Changeling - Changeling

Review

Progressive Death Metal hat einen seiner innovativsten Gitarristen und Ideengeber zurück. Nachdem er vor neun Jahren das OBSCURA-Album “Akróasis” mit seinem außergewöhnlichen (Fretless-)Gitarrenspiel und vielen Songideen veredelte, sah sich Tom “Fountainhead” Geldschläger noch vor der Veröffentlichung des Albums mit einer – wie er es nennt – „Rufmordkampagne“ konfrontiert, die seine Beiträge zur Platte und sein Gitarrenspiel selbst kleinredete. Der Virtuose war in der Folge nicht untätig, versuchte zunächst, durch selbst angefertigte Playthroughs seine Beiträge zum Album der Öffentlichkeit zu demonstrieren, wurde aber ein ums andere Mal mit Copyright-Strikes durch OBSCURA-Chef Steffen Kummerer daran gehindert. Geldschläger blieb umtriebig, spielte Gigs mit NADER SADEK, BELPHEGOR und DEFEATED SANITY, unterrichtete, veröffentlichte Soloalben und wurde Kreativ-Coach für Musiker:innen. Nur der Tech-Death-Szene blieb er aufgrund der Traumaerfahrungen zunächst fern …

… bis sich Geldschläger vor etwa fünf Jahren mit Gitarrist Christian Münzner (u. a. VOID SECTOR ZERO und RETROMORPHOSIS, ehemals OBSCURA, NECROPHAGIST und ALKALOID), zusammenschloss, um ein gemeinsames Projekt zu starten, das die Vergangenheit beider Musiker würdigt. Münzner kehrt kurze Zeit später jedoch überraschend für das Album “A Valediction” und zwei Touren zu OBSCURA zurück und Geldschläger holt stattdessen Morean (ALKALOID, NONEUCLID, ehemals DARK FORTRESS) ins Boot, der unter seinem bürgerlichen Namen Florian Magnus Maier in seiner Wahlheimat Rotterdam ein gefeierter Komponist zeitgenössischer Klassik ist. Die beiden akquirieren noch Drummer Mike Heller (RAVEN, MALIGNANCY, ehemals FEAR FACTORY) und Bassist Arran McSporran von COSMITORIUM und VIPASSI und haben gemeinsam ein bahnbrechendes Konzeptalbum erarbeitet, das so freigeistig und innovativ zu Werke geht, dass sich in Zukunft ein ganzes Subgenre daran messen lassen muss.

CHANGELING – Neue Lebenskraft für Progressive Death Metal

Nicht wenigen dürfte bereits bei der Nennung der Beteiligten die Sabber in der Futterluke konvulsieren und das Geld freiwillig vom Konto migrieren – doch werden wir insgesamt trotzdem fast doppelt so viele Worte verlieren wie in einer herkömmlichen Review. Kein Wunder: das Album ist ja auch mindestens doppelt so gut wie ein normales Album. Das war zwar wahrscheinlich, aber nicht selbstverständlich.

Das Besondere ist, wie clever und elegant Geldschläger auf “Changeling” die berühmten Brücken schlägt und sein musikalisches Konzept umsetzt. Die ersten drei Songs zollen seiner ganz persönlichen Vergangenheit Tribut, was sich in musikalischen Zitaten von DEATH, CYNIC, MORBID ANGEL und natürlich OBSCURA zu Buche schlägt. Allein der Opener “Instant Results” bietet so viele Ideen, so viel Kreativität, wie sie manche Bands in einer ganzen Karriere nicht verbraten – und das ist im Kontext von proggy Death Metal sogar der konventionellste Song!

Eine Reise durch mentale Abgründe.

Mit seinem unwiderstehlich hypnotischen Oud-Riff und dem Gast-Solo von Andy LaRocque (KING DIAMOND, ex-DEATH) ist vor allem “World What World” erwähnenswert, da es allmählich den Übergang in den zukunftsorientierten Teil des Albums einläutet. Mit dem Titelsong und der ersten Single “Abyss” findet sich in der Mitte der Platte jedoch zunächst den emotionalen Tiefpunkt. Während sich der Titelsong aufwühlend und komplex gibt, ist das um einen Viertelton modulierende “Abyss” pure, minimalistische Tristesse, die es über acht Minuten schafft, kein einziges Mal langweilig zu werden.

“Changeling” ist die Zukunft.

Was allerdings im letzten Drittel des Albums passiert, ist nicht von dieser Welt. “Abdication” geht mit neun Minuten über die Zielgerade und integriert soundtrackartig Ansätze der japanischen Folklore. Die abschließende Death-Metal-Sinfonie “Anathema” stellt mit über einer Viertelstunde Spielzeit den geistigen Nachfolger zu Geldschlägers OBSCURA-Komposition “Weltseele” dar. Ob der “Fountainhead” seine Ideen direkt aus intergalaktischen Energien bezieht oder einen geheimen Zugang zur Musik Außerirdischer hat, von der er sich inspirieren lassen kann – wir wissen es nicht. Doch “Anathema” ist ein außerweltliches Stück Musik voller verdichtetem Urgenie, dass es wirkt, als hätten Dvořak, Trey Azagthoth und die Älteren Wesen des Lovecraft-Kosmos’ ein gemeinsames Projekt gestartet.

Es muss kaum erwähnt werden, dass sämtliche anderen Parameter des Albums nicht weniger als faszinierend sind. Sei es der clevere Einsatz eines echten Orchesters in mehreren Songs, der nichts mit Hollywood-Kitsch zu tun hat; die konkurrenzlosen Darbietungen der gesamten Band und aller beteiligten Gastmusiker oder der großräumige, von Geldschläger selbst angefertigte Mix, der übrigens auch noch als Dolby-Atmos-Version verfügbar sein wird, oder die tiefsinnigen, von besonderem Wortwitz gezeichneten Texte von Morean – egal, was in diesem Subgenre in Zukunft passieren wird, es wird sich an “Changeling” messen lassen müssen, wie es sich vor Zeiten an “The Sound Of Perseverance”, “Epitaph” oder “The Malkuth Grimoire” messen lassen musste. Nach zwei Monaten intensiver Beschäftigung mit dem Album und konstant steigender Faszination kann hier nichts anderes als die Höchstnote stehen. Wer anspruchsvollen, cleveren Extreme Metal mag, wird an CHANGELING nicht vorbeikommen!

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18.04.2025

Redakteur

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3 Kommentare zu Changeling - Changeling

  1. Dude sagt:

    Sehr geiles Album. Wäre mir fast entgangen. Hat ein paar Zutaten die mich viele Bands nicht mögen lässt, setzt sie aber leider geil ein.

    9/10
  2. destrukt. sagt:

    Der Review kann man nicht viel hinzufügen. Es ist ein in sich geschlossenes perfektes Meisterwerk. Und es ist erstaunlich, wie alle Ideen und Orchestrationen in ihrer ganzen Opulenz sich trotzdem jederzeit natürlich und nachvollziehbar anfühlen. Ein absolutes Ausnahmealbum.

    10/10
  3. Se Wissard sagt:

    Beeindruckend! Beim Hören hat man das Gefühl Teil von etwas Größerem zu sein, ein absolutes Meisterwerk zu erleben. Hellwach muss man aber sein, sonst verpasst man Vieles, weswegen das Album auch nicht immer funktioniert. Aber wenn man dabei ist, Zeit hat, sich darauf einlässt, kann es schon sein, dass man vor Freude einnässt. Die 25 Minuten Abschluss in den letzten beiden Stücken sind so grandios, besser geht es kaum.

    10/10