Bullet For My Valentine - Temper Temper

Review

Man könnte es sich einfach machen, und sich an den (ganz sicher auftauchenden) Kommerz-Vorwürfen beteiligen, denen sich BULLET FOR MY VALENTINE allerspätestens seit dem in der Tat etwas substanzlosen letzten Album „Fever“ ausgsetzt sehen. Dass die Band ohnehin schon immer die reinsten Trend-Nutten gewesen seien, und dass jetzt, wo man auch noch öffentlich zugibt, den Aggressionsanteil der Musik auf ein Mindestmaß heruntergefahren zu haben, der Zug endgültig abgefahren sei. Solche Rezensionen, das mag ich zu prognostizieren, wird man an allen Ecken und Enden des Internets finden. Damit würde man der Sache aber nicht gerecht, denn man würde dabei gleich zwei Dinge ignorieren: Dass BULLET FOR MY VALENTINE auf „Temper Temper“ echter und natürlicher klingen als der Großteil der ebenso etablierten Konkurrenz, vor Allem aber, dass die Songs auf diesem Album allesamt ziemlich gut sind, wenn man Melodien und Songwriting für die Essenz gelungener Musik hält.

Es stimmt natürlich: Album Nummer vier der Waliser Superstars ist ein kommerzielles Stück Metal, mit Songs, die für die Massen geschrieben und aufgenommen wurden. Es stimmt aber auch, dass es nach wie vor ein Metal- und kein seichtes Rockalbum ist, und wenn Gitarrist Michael Paget in Interviews erzählt, „Temper Temper“ sei reduzierter und weniger aufgebläht, dann ist das in erster Linie ein beschönigendes Unterstatement. Trotz Ausflüge in ruhigere Gefilde mit „Dead To The World“ oder dem vielsagend betitelten „Tears Don’t Fall Part 2“ sind Songs wie der ganz hervorragende Opener „Breaking Point“, das flotte „The Truth Hurts“, das etwas groovigere „P.O.W.“ oder das wieder recht heftig aus Boxen donnernde „Riot“ in erster Linie gute melodische Modern-Metal-Songs. Und das auch völlig ohne Metalcore-Breakdowns oder übermäßiges Gebrülle. Es ist mir ohnehin ein Rätsel: Wenn es einer Band am Herzen liegt, melodisches Songwriting in den Vordergrund zu stellen und die jugendliche Aggression ein wenig zu drosseln, schreien Heerscharen von ganz Harten auf und verurteilen die Entscheidung als ausgewhimptes Kalkül. Ich werte es als glaubwürdige Herzensangelegenheit, die nicht jedem gefallen muss, aber angesichts der Songqualität durchaus Vielen gefallen KANN.

Die diesmal relativ anspruchs- und gehaltvolle Gitarrenarbeit ist übrigens ein weiteres großes Plus der Scheibe, die noch nicht mal eine wirkliche qualitative Talfahrt bereithält. Langzeittest und (zu bezweifelnder) Klassikerstatus von „Temper Temper“ sind natürlich noch nicht zu bemessen. Klar ist aber, dass die Scheibe eine klare Steigerung ist zum Vorgänger – und dass BULLET FOR MY VALENTINE in der Tat ihre Stärken gebündelt haben. Ob man mit diesen Stärken etwas anfangen kann, ist natürlich eine reine Geschmacksfrage. Aber unglaubwürdiger kommerzieller Totalausverkauf geht anders, lasst euch da mal nichts erzählen.

04.02.2013
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