Cemetery - Thoughts On Life ... And Death
Review
Die Recherche zur hier gegenständlichen Band CEMETERY (mit E) ist dem Verfasser unter anderem durch den Tatbestand erschwert worden, dass neben der schwedischen Kombo CEMETARY (mit A) noch zahllose weitere Bands mit diesen oder ähnlichen Namen die Metalszene bevölkern. Dabei wurde diese bayrische Formation um Dani Zizek bereits in den Achtzigern gegründet, musste 1994 nach Fertigstellung des Debüts „Enter The Gate“ jedoch durch den finanziellen Ruin ihres damaligen Labels lange Zeit auf Eis gelegt werden. Laut den Metal Archives existierte die Band (oder was davon übrig blieb) zeitweise in Form des Ablegers AEONS END weiter, bis CEMETERY selbst 2017 wiederbelebt worden sind.
Nach einer turbulenten Vita scheinen die Bayern CEMETERY endlich Fuß zu fassen
Es erschien 2019 dann ein Album mit dem Titel „The Last Day On Earth“ und es ist ein bisschen Auslegungssache, ob man diese Platte als das erste oder zweite Album der Band ansehen möchte, da die Presseinfo zwar „Enter The Gate“ als das Debüt nennt, diverse andere Quellen diese Veröffentlichung aber als Demo behandeln. Zeitgleich mit „The Last Day On Earth“ wurde die Platte aber schließlich auf Bandcamp feilgeboten und offenbarte, was damals hätte sein können: eine kompetente Band aus Teutonien mit Faible fürs Progressive, die sich wunderbar in die Blütezeit des Todesbleis einordnen ließe und sich weiland möglicherweise sogar einen bleibenden Namen hätte machen können, wenn es die Umstände denn zugelassen hätten.
Aber das war damals, jetzt ist heute und heute ist „Thoughts On Life … And Death“. Die in Peiting beheimatete Band knüpft klanglich an die Vorwerke an, wobei das Liedgut hinter „Thoughts On Life … And Death“ vor allem im Vergleich zu „The Last Day On Earth“ etwas zugänglicher, oder besser: unmittelbarer geschrieben wirkt. Das ändert jedoch wenig am hohen Härtegrad, wie die Bayern beispielsweise im nach Stockholmer Schule klingenden „Among The Dead“ oder in der ersten Hälfte von „Lock The Doors To Your Mind“ demonstrieren, das dank spack sitzender Backbeats die Hutschnur schön straff zieht. Melodien sind generell keine Mangelware bei den Bayern, bleiben üblicherweise aber todesbleiern und düster – was die Passagen, in denen große, lebhafte Melodien auftauchen wie in „Grief, Anger And Despair“ umso kathartischer macht.
„Thoughts On Life … And Death“ klingt nach nichts anderem als nach Death Metal …
Für Tiefe ist gesorgt, wobei „Thoughts On Life … And Death“ auf den ersten Hör die Industriestandards bedient. Neben einer wie geleckt klingenden, technischen Versiertheit, heiserem, biestigem Gekeife und einer modernen, aber nicht zu sauber klingenden Produktion sind hier die prominent auftretenden Black Metal-Elemente zu nennen, die ihren Weg immer wieder ins Riffing hinein finden. Doch CEMETERY haben ihr Faible für Progressivität nicht abgelegt. Das äußert sich in zum Teil vielschichtigen Instrumental-Parts mit reichlich Verwinkelungen, manchmal schlagen sich einzelne Stücke sogar gänzlich seitwärts in die Böschung, wobei nichts zu Abwegiges passiert – die Bayern klingen trotz allem nach zünftigem Death Metal und nichts anderem.
Das eröffnende „Thoughts On Life“, das mit seinen nicht ganz drei Minuten die Tür eintritt und ohne Zögern sofort Kopfnüsse innerhalb der Hörerschaft verteilt, wirkt zunächst wie ein ultrastraffer, ultrastringenter Dosenöffner, doch schon hier tauchen vereinzelte Dur-Harmonien und Synths – möglicherweise sogar ein Mellotron(-sample?) – auf und lassen den Song unerwartet atmosphärisch ausklingen. „Physical Fear“ verwandelt sich nach der Halbzeitmarke kurzzeitig in etwas, das auf einem MEKONG DELTA-Album nicht fehl am Platz wäre, nur um sich hiernach wieder den Death Metal-Schuh anzuziehen, den Song zu seinem logischen Ausgangspunkt zurück zu bringen und dabei so zu tun, als wäre dies das Normalste auf der Welt.
… doch CEMETERY greifen gerne in die Trickkiste
„Believe“ ebbt nach dreieinhalb Minuten komplett ab und lässt warme, nur leicht angezerrte Gitarren elegant im Raum umher schweben – ein bisschen Melodramatik á la METALLICA im Halbballadenmodus scheint durch, ehe die Bayern den Song mit einem letzten, explosiven Schrei fulminant zu Ende bringen. Und wieder sind die Übergänge von der sagenhaft sahnigen Sorte – „Chef’s Kiss“, wie man im Business sagt. Der überlange Rausschmeißer „Thoughts On Death“ ist trotz seiner Länge nicht notwendigerweise der vielschichtigste unter den Tracks, nimmt sich aber dank eines heruntergeschraubten, Doom-nahen Tempos deutlich mehr Zeit, um auf seinen epochalen Höhepunkt zuzusteuern – und das funktioniert erwartungsgemäß einwandfrei, möglicherweise sogar mit einer Post-Metal-Note im Abgang.
Die Magie hinter „Thoughts On Life … And Death“ ist die wahnsinnige, kompromisslose Konsistenz des Dargebotenen. Es klingt jederzeit nach nichts anderem als nach Death Metal, aber es steckt so viel mehr unter der Oberfläche, vor allem Riffs und Breaks, die einerseits die Death-Metal-Standards bedienen, dann aber gerne links und rechts, oben und unten ausbrechen für interessante Licks und elaborate Motive. Zizek und Co. haben ein wahnsinnig behändes, wildes und doch einfallsreiches Album auf die Welt losgelassen, ohne Verwaschungen, ohne grobe Schnitte, nur durch große Kompositionskunst, die jedes einzelne Element im Sound der Bayern sinnvoll ineinander überführt und der wahrscheinlich ein enormer Ausarbeitungsprozess vorausgegangen ist.
Trotz enormer Konkurrenz verdienen die Bayern das ein oder andere Ohr
Das überlaufene Feld des Death Metal hat dieses Jahr schon viele Highlights hervorgebracht – und „Thoughts On Life … And Death“ darf sich nach Ansicht des Verfassers dort einreihen, auch in seiner Eigenschaft als Konzeptalbum über Totalitarismus aus der Sicht eines Individuums, das durch dessen gnadenlose Machination läuft gedreht wird. Natürlich kann man an dieser Stelle das Argument aufstellen, dass CEMETERY weder in Sachen Konzept noch an der musikalischen Front wirklich viel neu oder anders machen und in einem Jahr, in dem großartige Alben wie „Changeling“ erschienen sind, ist die Konkurrenz enorm. Dennoch verdienen die Bayern Aufmerksamkeit – welche sie hoffentlich mit „Thoughts On Life … And Death“ erhalten.
Cemetery - Thoughts On Life ... And Death
| Band | |
|---|---|
| Wertung | |
| User-Wertung | |
| Stile | Black Metal, Death Metal, Melodic Death Metal, Progressive Death Metal, Thrash Metal |
| Anzahl Songs | 9 |
| Spieldauer | 49:41 |
| Release | 08.08.2025 |
| Label | Eigenproduktion |
| Trackliste | 1. Thoughts on Life - 02:54 2. Among the Dead - 04:24 3. Grief, Anger and Despair - 04:23 4. Physical Fear - 06:01 5. Nothingness - 02:16 6. Lock the Doors to Your Mind - 06:00 7. Believe - 05:56 8. Truth “A” - 06:34 9. Thoughts on Death - 11:13 |
