit „Barefoot Ghost Dance on Blood Soaked Soil“ allerdings durchaus Bezug nahm. Vielmehr befasst sich Sgah’gahsowáh auf „Blackbraid II“ primär mit seiner tiefen, fast spirituellen Verbindung zur Natur und schneidet dabei auch Themen aus der Mythologie und Folklore der amerikanischen Ureinwohner an.

Inhaltlich ist er damit natürlich nicht ganz so weit von einigen seiner musikalischen Einflüsse entfernt; den Grundstein für die Musik von BLACKBRAID bildet nämlich atmosphärischer, melodiebetonter Black Metal hauptsächlich skandinavischer Prägung. Sgah’gahsowáh selbst nennt neben Landsleuten wie PANOPTICON und WOLVES IN THE THRONE ROOM vor allem nordische Bands wie BATHORY, DISSECTION, IMMORTAL, SATYRICON und ENSLAVED als Inspirationsquellen. Der Folk-Anteil auf „Blackbraid II“ beschränkt sich daher auch vornehmlich auf die drei stimmungsvollen, über das Album verteilten Instrumentals, bei denen es mit sanft gezupfter Akustikgitarre und traditionellem Flötenspiel sehr reduziert zugeht.

Schon der Opener „The Spirit Returns“, mit viereinhalb Minuten der kürzeste reguläre Song der Platte, präsentiert ein beeindruckendes schwarzmetallisches Repertoire zwischen harschen Riffsalven, melodischer Eingängigkeit und mitreißender Erhabenheit. Auch „The Wolf That Guides the Hunter’s Hand“ macht sich diese Eigenschaften zu Nutze, geht aber nochmal ein gutes Stück treibender und angriffslustiger zu Werke. Seine volle Bandbreite spielt Sgah’gahsowáh allerdings bei den beiden über zehnminütigen Longtracks des Albums aus. Bei „Moss Covered Bones on the Altar of the Moon“ treffen atmosphärische Breitwandparts auf berauschende Melodiebögen und Gitarrenläufe, die bisweilen gar an RUNNING WILD erinnern, während zur Mitte hin BATHORY-Epik einerseits und eine schon fast thrashig grobe Kelle andererseits das Szepter übernehmen. Dazwischen findet sich auch wieder Platz für ein paar unaufdringliche Flötenklänge, ohne dass die ganze Chose dabei in Wald-und-Wiesen-Black-Metal abdriftet.

Ein fesselndes Wechselspiel aus Melodie und Härte

Nach einem ganz ähnlichen Prinzip ist auch „A Song of Death on Winds of Dawn“ gestrickt, wobei hier den Leisen Tönen noch etwas mehr Raum gewährt wird und es vor allem die fantastischen Leads sind, die besonders herausstechen. Als echtes Überraschungsei entpuppt sich die „Twilight Hymn of Ancient Blood“. Geht es zunächst noch mit schweren, doomig schleppenden Riffs und tiefen Growls los, so explodiert die Nummer ab der Mitte wie eine Splittergranate in eine halsbrecherische Thrash-Metal-Sause, bei der kein Auge trocken und kein Nacken unbeschadet bleibt. Das mag dem bisherigen kompositorischen Feingefühl von BLACKBRAID etwas zu wieder laufen, bockt aber ungemein.

„Sadness and the Passage of Time“ bildet dazu nochmal einen ruhigen Gegenpol, bei dessen verträumt melancholischen Klanglandschaften auch Akustikgitarren verstärkt Einsatz finden. Ob es zum Abschluss noch eine Coverversion von BATHORYs „A Fine Day to Die“ gebraucht hätte, ist sicherlich streitbar. Nicht nur wurde das Stück schon von Hinz und Kunz im Pagan- und Black-Metal-Sektor gecovert, auch kann Sgah’gahsowáh der Nummer nicht wirklich eine neue Komponente entlocken. Andererseits ist das Hauptriff derart geil, dass die Interpretation von BLACKBRAID nicht wirklich stört.

Kein Einzelkämpfer-Syndrom

Bei „Blackbraid II“ ist innerhalb kürzester Zeit nochmal eine bemerkenswerte Steigerung zum ohnehin schon starken Debüt festzustellen. Nicht nur kommt das Zweitwerk fast auf die doppelte Spielzeit, das Songwriting wirkt auch insgesamt etwas dynamischer und selbst die längeren Songs bleiben durchweg spannend. Vom Einzelkämpfer-Syndrom ist außerdem nichts zu spüren; zu keiner Zeit wirkt Sgah’gahsowáh, als hätte er sich mit seinem Unterfangen übernommen. Die kernigen Vocals sind für Black-Metal-Verhältnisse gut verständlich und besonders die tollen Leadgitarren setzen immer wieder Akzente, einzig die von Neil Schneider eingespielten Drums poltern bisweilen etwas steril daher und für absolute Trveheimer könnte die Produktion möglicherweise zu modern gehalten sein. Ungeachtet dessen darf es in der Form gerne weitergehen.

21.11.2023
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