Coalesce - 012:2

Review

COALESCE sind eine der wichtigsten Noisecore-Bands überhaupt, wenn nicht gar die wichtigste, das steht außer Frage. Da können wir gern drüber diskutieren, revidiert wird nichts. Anfang der Neunziger drohte die Hardcore-Bewegung in einer giftigen Wolke der eigenen Flatulenz zu ersticken, neue Akzente Fehlanzeige (ja, ja, meinetwegen abgesehen von REFUSED). COALESCE waren da ein probates Gegenmittel gegen die endgültige Verblödung dieser Szene.

Bereits durch ihre frühen Veröffentlichungen (die beiden Debüt-EPs und die schon legendäre Split mit NAPALM DEATH und CONVERGE) hatten sie sich einen ehrenwerten Ruf errichtet, der zwischen zwei eisernen Grundpfeilern liegt: Ungebremste Aggressivität und unermessliches kreatives Potential. Ihren Sound kann man als freie, lebhaft ausgestaltete Hardcore-Variante mit Versatzstücken vieler weiterer, ausgewählt zusammengetragener Stilistika beschreiben: Stellt euch einen garstigen Hybrid aus der rhythmischen Versiertheit HELMETs, der rifflastigen Düsternis früher UNSANEs, der Komplexität von TODAY IS THE DAY und der Power von PISSED JEANS vor. Dazu ganz riesig: Das fiese, durch Störgeräusche verunstaltete Organ Sean Ingrams. Was heute im Noisegetümmel beinahe alltäglich ist, das war damals geradezu revolutionär.

1999 erschien dann der dritte Vollzeitamoklauf „0:12 Revolution In Just Listening“, vielmehr überfiel er einen wie eine tollwütige Elefantenherde. Wo ein Song anfängt und ein anderer aufhört, wird zur Nebensache. Die Songs fließen ineinander zu einem großen stampfenden Ganzen, zu einer alles durchdringenden, niedermachenden Lärmschicht. COALESCE behandeln ihre unzähligen Ideen wie schmutzige Wäsche, die sie unsortiert in eine Waschmaschine schmeißen. Anschließend freuen sie sich, wie die Songstrukturen während des Schleudergangs ineinander verlaufen: „Burn Everything Down That Bears Our Name“ bäumt sich auf, gibt vor ein Epos zu sein. Will man sich kopfüber in den rauschenden Fluss stürzen, fällt man ins Leere. Denn der Song ist kurz, ohne Vorwarnung, einfach so, und schon beginnt der nächste. Und das wird auch die folgenden knapp 25 Minuten so bleiben. Die kurze Laufzeit stört nicht weiter, ist sie doch Punk, und auch ein Zugeständnis an die Belastbarkeit des Hörers.

Relapse Records schicken zur Wiederauferstehung COALESCEs nach über sieben Jahren mit „012:2“ eine überarbeitete Fassung dieses unbändigen Werks ins Rennen. Leider ohne Bonus. Eine gute Dekade später beschäftige ich mich noch einmal mit dem Album, und es beschäftigt mich. Schwer, sich beim Headbangen auf dem Schreibtischstuhl, respektive die Finger auf der Tastatur zu halten: Es hat nichts verloren, eher noch hinzugewonnen, noch heute erschüttert es und schockt gewaltig!

15.06.2008
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