Burzum - Filosofem

Review

BURZUM – Varg Vikernes – was ich mit diesem Menschen (?) assoziiere, ist schon mehr als negativ, gleichwohl bereitet es mir keinen Gewissenskonflikt, ihn auf den musikalischen, künstlerisch-wertvollen Teil (also eigentlich nur dieses Album) zu reduzieren und sein wichtigtuerisches, faschistisches Gehabe in Interviews und im Gefängnis stehen zu lassen.

Zum Werk: Cover- und Bookletgestaltung des Anfang 1996 erschienenen (die Stücke entstanden zwischen 1991-1993) Filosofem sind überaus gelungen und das Motiv Wald tritt irgendwie auch musikalisch in Erscheinung. Man kann die Musik mitsamt Produktion sicher als abartig und krank empfinden – für mich allerdings, ist sie vielmehr auf natürliche Weise emotional (eigentlich ausnahmslos depressiv). Die Produktion der E-Gitarre ist beispiellos nebelhaft und der Klangwall dringt scheinbar aus der Ferne, um in seine Weiten mitzureißen. Es gab Zeiten, da verdrängte ich den Besitz dieses Werkes, da es doch tief in die eignen Abgründe hinabzerren kann, aber welcher Musik, außer vielleicht TIAMATs intensivem „A Deeper Kind Of Slumber“, kann ich dergleichen noch zusprechen. In dieser Klangwelt (und in sich selbst) scheint unerschöpfliches Erkunden möglich, somit hört man sich nicht wirklich satt daran – sofern man diesen Stil mag. Ob es sich hierbei noch um Black Metal handelt, will ich nicht beurteilen. Es entfaltet sich jedenfalls ein durch und durch schwarzes, misanthropisches Ambiente, wobei die ersten drei Stücke ungemein „rocken“. Der künstlich verzerrte, relativ leise abgemischte Schreigesang könnte sich nicht besser in die Gesamtheit einfügen, flößt dem eine schaurige Verzweiflung ein und wird dabei nicht unerträglich.

Der erste Song „Dunkelheit“ ist noch relativ abwechslungsreich und schon da werden sich die Geister scheiden. Ich kann nur darauf beharren, daß die Einfachheit lediglich an der Oberfläche erschallt und auch Riffs aus lediglich zwei Akkorden, harmonierend mit einer einfachen, darüber klingenden Tonfolge (vom Synthesizer), in sich tief komplex sind. „Jesus Tod“ (norwegischer Text – die restlichen drei sind englisch) ist zwar ein einfallsloser Titel, aber die Musik mit ihren wenigen verzerrt-rauschenden, übereinander hallenden Melodien, ist einmalig. Wie in den ersten drei Stücken trommelt hier ein monotoner Drum-Computer trostlos vor sich hin, was die ganze (Selbst-) Hypnose nur noch mehr vertieft. Das ebenso gelungene „Erblicket die Töchter des Firmaments“, geht wieder mehr in die Richtung von „Dunkelheit“, der Rhythmus bleibt allerdings viel langsamer.

Von mir aus nenne man das fünfte Stück, namentlich „Der Rundgang um die transzendentale Säule die Singularität“ (wer schickt mir Interpretationen? 🙂 trist – gähnend langweilig – sicher besteht das Stück auch nur aus zwei (atmosphärisch-vielschichtigen) minimalistischen Themen und dies gestreckt über geschlagene 25 (!) Minuten, doch wer sich wirklich auf die Musik in ihrer Abstraktheit einläßt, kann subjektivste Gedankenbilder erfahren. Man muß dazu eben mit dieser psychedelischen Stimmung „kompatibel“ sein (allein die Kunst berauscht!).

Und da wären ja noch die beiden „Gebrechlichkeit“-Stücke, mit ihrer unterschwellig hoffnungsraubenden Melodie, die aus gerade mal vier, vor sich hintröpfelnden Keyboard-Klängen und einem atmosphärischem Riff im Hintergrund, bestehen. Das letzte Stück verzichtet allerdings auf das (intensiv klagende) Geschrei, wartet dafür mit einem genialen Anschwellen der rauschenden Gitarrenwellen auf. Das „Intro“ vom ersten Teil, ein geheimnisvolles Geräusch – in meinen Augen eine desolate Grotte hölzern hinabsickerndes Wasser – bleibt dabei gegenwärtig… und irgendwann (nach über einer Stunde), wacht man dann auf und nur der Eindruck einer transzendenten, unbeschreiblichen Musik, die ein wahrer Alptraum sein kann und ein Traum, in dem sie der Alltagswelt entrückt, verbleibt.

01.05.1999
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