Chapel of Disease - …And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye

Review

Es ist tatsächlich schon knapp vier Jahre her, dass CHAPEL OF DISEASE mit „The Mysterious Ways Of Repetitive Art“ andeuteten, dass ihnen das stilistische Korsett namens Old School Death Metal zu eng geworden ist. Klassische Hard-Rock-Melodien und knackige Heavy-Metal-Riffs verpassten dem rauen Todesstahl glänzende Ecken und Kanten, an denen man sich nur zu gerne schnitt.

Mit „…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“ erheben sich die Kölner nun vollends über die Genreschranken, bewahren dabei aber ihren Klang, sodass kein Bruch zu den früheren Werken spürbar ist. Ganz im Gegenteil, denn bereits auf dem Debüt „Summoning Black Gods“ fanden sich neben ruppigen Death-Metal-Riffs auch ausgefeilte Soli. Dadurch klangen die Songs trotz ihrer antiken Vorbilder „frisch und unverbraucht“, wie unser heutiger Chefredakteur treffend feststellte. Die klassischen Rock-Anteile sind also keine stilistische Kehrtwende, sondern das Ergebnis einer konsequenten Weiterentwicklung.

CHAPEL OF DISEASE haben ihren Sound konsequent weiterentwickelt

Aber ist das Ergebnis denn auch gut hörbar? Ja, voll und ganz. CHAPEL OF DISEASE veröffentlichen mit „…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“ zum Jahresende noch einmal ein absolutes Highlight, dass sehr wahrscheinlich in einigen redaktionellen Rückblicken einen der vorderen Plätze einnehmen wird. Das Album strotzt vor Spielfreude und Kreativität, die kompetent und hochwertig in sechs hervorragende Songs kanalisiert wurden.

Es ist außerdem hervorzuheben, dass hier ausnahmslos jedes Experiment glückt und sich perfekt ins Gesamtbild einfügt. Seien es die ausufernden Instrumental-Parts wie zum Beispiel im Opener „Void of Words“, die dem Album einen leichten Jam-Charakter verleihen, oder der Klargesang bei „1.000 Different Paths“. Der Mut, etwas Neues zu wagen, zahlt sich aus.

Auf „…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“ glückt jedes Experiment

Zugegeben, durch die vielen Details ist „…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“ keine leichte Kost, fordert den Zuhörer an einigen Stellen, unterhält ihn aber in der Gesamtheit mit energievollen Songs. Die Death-Metal-Wurzeln der Band sorgen für den Druck, den Sturm, die Rock-Melodien und der lässige Groove für die trügerische Ruhe in seinem Innern.

Die Produktion, der praktischerweise Gitarrist und Sänger Laurent selbst übernahm, passt ebenfalls. Zerbrechlich dünn legen sich die Saiten an vielen Stellen über das schroffe Fundament der Songs und verschaffen dem Album dadurch Leichtigkeit und Eleganz. Ähnlich wie ihre Genrekollegen TRIBULATION und VENENUM machen CHAPEL OF DISEASE damit einen weiteren stilistischen Schritt raus aus den tiefen Kerkern des klassischen Todesstahls. Sie nun aber schon mit einem Fuß im Retro-Rock-Lager zu verorten, wäre ein bisschen übertrieben.

Ein spätes Highlight des Jahres 2018

Genug der Schwärmerei. Doch, zugegeben, die Schwächen auf „…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“ muss man schon gezielt suchen, um sie auszumachen. Vielleicht sind die Songs manchmal zu ausladend, wirken etwas ziellos, aber gerade dadurch entwickelt das Album eine unverkrampfte Leichtigkeit. Es besticht durch seine Natürlichkeit und ist augenscheinlich das Ergebnis richtig genutzten Bauchgefühls, nicht das Produkt verkopfter Komponisten. Der Sturm namens Leben, der in all seinen Höhen und Tiefen über die Band hinweggezogen ist, hat seine Spuren hinterlassen. Die ruhigen Momente in seinem Auge nutzten die Musiker, um das Erlebte in mitreißende Lieder zu verwandeln.

Es ist so, wie es ist. CHAPEL OF DISEASE legen hier ein Album vor, an dem sich ohne Frage auch einige Geister scheiden werden. Die musikalische Qualität von „…And As We Have Seen The Storm, We Have Embraced The Eye“ steht aber außer Frage, die endgültige Benotung bleibt letztlich dem persönlichen Geschmack überlassen. Wer schon auf dem Vorgänger nichts mehr abgewinnen konnte, wird auch mit diesem Album wahrscheinlich nicht glücklich werden, sollte aber dennoch ein Ohr riskieren. Der Autor dieser Zeilen wird des Albums jedenfalls auch nach mehreren Durchläufen immer noch nicht überdrüssig und zückt entsprechend die Höchstnote.

17.11.2018
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