Cor Scorpii - Ruin

Review

Vor gut zehn Jahren sind COR SCORPII aus der Asche von WINDIR auferstanden und haben mit dem famosen „Monument“-Album die Erbschaftsfrage – zumindest gemeinschaftlich mit MISTUR, VREID und SIGTYR – für sich entschieden. Seitdem ist im Camp der Norweger allerdings nicht viel passiert oder Zählbares herausgekommen. Abgesehen davon vielleicht, dass Gitarrist Strom ausgestiegen ist, der mit seinen Leadgitarrenläufen schon den ikonischen Klang von WINDIR mitgeprägt hatte, und durch Erlend Nybø ersetzt wurde. Keine guten Voraussetzungen eigentlich, und die Frage natürlich berechtigt, ob die Band mit ihrem zweiten Album „Ruin“ noch etwas reißen kann.

COR SCORPII wählen eine andere Bildsprache als im „traditionellen“ Sognametal

Darauf mag man gerecht antworten, dass die Zeit für gute Musik nie abgelaufen ist und dass Sognametal (trotz der tragischen Umstände des Endes von WINDIR) immer noch aktuell ist und klingt. Und mit „Ruin“ schaffen es COR SCORPII ein weiteres Mal, die Majestät der Berge rund um den Sognefjord, der Landschaft, des Winters einzufangen. Wobei die Norweger eine andere Bildsprache wählen: „The road to ruin begins with the building of monuments!“ heißt es da in der Selbstbeschreibung. Dennoch: Durch die weitgehend gebliebene Wahl der musikalischen Zutaten seien die traditionellen Bilder im Kopf erlaubt. Die Musik ist zugleich grimmig als auch melodisch; Black-Metal-Raserei trifft auf Folk-Melodien. COR SCORPII lösen sich dabei etwas vom großen Vorbild und agieren etwas progressiver, Sänger Thomas S. Øvstedal keift dafür noch schwarzmetallischer ins Mikro.

Black-Metal-Raserei trifft auf Folk-Melodien

Der Beginn von „Ruin“ ist allerdings erst einmal fordernd: Als Hörer benötigt man ein paar Durchläufe, bis man die Harmoniefolge im Opener „Svart blod (Hovmod står for fall)“ geschluckt hat; dann fügt sich aber alles zusammen. „Hjarteorm“ ist gefällig und setzt abwechselnd auf Raserei und rockiges Tempo. Das kompletteste Stück ist aber „Skuggevandrar“: Tolle Melodien, tolle sich ergänzende Gitarrenläufe, passender Klargesang, dazu Passagen zum Schwelgen. Vor dem geistigen Auge öffnet sich die Landschaft zwischen Sognedal und Urnes, und wahlweise sieht man dann Drachenboote auf dem Fjord oder doch das eigene Ruderboot, das unter den aufragenden Bergen wie eine Nussschale auf dem Wasser wirkt.

Dagegen wirkt „Fotefar“ zunächst etwas blass und befreit sich erst zum Ende hin durch eine tolle Passage, wo man am liebsten seine Faust zur Decke reckt. Auf „Helveteskap“ ziehen COR SCORPII wieder alle Register: Von der Spannung her über die Arrangements bis hin zum Keyboardspiel von Tastenmann Gaute Refsnes, der hier mehr als nur einfache Folkmelodien spielen darf. „Ri di mare“ und „Ærelaus“ sind dagegen eher traditionellerer Sognametal, wobei stark gemacht. Das abschließende „Siste dans“ ist im Tempo und mit seinen schönen weiblichen Vocals weitgehend verhaltener, bis zum Schluss hin Keyboard und Leadgitarren in ein Thema hineinführen, das über dreieinhalb Minuten gestreckt wird – und absolut hypnotisch ist. Stell dir vor, du stehst auf dem Berggipfel und blickst um dich herum auf den Fjord, die kargen Felsen, die schneebedeckten Berge um dich herum…

„Ruin“ enttäuscht nicht

Keine Frage: „Ruin“ enttäuscht nicht, wobei die Zeitspanne seit dem letzten Album durchaus hätte kürzer ausfallen dürfen. Aber seitdem haben sich ja VREID wieder ein wenig zurück zu den eigentlichen Wurzeln bewegt und MISTUR ein ebenfalls starkes Album vorgelegt. Insofern wurde das Erbe WINDIRs zwischenzeitlich mehr als würdig fortgeführt. Ebenso wichtig ist aber der Hinweis, dass dieses Erbe nicht bloß verwaltet wurde, sondern auch neue Richtungen genommen wurden. COR SCORPII haben jedenfalls ihren eigenen Weg im Sognametal eingeschlagen, und das überzeugend. Bleibt zu hoffen, dass für eine Fortsetzung nicht wieder zehn Jahre ins Land ziehen.

06.07.2018

- Dreaming in Red -

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